22. Wo ist Ava
Henry
Knapp zwei Wochen sind seit dem Vorfall bei der Premiere vergangen und seitdem ist Ava nicht mehr die Selbe. Wann immer wir unterwegs sind, ist sie unruhig und fühlt sich unwohl. Am liebsten will sie die ganze Zeit nur zuhause sein. Dabei ist noch Einiges für ihre Wohnung zu besorgen.
Am besagten Abend habe ich Ava ins Bett gebracht und fast augenblicklich war sie eingeschlafen. Anschließend habe ich eine ganze Zeit lang mit Jamie telefoniert. Seitdem haben wir Ava kaum aus den Augen gelassen. Und ausgerechnet jetzt muss ich wieder für ein Paar Tage weg. Nachdreh in der Türkei. Und wieder kann ich Ava ums verrecken nicht dazu überreden, mit mir zu kommen. Sie meint, Sie wäre nur im Weg. Schweren Herzens bin ich gestern geflogen und sitze seitdem auf heißen Kohlen. Ich glaube Ava, dass sie in diesem Lagerraum etwas gehört hat. Aber ob es Schritte waren, kann niemand mit Sicherheit sagen. Es könnte genauso gut das Klacken der Heizungsanlage oder so gewesen sein. Ich war kurz davor, meine Termine abzusagen, doch Ava hat mir versichert, dass es okay wäre. Sie würde klar kommen. Außerdem wäre ja Jamie da. Nur das der gelegentlich auch arbeiten muss, hat sie vermutlich nicht bedacht. Verdammt, ich hasse dieses Gefühl der Machtlosigkeit. Noch etwa zwei Monate habe ich einen strammen Terminplan, dann würde ich Zeit für Ava haben. Wir würden die Kinderzimmer einrichten, ich würde sie zu Kursen begleiten.
Ich sitze in meinem Trailer, warte darauf, dass ich in die Maske gerufen werde, als ich eine Nachricht auf meinem Handy bekomme. „Du hast etwas, was mir gehört“, schreibt eine mir unbekannte Nummer. Was soll der Scheiß?
Zunächst ignoriere ich die Nachricht und begebe mich schlussendlich in die Maske, als ich dran bin. Aber sie lässt mir keine Ruhe. Ich lese die Nachricht erneut. Kann es sein, dass diese Person Ava meint? Ich wähle die Nummer, doch nach nur einmaligen Tuten wird die Verbindung getrennt.
Ich bin nervös und gebe die Nummer in die Suchmaschine ein, doch natürlich ist kein Eintrag zu finden. Dann ploppt eine neue Nachricht auf. „Und das hole ich mir zurück!“ schreibt der Absender. Das reicht, um all meinen Alarmglocken zum Schrillen zu bringen. Ich entschuldige mich knapp bei der Maskenbildnerin und während ich zurück zu meinem Trailer eile, wähle ich Avas Nummer. Sie geht nicht dran. Ich fluche und rufe Jamie an. „Hi Henry“, begrüßt er mich, wie immer gut gelaunt. „Wo ist Ava?“ will ich ohne Umschweife wissen. „Ähm. Dir auch einen schönen Tag“, murmelt er etwas verwundert. „Sie ist auf dem Weg zu ihrer Hebamme“, verrät er dann. „Mit dem Auto?“ will ich wissen. „Nein, mit dem Fahrrad. Henry, was ist los?“ will er nun wissen und klingt ebenfalls alarmiert. „Ist sie allein?“ „Ja….“ „SCHEIßE!“, fluche ich. Ausgerechnet jetzt traut sie sich allein raus. „Henry, sag mir was los ist!“ „Bitte fahr ihr hinterher. Ich habe eine komische Nachricht bekommen. Ich hätte was, was ihm gehört und das würde er sich wiederholen“, erkläre ich und laufe unruhig im Trailer auf und ab. „Und das sagst du erst jetzt?“, fährt er mich an und ich höre es Rascheln, vermutlich um sich seine Jacke anzuziehen. „Ich fahre ihr hinterher. Und du versuchst sie zu erreichen. Ich melde mich“, sagt er und legt auf. Scheiße, scheiße, SCHEIßE!!!Jamie
Henrys Anruf hat mich mehr als ein bisschen alarmiert. Verdammt! Ich radle so schnell ich kann den kürzesten Weg zu Avas Hebamme, von dem ich weiß, dass Ava ihn immer nimmt. Obwohl ich ein E-Bike habe, habe ich das Gefühl, nicht schnell genug voran zu kommen. Wie weit kann sie schon sein? Ich rufe ihren Namen, obwohl mir bewusst ist, dass sie mich wohl kaum hören wird. Es ist ein Radweg direkt durch den Wald und der Kürzeste von Amberley nach Stroud. Er dauert etwa eine halbe Stunde. Sie könnte also schon längst in der Praxis angekommen sein. Ich krame mein Telefon aus der Jackentasche, spreche den Namen der Praxis in sie Suchmaschine und rufe sie an. „Hebammen Praxis Hannah Stone. Wie kann ich ihnen helfen?“ meldet sich die freundliche Sprechstundenhilfe. „Dornan hier. Meine Schwester Ava hat heute einen Termin bei ihnen. Ist sie schon da?“ frage ich atemlos und noch immer im Affenzahn Richtung Stroud radelnd. „Ava? Nein, tut mir leid. Sie ist noch nicht da. Bis zu ihrem Termin sind es aber auch noch ein paar Minuten.“ „Können Sie ihr sagen, dass sie mich umgehend anrufen soll, wenn sie in die Praxis kommt?“ bitte ich und warte nur das „Selbstverständlich“ ab und lege auf. „Siri, ruf Ava an“, sage ich ins Telefon und ich höre, dass die Verbindung aufgebaut wird. Dann jedoch, dass der Teilnehmer nicht erreichbar ist. Ich fluche lautstark und lege nochmal an Tempo zu, fahre um eine Kurve und sehe etwas auf dem Radweg liegen. Ein Fahrrad? NEIN!
Ich springe von meinem Fahrrad, lasse es fallen, als ich es als Millies Fahrrad erkenne, welches sich Ava von ihr geliehen hat. „Ava!!“ rufe ich und drehe mich im Kreis. Wo ist sie bloß langgelaufen? Den Weg entlang? Wenn sie verfolgt wurde, wohl kaum. „Ava!!!“ brülle ich nochmal und bleibe stehen, horche einen Moment. Gerade, als ich blindlings nach links laufen will, höre ich einen Schrei aus der anderen Richtung. Ich hechte los, springe über Äste und Sträucher, blind in den Wald hinein. Wieder brülle ich den Namen meiner Schwester, wähle im Laufschritt nochmal ihre Nummer. Wieder nichts. Sie könnte überall hier im Wald sein.
Wieder höre ich einen Schrei, diesmal etwas näher und ich renne in die Richtung. Meine Lungen brennen, meine Beine ebenfalls, doch ich drossle mein Tempo nicht. Im Gegenteil. Als ich eine Gestalt sehe, lege ich nochmal en Geschwindigkeit zu, rufe nochmal nach meiner Schwester und kann sehen, sowie jemand aufspringen und weglässt. Ich will ihm hinterher, doch da liegt jemand auf dem Boden. „Ava!“ keuche ich und erreiche sie, lasse mich neben ihr auf die Knie fallen. Da ist Blut und ihre Augen sind geschlossen. „Nein, nein. Ava“, sage ich verzweifelt und ziehe ein weiteres Mal mein Telefon hervor, um diesmal den Notruf zu wählen. Ich lege das Telefon mit Lautsprecher neben mir auf den Boden und kontrolliere, ob Ava atmet. „Notrufzentrale. Wie kann ich ihnen helfen?“ höre ich nach wenigen Augenblicken. „Meine Schwester. Sie ist bewusstlos“, sage ich verzweifelt. Gott, Ava. „Wo sind sie und was ist passiert?“ fragt er. „Ich weiß nicht genau. Wir sind im Wald, irgendwo zwischen Amberley Richtung Stroud. Jemand hat sie überfallen“, sage ich. „Wir orten ihr Telefon und schicken einen Rettungswagen. Atmet ihre Schwester?“ fragt er. „Nein. Ich glaube nicht“, sage ich verzweifelt. „Sie müssen ihren Herzkreislauf in Gange halten. Können sie die Herzdruckmassage?“ „Nein.“ „Gut, ich helfe ihnen. Sie muss auf dem Rücken liegen. Öffnen Sie Ihre Jacke und legen Ihre Hand zwischen ihren Brüsten. Dann eine Handbreit herunter“, leitet er mich an und ich folge seiner Anweisung. „Okay“, sage ich und versuche mich zusammen zu reißen. „Nun legen sie ihre zweite Hand auf ihre Hand, und drücken 30 mal kräftig runter. Haben sie keine Angst ihrer Schwester weh zu tun. Immer im selben Rhythmus. Ich leite sie an“, sagt er und wieder gebe ich okay. In seinem Tempo zählen wir gemeinsam bis dreißig und jedes Mal drücke ich kräftig auf ihren Brustkorb. Es knackt ein paar mal und ich bekomme Hemmungen, doch der Mann am Telefon macht mir klar, weiterzumachen. „…29, 30. Nun müssen sie sie Beatmen. Legen sie eine Hand an ihre Stirn, die andere ans Kinn. Strecken Sie den Kopf nach hinten, so legen sie ihre Atemwege frei. Halten Sie ihre Nase zu und stoßen zwei tiefe Atemzüge in ihre Lungen.“ Auch diesmal gehorche ich. „Atmet sie?“ fragt er und ich kontrolliere es. „Nein“, sage ich verzweifelt. „Weiter Herzdruckmassage. Wieder 30 mal. Dann zweimal beatmen. Das wiederholen sie so lange, bis ihre Schwester atmet, oder die Sanitäter bei ihnen sind“, leitet er an und ich beginne, wieder auf ihre Brust zu drücken. „Das kann eine Zeit dauern, aber sie schaffen das. So können sie ihrer Schwester das Leben retten“, redet er auf mich ein und es scheint endlose Stunden zu dauern, bis endlich der Rettungsdienst kommt. Meine Arme brennen und doch drücke ich unaufhörlich auf Avas Brustkorb, in der Hoffnung, dass sie bei uns bleibt. 1… 2… 3…
Endlich kommen drei Leute angelaufen und sie sagen mir, dass ich weitermachen soll, während sie alles vorbereiten. „Wir übernehmen jetzt. Das haben sie gut gemacht“, sagt der eine, nachdem er Ava eine Beatmungsmaske aufgesetzt hat. Ich lasse mich neben sie ins nasse Laub plumpsen und starre auf meine Schwester. Leblos und blass liegt sie da und ich fühle mich, als hätte ich versagt. Warum atmet sie nicht? „Ava…“ flüstere ich verzweifelt und wage mir nicht, zu blinzeln. Haben wir sie verloren?
„Wir haben Puls“, sagt der eine und es ist, als fiele ein Hinkelstein von meinem Herzen. „Oh Gott“, schluchze ich auf und vergrabe mein Gesicht in meine Hände. Erst dann bemerke ich, wie blutig sie sind. Da ist so viel Blut. In ihrem Gesicht, ihrem Oberkörper. „Ihr Baby. Was ist mit dem Baby?“ will ich wissen. „Das kann man erst im Krankenhaus sagen“, meinen sie bedauernd, während sie Ava auf eine Trage legen und ich seufze. Ich muss Henry anrufen. Und zuhause und unsere Schwestern. „Kann ich mitkommen?“ frage ich, als sie Ava auf der Trage aus dem Wald bringen. „Sie ist meine Schwester.“
Als ich mit im Krankenwagen sitze, wird mir bewusst, dass ich gar nicht mitbekommen habe, wie der Mann beim Notruf das Gespräch beendet hat. Ich hätte mich bedanken sollen. Das Telefon in meinen Händen wiegt gefühlte zehn Zentner, aber ich muss es tun. Ich muss Henry anrufen.
Ich wähle seine Nummer und kaum steht die Verbindung, höre ich die verzweifelte Stimme des Freundes meiner Schwester. „Hast du sie gefunden?“ will er ohne Umschweife wissen. „Ja“, sage ich tonlos. „Wie geht es ihr?“ „Sie….“ Ich stoppe und schlucke. „Ich… war zu spät…“ „Was willst du damit sagen?“ fährt er mich an und ich breche in Tränen aus, als ich realisiere, was hier gerade geschehen ist.
Einer der Sanitäter nimmt mir das Telefon ab und ich bekomme am Rande mit, wie er Henry am Telefon über Avas Zustand aufklärt. Mit den Worten „Er macht sich auf den Weg“, drückt er mir das Telefon zurück in die Hand. Ich weiß, ich muss meine Schwestern anrufen, doch ich kann nicht.
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Es war doch nur ein Mal (Henry Cavill FF)
FanfictionWusstet ihr, dass Jamie Dornan eine kleine Schwester hat? Nein, ich auch nicht. Aber hier hat er eine. Sie heißt Ava, die nach einer fürchterlich toxischen Beziehung Zuflucht bei ihrem älteren Bruder findet. Und dann lernt sie seinen heißen Kollegen...