9. Kapitel - Erin

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Obwohl ich hundemüde war kämpfte ich mich weiter durch die Bücher über Lavandia. Der Tag heute war anstrengend gewesen. Erst die Sache mit Cory, die mich fast den gesamten Vormittag beschäftigt hatte, dann die Auseinandersetzung mit Cathie auf dem Flur... Die Prügelei, die Planung der Reise und das Training mit meinem Onkel.

Und obwohl ich jetzt zumindest ein Feuer entfachen konnte, ohne den halben Wald in Brand zu stecken, fühlte ich mich nach wie vor unvorbereitet.

Gähnend schlug ich ein Buch auf, in dem es um die Zentauren ging und fing an zu lesen, während Regentropfen gegen das Fenster prasselten.

Scheinbar waren Zentauren sehr traditionelle und eigensinnige Wesen, die die Hüter zwar respektierten, sich aber im Grunde aus allem raushielten.

Sie verehrten die Pferde, da sie diese als Verwandte ansahen, weshalb sie es nicht gerne sahen, wenn die Hüter auf Pferden zu ihnen kamen.

Das meinte Henry also, als er meinte wir müssten einen bestimmten Teil der Strecke zu Fuß gehen...

Ich notierte mir das Wichtigste in dem kleinen Notizbuch und stellte das Buch danach zurück in das Regal. Weil die Müdigkeit immer mehr von meinem Körper Besitz ergriff, beschloss ich für heute Schluss zu machen.

Ich hatte morgen noch genügend Zeit weiter zu recherchieren. Ich hatte William bereits mitgeteilt, dass ich morgen nicht mehr zur Schule gehen würde und er hatte zugestimmt, wenn auch etwas widerwillig.

Ich gähnte und streckte mich, ehe ich zum Schreibtisch ging und die kleine Tischlampe ausschalten wollte. Doch ich hielt inne, als ich auf dem Boden neben den Stuhl einen weißen Umschlag liegen sah.

Muss mich runtergefallen sein, als ich die Bücher hier ausgebreitet habe...

Ich hob ihn auf und wollte ihn einfach auf den Tisch legen, falls er wichtig war und mein Onkel ihn suchte. Aber ich hielt inne, als ich die Schrift, mit der die Adresse auf den Umschlag geschrieben wurde, erkannte.

Mum?

Der Umschlag war fein säuberlich geöffnet worden und eine Ecke vom Brief schaute hervor. Ich schluckte und unschlüssig stand ich da und rang mit mir selbst.

Es juckte mir in den Fingern den Brief hervor zu holen und zu lesen. Doch gleichzeitig wusste ich, wie falsch das wäre. Am Ende gewann meine Neugier und ich zog das Papier aus dem Umschlag.

Ich faltete auseinander und das erste was mir ins Auge sprang war das Datum oben Rechts im Brief. Ich schluckte und schüttelte den Kopf.

Das kann nicht stimmen...

Zwei Tage. Mum hatte den Brief zwei Tage vor ihrem Tod verfasst. Langsam ließ ich mich auf den Sessel sinken. Aber ehe ich anfangen konnte zu lesen, ging die Tür zum Büro auf.

Geistesgegenwärtig ließ ich den Brief in das Schubfach gleiten und stand auf. Mein Onkel sah mich überrascht an.

„Du bist noch wach?", fragte er und ich nickte.

„Ja, aber... ich wollte jetzt Schluss machen für heute. Gute Nacht", fügte ich hinzu und lächelte leicht.

William sah mich an und runzelte kaum merklich die Stirn.

„Alles in Ordnung?", fragte er, als ich an ihm vorbei gehen wollte. Ich nickte und verließ, dicht gefolgt von mir das kleine Büro.

„Ja, es ist alles Bestens. Nur müde", log ich und versuchte so etwas wie ein beruhigendes Lächeln zustande zu bringen. Mit mäßigem Erfolg. Mein Onkel seufzte.

„Du machst dir Sorgen wegen der Reise, richtig? Du hast dich in den letzten zwei Tagen sehr gut auf alles vorbereitet und morgen den Tag kannst du auch nutzen. Du wirst das ganz sicher meistern und denk daran: Henry wird immer an deiner Seite sein!"

Avaglade - Reise durch Lavandia (Buch 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt