24. Kapitel - Henry

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Noch nie in meinem Leben hatte ich so eine Angst gehabt, wie in dem Moment, in dem Thanatos und sein Volk die Waffen auf uns gerichtet hatten.

Mit dem Unterschied meine einzige Angst war es gewesen, dass Erin verletzt- oder gar getötet werden könnte und ich nichts tun konnte, um sie zu retten.

Mein einziger Gedanke war gewesen, dass ich sie um jeden Preis beschützen musste. Und wenn ich dabei selbst draufging.

„Ihr könnt euer Lager gleich hier errichten", sagte Thanatos, als wir die Lichtung der Zentauren betraten. Überraschender Weise waren die Gefährtinnen der Zentauren ebenfalls hier. Dabei war nicht einmal Paarungszeit.

„Wir kümmern uns um eure Pferde und sorgen dafür, dass es ihnen an nichts fehlt!"

Ich nickte und half Erin dabei, die Sättel und Satteltaschen von den Pferden zu entfernen. Sie war noch immer blass und ihre Hände zitterten kaum merklich.

„Alles okay?", fragte ich leise und sah sie besorgt an. Sie nickte, aber ich sah noch immer die Angst in ihrem Gesicht und ich wollte sie am liebsten in den Arm nehmen und fest an mich drücken.

Doch wir wurden unterbrochen.

Zwei Zentaurenmädchen kamen zu uns und brachten uns Obst, Beeren und gebratenen Fisch.

„Danke", sagte ich und nahm ihnen das Essen ab, das auf einem breiten Stück Rinde lag.

Sie verneigten sich höflich und zogen sich zurück. Erin hatte bereits damit angefangen, das Zelt aufzubauen und ich legte das Essen auf einem Baumstumpf.

„Lass uns erst etwas essen. Es war ein langer Tag", sagte ich leise und griff vorsichtig nach ihrem Handgelenk.

„Die Sonne ist schon untergegangen und es wird immer dunkler. Wir sollten das Zelt aufgebaut haben, bevor wir nichts mehr sehen können", gab sie leise zurück, ohne mich anzusehen.

Ich wollte widersprechen, aber dann nickte ich doch.

Sie hatte gerade genug durchgemacht und konnte verstehen, dass sie sich so schnell wie möglich nach dem Essen ins Zelt zurückziehen wollte.

Also half ich ihr, alles aufzubauen und unsere Sachen im Zelt zu verstauen, ehe wir schweigend unser Abendessen zu uns nahmen.

Im Lager war es still und nur vereinzelt hörte man das leise Wispern von den Zentauren. Erin neben mir stand auf und ich sah zu ihr hoch.

„Alles gut?", fragte ich und sie nickte.

„Ja... ich geh schlafen", sagte sie leise und zog sich ins Zelt zurück. Besorgt sah ich ihr nach.

Wenn ich schon eine solche Angst verspürt hatte, wie musste es ihr dann erst gehen? Ich verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf, um das schreckliche Bild loszuwerden, welches mich heimgesucht hatte.

Der Pfeil, den Thanatos abgeschossen hatte, hätte Erin beinahe getroffen. Wenn er es gewollt hätte, hätte er ihr das Leben ausgelöscht und ich hätte nichts tun können.

Ich stand auf, klopfte meine Hose ab und beschloss noch einmal nach den Pferden zu sehen.

Sie standen am anderen Ende der Lichtung und waren gerade dabei ihr Abendessen zu vertilgen. Zwei Zentaurenmädchen striegelten sie mit selbstgebauten Bürsten und ich konnte sehen, wie entspannt Salima und Pocahontas gerade waren.

„Ihnen geht es sehr gut..."

Ich zuckte zusammen und sah Thanatos an, der aus dem Wald trat und sich neben mich stellte.

„Ich weiß... sie genießen es richtig, hier zu sein", gab ich zurück und lächelte, weil Salima die Augen geschlossen hatte und entspannt den Hinterlauf anwinkelte.

Avaglade - Reise durch Lavandia (Buch 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt