54. Christian

77 10 0
                                    

Ich liebte den Wald. Die Ruhe, die er ausstrahlte und der Geruch, ließ mich stundenlang umherwandern. Doch ich war nicht nur zur Entspannung hier.

Der nächste Baum, der mir ins Auge fiel, wurde von mir markiert. Den würde ich per Hand fällen und meine Rückerpferde ziehen ihn dann aus dem Wald heraus.

Ich achtete sehr darauf, dass die Pferde genug Pausen bekamen und sich auch nicht zu sehr überanstrengten. Ich liebte sie über alles und sie kamen nur zum Einsatz, wenn wir mit den schweren Geräten nicht durch den Wald kamen.

Unser Rudel lebte von dem Sägewerk, das schon in Generationen von meiner Familie betrieben wurde. Zusätzlich hatte ich den Meister in der Tischlerei und stelle in meiner Freizeit Möbel her. Wir waren ein kleines Rudel. Unabhängig von den anderen. Natürlich verstand ich mich gut mit Logan und Dylan, aber trotzdem waren wir doch mehr unter uns. 

Sie hatten uns auch zu dem Sommerfest eingeladen, doch die meisten von uns wollten nicht dorthin. Ich überließ es ihnen, ob sie mitfeiern wollten oder nicht. Zwei Weibchen hatten wir verloren, denn sie fanden in Logans Rudel ihre Gefährten. Das brachte mich ins Grübeln.

So im Nachhinein bereute ich die Entscheidung, denn unser Rudel wurde immer kleiner. Mit Sicherheit hätten meine männlichen Rudelmitglieder ihre Gefährtinnen gefunden.
Ich sollte wirklich mit Logan und Dylan Kontakt aufnehmen und um eine Lösung zu finden.

Ich war immer noch in Gedanken versunken und markierte den letzten Baum, als ich ein Winseln hörte. Es klang traurig und voller Schmerz. 
Langsam bewegte ich mich in die Richtung und nahm den Geruch eines Wolfes wahr. 
Der Geruch wurde stärker und ich sah einen grauen Wolf verletzt auf dem Boden liegen. 
Vorsichtig kniete ich mich neben ihn und musterte die Wunden. Dabei stellte ich fest, dass es sich um ein Weibchen handelte.

Sie wimmerte und ich streichelte ihr durch das Fell.
<Ganz ruhig. Du bist in Sicherheit. Wer hat dir das angetan? > fragte ich sie und zog mein Handy aus meiner Jeans. Ich wählte Logans Nummer und hoffte, dass er schnell dran ging. Es kam mir ewig vor, bis er abnahm.

<Hey Christian. Lang nichts mehr von dir gehört. Wie geht es dir?> rief er fröhlich. Ich hatte schon gehört, dass er seine Gefährtin gefunden hatte und freute mich für ihn.

<Mir geht es gut, aber ich habe hier eine verletzte Wölfin. Sie liegt auf deinem Territorium. Ich hatte sie winseln hören und bin dem Geräusch nach. Kannst du jemanden herschicken? Es geht ihr ziemlich schlecht und sie ist kaum bei Bewusstsein.> erklärte ich ihm und er sagte mir zu, sofort zu kommen.

Die Wölfin wimmerte wieder, doch ich konnte nicht viel tun. Ich zog mein Shirt aus und drückte es auf die größte Wunde, die ich sah. Die Wölfin zuckte und ich streichelte ihren Kopf mit meiner freien Hand.
Ich sah mich, um vielleicht noch irgendwelche Spuren des Täters zu sehen, und erstarrte. Oberhalb ihres Kopfes lag ein großer Stein und er sah aus, als würde er nicht hierher gehören. Denn so wie die Aufprallwelle aussah, musste er dort fallen gelassen worden sein.

Ich knurrte. Mein Wolf war kurz davor, durchzubrechen. In diesem Moment traten fünf Wölfe aus dem Gebüsch, die ich dunkel und tief anknurrte. Sie blieben stehen. Der größere von ihnen trat vor und verwandelte sich.

Logan saß in der Hocke vor mir und sah mich stirnrunzelnd an. 

< Christian. Was ist los? Erkennst du mich nicht?> fragte er und ich kämpfte um die Kontrolle. Mein Wolf heulte nochmal und zog sich zurück. Ich schüttelte den Kopf, um ihn wieder freizubekommen, als ich zu Logan sah.

Er hatte jetzt eine Jogginghose an, die er von Ash seinem Beta, bekam, als er sich neben die Wölfin kniete.

< Es tut mir leid. Mein Wolf hatte die Kontrolle übernommen, als ich feststellte, dass der Täter die Wölfin wahrscheinlich mit diesem Stein erschlagen wollte. Er ist voller Wut und Traurigkeit darüber. Wir kamen anscheinend im richtigen Moment, sonst wäre sie jetzt vermutlich tot. > sagte ich und ging ebenfalls wieder in die Hocke.

< Ist schon Ok. Ich dachte mir schon fast sowas. Es ist wie bei meiner Schwester gewesen. Er hatte ihr den Schädel eingeschlagen und sie im Wald liegen lassen. Getan hatte er es auf Dylans Seite. Er muss die graue Wölfin hier abgelegt haben, um sie zu töten und ich bin mir sicher, dass sie nicht von hier ist. Von meinem Rudel ist sie nicht und Dylan hat mir nicht Bescheid gesagt, dass jemand vermisst wird. Wir sind seit Selina sehr vorsichtig und versuchen schnell zu handeln. Bringen wir sie erst zu uns in die Klinik. Willst du mit, dann können wir noch darüber reden und überlegen, woher sie kommen könnte. > sagte er und ich nickte. 

Ich wollte sie nicht alleine lassen und auf dem neuesten Stand ihrer Verletzung und Genesung sein. Also folgte ich ihnen. Die Wölfin wurde auf ein Quad gelegt und Richtung Logans Rudel gefahren. Wir gingen in menschlicher Gestalt zurück, aber ich drehte mich nochmal um, um zu sehen, dass sich seine Krieger die Umgebung genaustens unter die Lupe nahmen. Bald kamen wir in der Klinik an und suchten nach Jasper. Ich hatte ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen und freute mich darauf, ihn wiederzusehen. Was glaube ich, niemand wusste, dass wir entfernt verwandt waren. 

< Christian. Schön, dich zu sehen, auch wenn die Umstände nicht schön sind. Ich habe gehört, dass du sie gefunden hast.> sagte er und wir umarmten uns.

Ich freute mich, ihn zu sehen. Um es ihm zu zeigen, legte ich meine Stirn an seine und hielt seinen Nacken fest. Er tat es auch bei mir, was mir ein Stirnrunzeln von Ash einbrachte. 

Ich lachte und klärte ihn über den Brauch und unsere Verwandtschaft auf.

Jasper wurde wieder ernst und trat neben die Wölfin, die auf dem Behandlungstisch lag und schlief.

<Also, sie hat einige Verletzungen, die von einem Silbermesser herrührten, deshalb ist ihre Heilung so schlecht. Außerdem wurde sie gewürgt, was man unter ihrem Fell nicht wirklich sehen konnte, aber da ihre Atmung so schlecht ist, kam ich darauf, genauer zu schauen. Nicht zu vergessen, dass ich denjenigen erwürgen könnte, der das ihr angetan hatte. Sie wird jetzt erst mal schlafen. Erst dann kann ich sagen, wann ihr sie befragen könnt. Ihre Gesundheit und Heilung hat jetzt Vorrang.> erklärte er und wie er das sagte, ließ kein Widerspruch zu.

Wir verließen die Station und machten uns auf den Weg zu Logans Büro. Dort setzten wir uns auf die Sessellandschaft und Ash brachte uns jedem einen Scotch. Den konnte ich jetzt wirklich gebrauchen.

LITTLE WOLF Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt