4. Planänderung

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4. Planänderung

Ava

„Ich bitte Sie, noch einem Moment Platz zu nehmen und dieses Formular auszufüllen", bittet mich die Dame hinter dem Empfangstresen. Ich nicke und nehme das Formular entgegen, setze mich auf einen der Stühle. Henry setzt sich neben mich. Ich bin dankbar, dass er hier ist. Millie oder Jamie hätten mich auch gefahren, aber das hier ist wohl eine Sache, die ich mit Henry machen muss. Ich konzentriere mich auf das Formular und Fülle es aus. Name, Geburtsdatum, Geburtsort, Adresse. Auf der nächsten Seite geht es um Gesundheitliches. Letzte Operation, Auslandsbesuche, Anzahl der Schwangerschaften...1. Ob schon mal ein Abbruch vorgenommen wurde... Nein. In Gedanken schreibe ich ein „bis heute" dazu.
Mir fällt dieser Schritt nicht leicht, aber es ist besser. Für alle Beteiligten.
Ich unterschreibe das Formular und warte. Ich wage einen Blick zu Henry, der mir ein sanftes, aber trauriges Lächeln schenkt. Ich erwidere es nur kurz und schaue mich dann im Wartezimmer um.
Warum dauert das so lange?
„Miss Dornan?" werde ich aufgerufen und ich springe beinahe auf. „Ich warte hier", versichert mir Henry und ich nicke, folge dann der Arzthelferin. „Bitte setzen Sie sich", bittet sie mich und ich nehme vor einem Schreibtisch platz. „Dr. Pearson kommt sofort", versichert sie mir und lässt mich allein. Ich reibe den Schweiß meiner Handinnenflächen auf meine Oberschenkel, atme tief durch. Wenig später betritt ein älterer Herr, so um die Ende 50 den Raum, gibt mir die Hand und setzt sich mir gegenüber. Er erklärt mir, wie er vorgehen wird und klärt mich über Komplikationen auf. Dann über die Nachwirkungen. „Wir gehen jetzt ins Behandlungszimmer und dort machen sie sich bitte untenherum frei. Ich bin sofort bei ihnen. Es geht alles gabz schnell, versprochen", sagt er und ich gehe in den Raum Nebenan, sehe mich um.

Henry

Ich sitze im Wartezimmer neben Ava, die nervös wirkt. Sie hat den ganzen Weg kaum etwas gesagt, was mich aber eigentlich nicht wundert. Mir ist auch nicht nach Plaudern zumute. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal in so einer Situation stecke. Das jemand mein Kind wegmachen wird. Aber ich kann sie verstehen. Die Umstände sind nicht optimal. Ava hat eine schwierige Zeit hinter sich und hat noch einen weiten Weg vor sich. Ich weiß nicht, was geschehen ist, aber es geht mir auch nichts an.
Ich wünsche mir ein Kind, aber würde es unter anderen Umständen auch besser finden. Ich will für Ava da sein, solange sie mich braucht. Vermutlich werden wir anschließend getrennte Wege gehen, aber jetzt gerade braucht sie mich.
Sie wird aufgerufen und folgt der Arzthelferin in eines der Behandlungszimmer.
Ich sehe mich um, es sind nur ein paar Frauen anwesend. Eine Mutter mit ihrer Teenagertochter. Eine ältere Dame und eine Frau, die ihre Nase in eine der Zeitschriften steckt. Kein anderer Mann ist anwesend und doch bin ich froh hier zu sein. Aber auch dankbar, dass scheinbar niemand Notiz von mir nimmt. Es ist eine sehr gute Praxis, dafür habe ich gesorgt. Keiner der Praxismitarbeiter wird den Mund aufmachen, dass ich hier war. Aber bei den anderen Patienten kann man nie wissen, aber sie registrieren mich nicht.
Ich schaue auf mein Handy, lese News, um mich abzulenken, doch nichts will in mein Hirn. Meine Gedanken sind ein einziges Wirrwarr. Ich weiß nicht, ob ich erleichtert sein soll, oder traurig. Ich stelle mir ein Leben vor, wie es ablaufen würde, wenn Ava das Baby bekommen würde. Ich würde das Baby bedingungslos lieben und alles menschenmögliche für mein Kind tun. Ich atme tief durch und mein Magen schnürt sich zu. Ich werde dieses Kind niemals kennenlernen. Ich darf jetzt noch kein Daddy werden, so sehr ich es mir wünsche. Es ist Avas Körper und sie hat entschieden.

Ich höre eine Tür und schaue auf. Ava eilt auf mich zu. Das ging ziemlich schnell. „Können wir bitte gehen?" fragt sie mich und eiligen Schrittes an mir vorbei. Ich stehe eilig auf und haste ihr hinterher. Schweigend gehen wir zu meinem Wagen und sie steigt ein, sobald ich aufgeschlossen habe. Ich steige ein und starte den Wagen. „Soll ich dich nach Hause bringen?" frage ich sie, doch sie schüttelt den Kopf, sagt aber nichts. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, also starte ich den Wagen und fahre los, ohne Ziel. Ava schweigt und starrt aus dem Fenster. Ich will wissen, ob es ihr gut geht, ob sie Schmerzen hat. Ob es wehgetan hat? Nach einigen Minuten Fahrt verbirgt sie plötzlich ihr Gesicht in ihre Hände und fängt herzzerreißend an zu weinen. Ach du scheiße. Ich fahre an den Straßenrand, löse meinen Gurt und ziehe Ava zu mich ran. „Hey. Alles gut... es wird alles gut", versichere ich ihr, doch sie weint nur mehr, schüttelt den Kopf. Bereut sie es? „Ich... Ich konnte es nicht", schluchzt sie und ich brauche einen Moment, bis ich verstehe. „Du... Du meinst, du hast nicht...?" frage ich und wieder schüttelt sie den Kopf. Du liebe Güte. Mein Herz klopft mir bis zum Hals und ich bin komplett durch den Wind. „Ich konnte mein Baby nicht umbringen." Diese Worte kriechen von meinem Gehörgang zu meinem Hirn und plötzlich ist es, als würde sich ein massiver Felsbrocken von mir lösen. Unendliche Erleichterung macht sich in mir breit und ich drücke Ava fest an mich, streiche ihr über den Rücken. „Ich bin für euch da. Es wird alles gut", verspreche ich ihr und langsam hebt sie den Kopf, sieht mich an. Ich wische ihr die Tränen weg und sie lehnt dankbar ihre Stirn an meine. „Möchtest du jetzt nach Hause?" frage ich sie. „Nein, ich.... Will jetzt noch nicht zurück". „Okay. Was möchtest du dann? Ein Spaziergang? Oder... einfach reden?" „Reden. Ich denke, wir sollten reden", meint sie und wischt sich über die Augen. „Okay." Ich schenke ihr ein sanftes Lächeln und fahre wieder los, diesmal zu mir nach Hause.

Ava

Henry wohnt am Rande Londons in einem hübschen Landhaus. Es ist ruhig gelegen, aber dennoch nah an der Stadt.
Das Haus ist weiß verputzt und hat einen Runden Erker und eine grüne Haustür mit Rundbogen. Die Fenster sind ebenfalls weiß. Henry öffnet die Haustür und bereits während er den Schlüssel dreht, ist Gejaule und Gebell eines Hundes zu hören. Ich lächle, als sich ein schwarz weißer Wuschelbär aus dem Türspalt quetscht und sein Herrchen begrüßt. Henry begrüßt seinen Hund liebevoll, knuddeln ihn. Dann wendet der Hund sich mir zu. „Das ist Kal", erklärt er und er beschnuppert mich ausgiebig. „Hey, hübscher. Du riechst Lenny, was?", begrüße ich Kal kichernd. Ich betrete Henrys Haus und er nimmt mir die Jacke ab, hängt sie an die Garderobe. Dann zieht auch er seine aus. Ich sehe, wie sich seine Muskeln unter den Ärmeln seines Pullovers anspannen. Ich wende den Blick ab, denn sie erinnern mich an die Nacht mit ihm. Daran sollte ich nicht denken, denn wir haben Dinge zu besprechen.
Henry führt mich in die Küche. Sie hat antrazitfarbende Fronten und eine helle Arbeitsplatte aus Marmor. „Schön hast du es hier", merke ich an schaue durch die Fenster nach draußen in den Garten. „Danke. Ich habe das Haus erst letztes Jahr gekauft und bezogen", erzählt er mir. „Möchtest du Kaffee? Oder lieber Tee? Kakao?", bietet er mir an. „Kakao wäre lieb", bitte ich und Henry schenkt mir ein warmes Lächeln. Jamie hat recht, Henry ist ein guter Kerl. Und es ist angenehm, in seiner Nähe zu sein. Zu angenehm. Auch bei Sam damals habe ich mich wohl gefühlt. Er war charmant, liebevoll... und doch...
Ich nehme dankend den Kakao entgegen, den Henry mir reicht und schmunzle. „Marschmallows", freue ich mich, als ich die kleinen Schaumbällchen in meinem Kakao entdecke. „Zucker ist gut fürs Gemüt", zwinkert er mir zu und ich kichere leise, trinke einen Schluck. „Hm...", mache ich und Henry grinst, setzt sich mit einer dampfenden Tasse Kaffee neben mir. „Ich... bin erleichtert, dass du es nicht gemacht hast", verrät er mir und ich seufze. „Ich hab Angst", gebe ich zu und Henry legt seine Hand auf meine. „Die habe ich auch", gibt er zu. Das macht es irgendwie nicht besser. „Aber wir schaffen das." Ich hätte gern etwas von seiner Zuversicht. „Wie stellst du dir das vor?" frage ich etwas trotzig. „Ich weiß es nicht, aber wir haben noch ein paar Monate Zeit, es herauszufinden", sagt er und er scheint da überhaupt keine Zweifel zu haben. „Erst einmal, würde ich vorschlagen, dass wir beide uns besser kennenlernen." Ich sehe ihn an und schaue in seine warmen, blauen Augen. Sein Blick ist sanft und zuversichtlich. Ich lächle zögerlich und nicke dann. Kennenlernen ist keine schlechte Idee.

Es war doch nur ein Mal (Henry Cavill FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt