Kapitel 3

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Raphael Ragucci

"Servus."

Sie hielt nichtmal wirklich in ihrer Bewegung inne, als sie zu mir hoch sah und mich für den Bruchteil von Sekunden von oben bis unten musterte.

"Hallo.", sagte sie einfach, lächelte flüchtig und machte dann ein paar Schritte an mir vorbei in Richtung Gastraum. So, wie man im Vorbeigehen Fremde grüßte, wenn es in einer Situation angemessen war.

Damit hatte ich nicht gerechnet und stand kurz wie deppert dort. Aber hatte ich wirklich die Erwartung gehabt, dass sie bei meinem Anblick sofort dahin schmolz oder sich mir vor die Füße warf?

Wahrscheinlich ein bisschen, denn die Frauen in meiner Welt ließen sich in zwei Kategorien einteilen: Die, die mich wollten, übertrieben desinteressiert waren und mir quasi ein biestiges Was willst du denn? Vor den Kopf knallten um mir zu beweisen, dass sie nicht leicht zu haben waren. Ehe sie 10 Minuten später doch auf den Knien vor mir hocken.Und die, die sich die Nummer sparten und direkt zu mir kamen.

Und es war, auch, wenn es arrogant klang, in 99% der Fälle so, dass sie mit mir mit wollten.

Die Situation mit der Unbekannten war anders. Sie schien mich gar nicht wirklich zu bemerken und war offensichtlich einfach nur höflich gewesen.

Aber ich hatte mir in den Kopf gesetzt, sie anzusprechen also musste ich den Mund aufmachen.

"Eh... Warte mal.", platzte es wenig galant aus mir heraus.

Ich hob meine Hand, war kurz davor sie festzuhalten, entschied mich aber im letzten Moment dagegen, da ich es als übergriffig empfand.

Tatsächlich blieb sie stehen, drehte sich herum. Ihre Augen wirkten wach und mir gefiel ihr offenes Lächeln.

Sie war diese klassische Schönheit, sie hatte Stil und nichts an ihr schien irgendwie unüberlegt. Ihr Outfit mit Bedacht gewählt,  die Details aufeinander abgestimmt. Vielleicht sogar schon ein Hauch spießig - aber irgendwie war das auch der falsche Begriff für ihr Auftreten.

Sie strahlte eine entspannte Selbstsicherheit aus und nachwievor  hatte sie etwas unheimlich freundliches, warmes ansich.

"Ja, bitte?" Mir gefiel ihre Stimme, klar und ruhig. Sie hielt Augenkontakt während sie mit mit sprach und sah mich abwartend an.

Verkack es nicht, Raphael. 

"Darf ich dir sagen, dass du bildschön und mir vorhin an der Tür schon aufgefallen bist? Sorry, dass ich dich jetzt hier mitten auf dem Gang anspreche aber ich wollte die Chance nicht verpassen. ", fiel ich direkt mit der Tür ins Haus. Ich hoffte, dass mein Lächeln dabei ehrlich wirkte. So, wie ich es meinte.

Sie schwieg, wahrscheinlich in der Realität nur wenige Sekunden. Jedoch verspürte ich plötzlich eine Nervosität, die ich vergessen geglaubt hatte. Mein Herz schlug schneller, unauffällig schob ich meine feucht gewordenen Hände in meine Hosentaschen, um sie abzuwischen.

Ein Grinsen schlich sich auf die Lippen der Unbekannten, die grünen Augen blitzen lebensfroh auf. Ich war mir nicht sicher, ob nicht sogar etwas wie Schalk in ihnen funkelte.

Sie wirkte weder eingeschüchtert noch peinlich berührt, eher entspannt und selbstbewusst, als ihre Antwort kam. Ob sie mich erkannt hatte? Ich konnte es in dem Moment absolut nicht einschätzen.

"Okay, das kam direkt und unerwartet.", schmunzelte sie dann.  "Danke für das Kompliment." Sie hob ihre Hand, strich sich die blonden Locken hinters Ohr, klassische, kleine, goldene Creolen blitzen daran.

Selbst ihre Ohrringe matchten mit den Schnallen an ihrem Gürtel und denen an den Loafers an ihren Füßen.

Du kannst ein Outfit nur tragen oder du kannst es stylen, sagte meine Schwester Barbara immer.

Ich Weiß Du Kommst / RAF Camora Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt