Kapitel 29

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Elisa Weber

August 23

Die Sommersonne brannte unbändig vom blauen Himmel herunter als ich das unscheinbare Gerichtsgebäude aus hässlichem, fast schon gelbem Klinker durch einen unpassenden Überstand aus weißen Holzpfeilern und Glasdach verließ.

Ich entledigte mich meines hellgrauen Blazers, eine cremefarbene Baumwollbluse kam darunter zum Vorschein.

"Das war es jetzt also.", hörte ich Chris sagen, sah aus den Augenwinkeln,  dass er zu mir aufschloss.

Ich sah auf zu ihm, er sah gut aus in schwarzer Stoffhose und schwarzem Hemd, ungewohnt war es für mich, in in einem solchen Outfit zu sehen.

"Das war es also.", wiederholte ich seufzend und schluckte. "Gut, wie schnell wir uns einig geworden sind. Ehevertrag sei dank."

Ich schmunzelte ein wenig. "Gehen wir noch etwas essen?"

"Italiener? Wie beim ersten Mal?" Auch Chris schmunzelte.  Seit einer guten halben Stunde waren wir geschieden und auch, wenn wir beide diese Scheidung am Ende gewollt hatten - ein wenig Bitterkeit und Traurigkeit schwangen mit, als mir die Endgültigkeit bewusst wurde. Viele Jahre lang hatte ich diesen Mann geliebt um am Ende festzustellen,  dass diese Liebe nicht gereicht hatte. Wir waren im Guten auseinander gegangen, hatten bereits vor der Ehe einen Ehevertrag aufsetzen lassen -und ich war froh,  Dinge wie Gütertrennung fürs erste aus meinem Wortschatz streichen zu können.

"Gern.", antwortete ich, wusste, dass er das kleine Lokal in der Altstadt meinte. Das, in dem wir vor beinahe zehn Jahren eines unserer ersten Dates gehabt hatten.

Wir beschlossen, zu laufen denn weit war die Altstadt nicht vom Gerichtsgebäude entfernt, es war halb eins am Mittag. Lio war bei Chris' Mutter und ich machte innerlich drei Kreuze, weil wir alle noch miteinander auskamen.

Irgendwie passte diese Scheidung, so  gewöhnlich und beinahe emotionslos auf erschreckende Weise zu uns. Ich wusste nicht, ob es Chris ähnlich traurig machte, wie mich selbst - denn er war  nicht der Typ Mensch für große Emotionen. Eine Eigenschaft,  die ich geliebt und gleichzeitig gehasst hatte.

Weil er durch seine ruhige Art auf einer Seite mein Fels in der Brandung gewesen war mir aber auf der anderen Seite das Gefühl gegeben hatte, in der Ehe allein zu sein.

"Geht's dir gut?", hörte ich ihn fragen und ich nickte knapp, umfasste mit meiner Rechten seinen Oberarm, denn die Absätze meiner schwarzen Pumps vertrugen sich nicht gut mit dem Kopfsteinpflaster des alten Marktplatzes den wir überquerten.

"Ja. Aber es ist trotzdem ein komisches Gefühl, wenn ich daran denke,  wie stolz ich eine ganze Weile war, dich meinen Mann nennen zu dürfen.", ließ ich ihn wissen.

Wir kamen vor dem Restaurant an, ich öffnete die Tür. Chris war noch nie der Typ für solche Gesten gewesen und ich hielt mich für eine Frau, die soetwas nicht brauchte.

Chris folgte mir hinein, wir bekamen einen Tisch am Fenster mit Blick auf den Brunnen des Marktplatzes.

"Ich war auch stolz, dein Mann sein zu dürfen.", gab er zurück. "Und ich bin stolz, dass du mir Lio geschenkt hast. Wir haben vieles geschafft in den letzen Jahren- es war nicht alles schlecht."

"Das stimmt.", lächelte ich, sah in die vertrauten,  blauen Augen. Urlaube,  das Haus, Lio - vieles war schön gewesen. Dann, wenn ich noch und meine Wünsche hinten angestellt hatte. Nicht,  weil Chris es von mir verlangt hatte. Ich selbst hatte es von mir verlangt und irgendwann war es zur Gewohnheit geworden. Themen, die wir immer und immer wieder besprochen hatten.

Auf gewisse Weise war Chris ignorant manchmal sogar einwenig egozentrisch und doch hatte er dabei nie den Respekt mir gegenüber verloren und besaß Empathie- eine ungewöhnliche, schwierige Mischung. Zu spät hatte ich verstanden, auf meine eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu achten und sie nicht hinter den seinen anzustellen.

Ich Weiß Du Kommst / RAF Camora Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt