38. Ray

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Wir fanden sie im Wald. Sie dachten wirklich, sie konnten hier unbeobachtet herumspazieren. Es lief eigentlich ganz gut, doch dann zog der Schwarzhaarige eine Waffe. Der Brünette versuchte ihn zu beschwichtigen, sie wieder wegzupacken, aber er wollte nicht. 

Ich bekam nicht mehr so viel mit, denn ich war abgelenkt. 

Von ihm. 

Mein Wolf heulte und wollte zu ihm. Ich konnte es kaum fassen. So wie es aussah, war er mein Mate. Ich stand schon immer auf Jungs, aber dieser war atemberaubend. Ich konnte seine Angst riechen und wollte zu ihm, um ihn zu trösten. Doch momentan war er ein Feind. 

Wir wussten nicht, was sie hier wollten und ich stellte mir die Frage, warum der Schwarzhaarige eine Waffe bei sich trug. In diesem Moment ertönte ein Schuss und Marco sank getroffen zu Boden. Mein Mate stützte sich auf ihn, um die Blutung mit seinen Händen zu stoppen. Ich liebte ihn schon jetzt dafür. Er hatte Angst vor uns und dennoch half er ihm. 

Wir brachten sie zum Rudelhaus und sperrten sie in den Keller, wo sich die Gefängniszellen befanden. Wir brauchten sie nicht oft, aber heute war es wieder mal so weit. 

Mir tat der Kleine leid und wie gerne würde ich es ihm ersparen dort drin zu sein. Aber ich konnte ihn nicht einfach dort hinaus holen. 

Jetzt wussten wir auch, warum sie da waren. Sie wollten Selina mitnehmen, das würde ich auf keinen Fall zulassen. Ich war der Gamma des Rudels und hatte gewisse Pflichten und das Schützen der Alphafamillie gehörte dazu. 

Ich stand dabei, als er Selina sein Handeln erklärte, aber für alle war klar, sie würde niemals hier weggehen. Viel zu lange war sie bei Adrian eine Gefangene gewesen. 

Durch die Ausweise wussten wir, wie sie hießen. Mein Mate hatte den wunderbaren Namen Chris. Lange hatte ich sein Bild angestarrt. Ich seufzte innerlich und versuchte meinen Wolf zu beruhigen.

Selina hatte ihnen nichts mehr zu sagen und so gingen wir nach oben. Im Hausflur angekommen fing sie an zu weinen. Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare und wusste nicht so recht, was ich tun sollte. Ich kannte sie noch nicht so lange und wir hatten bisher kaum was miteinander zu tun. Doch Samara kam mir zu Hilfe, nahm sie in den Arm und brachte sie weg. 

Gerade wollte ich mich zu meinem Büro begeben, als ich plötzlich ein Brüllen hörte. Ich rannte die Treppen runter und hörte die Worte, die der Schwarzhaarige schrie. 

Chris hatte Selina befreit. Er hatte es wirklich getan und Adrian war so wütend, dass er auf ihn einschlug. 

Als ich die Tür öffnete, lag er auf dem Boden und wehrte sich nicht mehr. Harry schnappte sich Adrian und beförderte ihn in die Ecke. Ich hatte das Gefühl er bekam gar nicht mit was er tat, denn er begann Harry zu schlagen. 

Ich kümmerte mich nicht mehr darum, sondern sah nach meinem Mate. 

Vorsichtig drehte ich Chris um und erschrak. Er blutete aus der Nase, sein linkes Auge war zugeschwollen, Lippe und Augenbraue waren aufgeplatzt. Ich nahm ihn vorsichtig hoch und rannte mit ihm die Treppen nach oben. 

Dort kam mir Brendan entgegen und sah mich verwundert an. Seine Nasenflügel bebten und mir war klar, dass er das Blut roch. Es klebte auch genug an Chris. 

Mit schnellen Schritten öffnete er mir alle Türen bis ich mit Chris in die Krankenstation stürzte.

Ich legte ihn vorsichtig auf den Behandlungstisch und sah mich nach Jasper um. 

Er kam auch gleich angerannt und verzog das Gesicht. Ich wurde etwas panisch und strich Chris eine Strähne aus dem Gesicht. Unsicher sah ich Jasper an und er hatte gleich den richtigen Riecher. Er holte eine Schüssel warmes Wasser und gab es mir mit einem Tuch. 

"Vorsichtig das Gesicht abwaschen! Ich kümmere mich um die Nase! Ok?": fragte er mich und nickend begann ich mit der Arbeit. 

Wir arbeiteten Hand in Hand und waren bald darauf fertig. Es stellte sich heraus, dass die Nase angebrochen war und er eine Gehirnerschütterung hatte. 

Wir zogen ihn bis auf die Boxer aus, um nach weiteren Verletzungen zu schauen. 

Sanft strich ich ihm über den nackten Oberkörper und sah fasziniert zu, wie sich eine Gänsehaut bildete. Selbst in der Bewusstlosigkeit spürte sein Körper mich. 

Eigentlich wollte ich nicht gehen. Ich wollte bei ihm bleiben. Doch konnte ich nicht länger meine Pflichten vernachlässigen, denn da Logan und Ash nicht anwesend waren, hatte ich das Kommando. 

Ich gab ihm einen Kuss auf die Stirn und drehte mich um. Da stand Ash vor mir und grinste breit. 

"Hey Ray! Hab schon gehört, dass einiges los war! Hör zu! Bleib bei ihm, ich teile die Patrouillen neu ein! Logan und ich sind wieder da! Außerdem habe ich mit einem gewissen Adrian ein Hühnchen zu rupfen!": sagte er und verschwand, so wie er gekommen war. Ich zog mir einen Stuhl aus Bett und setzte mich neben Chris. Vorsichtig nahm ich seine Hand und streichelte darüber.

Er sah entspannt aus, wobei sein Gesicht furchtbar geschwollen war. Ich könnte Adrian dafür den Kopf abreißen. Ich werde ihn auf keinen Fall in Chris Nähe lassen. 

In diesem Moment kam Jasper rein und sah nach Chris. Er überprüfte seinen Blutdruck und nickte mir zu. 

Er zog ein Röhrchen aus der Tasche, in dem sich anscheinend Blut befand. Er sah meinen fragenden Blick und überlegte kurz. 

"Das ist von Adrian! Ihm geht es gar nicht gut! Hast du irgendwo Tabletten von ihm gefunden? Er braucht sie anscheinend sehr dringend! Laut ihm geht es ihm deshalb so schlecht!": sagte er und wartete auf eine Antwort. 

"Das ist mir egal! Soll es ihm schlecht gehen, nachdem was er Chris angetan hat! Tabletten hatte ich keine gesehen! Mir ging es eher darum wie es Marco ging, denn er hatte ihn angeschossen!": sagte ich wütend und streichelte über Chris Hand um mich zu beruhigen. 

"Ray! Du bist doch sonst nicht so! Es könnte auch an dem Tabletten-Entzug gelegen haben, dass Adrian so ausgerastet war! Hast du das schon mal überlegt?"

Klar, er war sauer auf ihn! Aber ihn so zusammen zuschlagen? Ich weiß ja nicht!

"Ok! Ich schaue mir jetzt die Proben an! Marco geht es soweit gut! Er konnte die Station wieder verlassen und kuriert sich zu Hause aus!": erklärte er und ließ mich mit Chris alleine. 

Adrian war mir total egal. Sollte er doch leiden. Leise zog ich mir die Schuhe aus und krabbelte ins Bett und legte mich neben Chris. Mein Wolf schnurrte zufrieden und auch ich wurde ruhiger. Ich kuschelte mich an ihn ran und schon bald wurde ich müde und fiel in einen traumlosen Schlaf.

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