12. Zu viele Gedanken

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Irgendwie wirkte er abwesend. So war er sonst nie gewesen also hatte sich von einen auf den anderen Tag seine Stimmung geändert? Mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck nahm ich meinen Rucksack und verschwand, ohne ihn wieder im Klassenraum. Ein Lächeln lag auf meinen Lippen, als ich Karo entdeckte, die mich gerade wegs anschaute.

Sie warf ihr zerzaustes, Blondes Haar über die Schulter nach hinten und schnappte nach Luft. Karo sah aus, als hätte sie einen halben Sprint hinter sich gelegt. „ Hey, wo warst du?" „ Beim Zahnarzt". Sie grinste mich mit ihrer neuen Zahnspange an. „ Ich weiß, sieht nicht so toll aus" „ Dein schönes Lächeln wird von der Spange nicht versteckt" sprach ich sanft auf sie ein.

Ich sah ihren beruhigten Blick und setzte mich zu ihr. Auch Philipp betrat den Raum. „ Alles gut zwischen euch?" fragte Karo mich, als ob sie meine Sorgen schon aus meinem Gesicht ablesen konnte. „ Ach halb so wild. Philipp ist nur heute etwas komisch drauf. Er hängt viel bei den Jungs aus der oberen Stufe rum" „ Freu dich doch, dass er endlich vollkommen Anschluss gefunden hat nach den ganzen Wochen".

„ Tu ich ja aber keine Ahnung. Vielleicht brauchen wir etwas Abstand momentan" brummte ich ein wenig enttäuscht. Karo verstand mich voll und ganz sie half mir, wo sie nur konnte, auch wenn es manchmal nicht ausreichte. Immerhin konnte ich meine ganzen Gefühle bei ihr ausschütten. Ein Kummerkasten, der immer versuchte, dir zu helfen egal um was es ging.

Karo reckte ihren Hals in Philipps Richtung. Dieser schenkte ihr keine Beachtung, egal wie auffällig sie sich verhielt. „ Lass gut sein Karo" wollte ich meine beste Freundin unterbrechen, doch sie ließ keinesfalls locker. Endlich kam sie mit ihm ins Gespräch. „ Hi Philipp, alles klar bei dir?" „ Alles prima und bei euch?" fragte er zurück.

Ich merkte erst wenige Sekunden später, dass seine Frage sich auf uns beide bezog. Ich verzog ein paar mal meine Mundwinkel und nickte schließlich. „ Schon eine Idee, was wir machen könnten am Wochenende?" kam noch von ihm. Ich stockte. Es war alles in Ordnung zwischen uns. Gemütlich ließ ich mich in den Stuhl sinken und schaute durch die Runde. Dann schüttelte ich mit dem Kopf.

„ Wie wär's mit Kino? Es gibt ein paar coole Filme, die am Freitag laufen. Ich hab letztens mal nachgeschaut" „Klingt gut" sagte Philipp. Ich lies mir, Karos Vorschlag kurz durch den Kopf gehen, warum nicht einfach mal entspannt, sich in einen der Kinosessel plumpsen lassen und die große Kinoleinwand für ein paar Stunden anstarren. Einfach die Zeit verschweifen lassen.

„Gute Idee" murmelte ich. Eine Weile verging, bis endlich die letzte Stunde vorbei war, und umso schneller kam die Englischarbeit auf uns zu. An dem Tag trampelte Philipp ungeduldig auf der Stelle herum. Ich hatte das Gefühl, dass der Boden gleich unter uns zusammenbrach, weil seine Schritte immer lauter wurden.

Die Prüfungsangst ließ ihn nicht los. Ratlos schnappte ich nach seiner Hand. Mittlerweile war er rot angelaufen vor Aufregung. Wie konnte es sein, dass man sich so verrückt machte vor einer Arbeit? „ Komm schon, du schaffst das" „ Wenn du meinst" kam stumpf aus seinem Mund.

Mindestens jetzt wusste ich, dass er sich viel zu schlecht einschätzte, dennoch schien er auf irgendeine Art, ruhig und gelassen. In den letzten Sekunden, bevor die Tür zum Klassenraum aufging, hastete Caro zu uns hinüber. „ Momentan komme ich schlecht aus dem Bett" nuschelte sie gestresst mit tausenden von Schulsachen im Arm.

„ Das kommt mir irgendwie bekannt vor" „Allerdings" sprachen Philipp und Karo durcheinander und schauten zu mir. Sie sprachen von niemand anderem als mir. Mit einem Kichern drängelten sie sich durch die Menge in den Raum. Ich aber hatte den beiden nicht wirklich zugehört und folge ihnen einfach.

Für mich verlief die Arbeit relativ gut. Ich hatte im Gefühl, dass Philipp sich etwas schwer tat, da er eine ganze Weile nur sein Blatt angestarrt hatte. Wir hatten echt unfassbar viel gelernt so viel, dass er mir fast schon leid tat. Mit einem letzten Seufzer wendete er den Zettel und schob ihn bis zum Tischrand.

„ Alles gut verlaufen?" fragte ich ihn im Flüsterton, als sich die Lehrerin für einen kurzen Moment wegdrehte. Von Philipp kam nicht viel bis auf ein stumpfes Nicken. Das signalisierte mir, dass es ganz und gar nicht gut war. Vor ein paar Tagen schien es mir noch so, als wüsste er alles. Hatte er das ganze Wissen wieder aus seinem Kopf geprügelt? Fragte ich mich wenige Sekunden darauf.

Ich sah nur ein stumpfes Achselzucken von Philipp, als ich ihn fragte, wie die Arbeit verlief. Sein Blick wirkte gelangweilt, enttäuscht und total übermüdet.

Expire - Kampf gegen den TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt