Kapitel 14

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Raphael Ragucci

Es vergingen Tage, bald schon Wochen, seit Liz Wien wieder verlassen hatte.

Und an jedem Einzelnen dachte ich an sie, vermisste sie fast schon. Wie verrückt war das bitte? Jemanden zu  vermissen, den man kaum kannte?

Natürlich hatte ich sie nicht blockiert, meine erste WhatsApp Nachricht hatte sie auf dem Handy gehabt, während sie noch im Flugzeug gesessen hatte.

Und wir schrieben uns, jeden verdammten Tag, schickten uns Sprachnachrichten und wenn wir beide Zeit hatten, telefonieren wir.

Ich verfluchte die vielen Kilometer zwischen uns, wünschte mir mehr als einmal, dass wir näher zusammen wohnen würden, denn dann wäre es deutlich einfacher, sie zu treffen. Ich war das erste Mal seit Wochen wieder in Berlin und auch für Liz war Spontanität vorallem auf diese Entfernung fast unmöglich.

Verrückt und ziemlich aussichtslos war die Sache aber ich konnte es nicht lassen.

Schnell hatte ich begriffen, dass ihr Terminkalender ähnlich stramm war wie mein Eigener, auch, wenn sie nicht permanent von A nach B jettete, wie ich.

Auch ihr Noch Ehemann hatte ein eigenes Unternehmen und irgendwie schafften sie es, zwei Firmen und Lio zu jonglieren und sich nebenbei noch ohne Rosenkrieg scheiden zu lassen. Liz sagte, das klappte nur mit absoluter Organisation und Unterstützung der Familien.

Sie versuchte, nur bis 14 Uhr zu arbeiten, erledigte Bürokram teilweise Abends noch, dafür arbeitete sie auch am Wochenende.

Ich überlegte, wie ich es unterbringen könnte, zu ihr zu fahren, denn selbst, wenn ich, wie in diesem Moment in Berlin war - es lagen noch immer mehr als vier Autostunden zwischen uns.

Das war aber schon deutlich weniger, als von Wien aus. Trotzdem war es auch für mich eine Entscheidung. Verzichtete ich auf die wenige Ruhe, die ich hatte, traf ich meine eigene Familie weniger? Vorallem, hatte sie überhaupt Zeit, wenn mein Terminkalender es zuließ? Ich steckte mitten in den Vorbereitungen für mein neues Album.

Ich saß in meinem Studio in Berlin,  Hamudi, einer meiner Produzenten neben mir und er bekam einen halben Nervenzusammenbruch, weil ich, kurz vor Abgabe des Albums XV noch der Meinung war, ich müsse einen Song ändern.

Ich schrieb den Song Finito, nachts, nachdem Liz und ich die halbe Nacht miteinander gefacetimed hatten. Mit dem Gedanken an sie, mit dem Gedanken an eine fiktive Zukunft, wie sooft, wenn ich diese Art von Songs schrieb. Und ich wollte ihn auf dem Album haben, was für Hamudi mehr Arbeit bedeutete. Auch für mich aber das gehörte eben zum Prozess. Wir arbeiteten schon viele Jahre zusammen und Hand in Hand, was den Stress minderte.

Es war elf Uhr am Morgen, Freitags Ende April. Ich war abgelenkt, denn Liz, die mir den ganzen Morgeb über noch nicht geschrieben hatte, schickte mir eine Sprachnachricht.

"Guten Morgen, Guapo. Sorry hatte jetzt erst Zeit, deine Nachricht zu hören. Hab so mittel geschlafen und Lio war um fünf schon munter, passte aber ganz gut, mussten schon um acht den Ersten abholen. Bin jetzt auf dem Weg ins Krematorium und auf der A33 ist wieder Stau. Mal gucken, wann ich wieder zurück bin, hoffe ich schaffe es auf 14 Uhr um Lio aus dem Kindergarten abzuholen. Sonst muss ich noch irgendwem organisieren.  Wie sieht es bei dir aus?"

Die Art, wie wir miteinander sprachen wurde von Tag zu Tag vertrauter. Lizzy, die sich in der Öffentlichkeit völlig zu Benehmen wusste hatte privat, wenn man sie kennenlernte ein recht freches Mundwerk.

"Krematorium? Organisiert du jetzt Verbrechen?", warf Hamudi ein und mir einen fragenden Blick zu, ließ seine Finger dabei nicht von den Reglern des Mischpults. "Wer ist das?"

Ich Weiß Du Kommst / RAF Camora Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt