9. Hier spielt die Musik

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9. Hier spielt sie Musik

Henry

Nach anfänglichem Zögern, Ava und ihre Familie nach Belfast zu begleiten, landen wir nach einem recht entspannten Flug in der Hauptstadt von Nordirland. Ava war nicht so zurückhaltend, wie ich erwartet hatte.
Belfast begrüßt uns mit typisch irischem Wetter mit Regen und Wind, aber darauf war ich vorbereitet.
„Ich würde gern laufen", meint Ava und ich schaue sie überrascht an. „Gut, wir nehmen dein Gepäck mit", erwidert Amelia und Jamie nimmt ihren Koffer. „Ich denke, ich begleite sie", beschließe ich, weil ich denke, Kal tut ein Spaziergang auch gut, und Jamie nimmt auch meinen Koffer, hält ein Taxi an.
„Wie weit ist es?" frage ich Ava, als Jamie mit seiner Familie im Taxi an uns vorbei fährt. „Etwa zwanzig Minuten. Nur die Straße entlang und dann rechts", erklärt Ava und setzt sich die Kapuze ihrer Regenjacke auf. Ich habe ein Baseballcap auf, was mich vor den Regen schützt. So doll regnet es schließlich auch wieder nicht. „Ich leibe das Meer", sinniert Ava, als sie stehen bleibt und den Blick auf besagtes heftet. „Am liebsten wenn es so raus ist, wie jetzt. Es beruhigt mich." Ich verstehe sie. Ich liebe auch das Meer. Ich bin wie sie am Meer aufgewachsen. „Ja, ich weiß was du meinst", bestätige ich und schaue ebenfalls aufs Meer hinaus. Auf Jersey ist das Meer meist um einiges ruhiger und die Winter sind milder. Auch regnet es dort nicht so viel wie hier, aber ich muss zugeben, dass auch dieses Meer mich fasziniert.
Ava schenkt mir ein schüchternes, aber süßes Lächeln und geht dann langsam weiter. Ich laufe neben ihr her und Kal genießt die Möglichkeit, beinahe jeden Busch beschnüffeln zu können. Nach ein paar Hundert Metern verlassen wir die Hauptstraße und gehen am Strand entlang. „Steht euer Haus direkt am Meer?" frage ich sie. „Nein, nicht ganz, aber sehr nahe. Und wir haben von den oberen Fenstern Meerblick", erinnert sie sich lächelnd. Ich bin gespannt auf ihr Elternhaus.
Es hat aufgehört zu regnen, als wie das Haus erreichen. Es ist am Hang gebaut und wirkt einladend. Es ist ein dunkles Backsteinhaus mit dunkelgrünen Fenstern und Eingangstür, die man über ein paar Stufen erreicht. In diesem Haus lebte Avas Vater Jim, bis zu seinem Tod und Jamie hat erzählt, dass seine älteste Schwester im nächsten Jahr hier einziehen wird. Sie ist die einzige der Dornan Geschwister, die noch in Nordirland lebt. Der Rest lebt in London.
„Ähm. Wir haben ein Problem", fällt Janie gleich mit der Tür ins Haus, kaum das wir dieses betreten haben. Ava sieht ihn ratlos an. „Was für ein Problem?" will sie wissen. „Wo soll Henry eigentlich schlafen? Alle Zimmer sind doch belegt" fragt Jamie seine jüngste Schwester und sie sieht zwischen mir und ihm hin und her. „Äh, also... Daran hab ich nicht gedacht", meint sie und sieht genauso ratlos aus, wie Jamie. „Ich kann auch auf der Couch schlafen", schlage ich vor. „Oh Gott, nein. Das geht nicht. Die ist furchtbar unbequem zum schlafen", kommt es von einer blonden, mir noch nicht bekannten Frau. „Hi, ich bin Jessica", stellt sie sich schließlich vor und reicht mir die Hand. „Freut mich. Henry", erwidere ich. „Dann schläft Millie bei dir und ich teile das Zimmer mit Henry", schlägt Jamie schließlich vor. Jessica lacht. „Viel Spaß. Jamie schnarcht." Oh je. „Halt die Klappe. So schlimm ist es auch nicht", winkt er ab und dann ist es Millie, die lacht. „Du musst dir ja nicht dabei zuhören", sagt sie und Jamie verzieht das Gesicht. „Macht euch wegen mir nicht solche Umstände. Ich will nicht irgendwelche Paare von ihren Schlafgewohnheiten abbringen. Ich kann mir doch auch ein Hotelzimmer nehmen", mache ich den nächsten Vorschlag. „Nein, das wäre nicht nett. Du schläfst einfach bei mir im Zimmer", beschließt Ava dann und nicht nur ich sehe sie erstaunt an. „Guckt mich nicht so blöd an. Ich krieg schließlich ein Kind von ihm", erklärt sie, verdreht die Augen und begrüßt endlich ihre Familie. Niemand erwidert daraufhin etwas, also scheint die Sache beschlossen. Ich habe sicher keine Probleme damit.
Auch ich mache mich mit dem Rest der Familie bekannt, zu der auch Liesa, die älteste der 4 Geschwister, gehört. Dann sind da noch John, Jessicas Mann, deren beiden Kinder und Marc, Liesas Ehemann und ebenfalls ihre beiden Kinder. Jeweils ein Junge und ein Mädchen. Das Haus ist also voll. Das kenne ich nur zu gut, schließlich habe auch ich 4 Brüder. Wenn dann noch Frauen und Kinder dazu kommen, ist im Haus kaum noch Platz. Ich liebe es. Alle nehmen mich herzlich in ihrer Runde auf und ich fühle mich wohl und willkommen.
Wir sitzen zusammen, trinken Kaffee und essen Kuchen und Plätzchen, den Liesa mit den Kindern heute morgen gebacken hat. Die Kids spielen oben und man hört ihr gepolter bis hier unten. Es ist schön in dieser großen Familie und ich hoffe, ich kann eines Tages auch Teil davon sein. Nicht nur mein Kind.
„Ava, wir haben was für dich", sagt Liesa irgendwann und holt etwas aus dem Wohnzimmer nebenan. Als Ava den Koffer sieht, bekommt sie große Augen. Sie nimmt den Koffer entgegen und öffnet ihn mit zittrigen Fingern. „Dads Fiddle", haucht sie und wischt sich eine Tränen aus den Augen. "Danke." „Wir dachten uns, dass du sie haben sollst", erklärt Jessica und Ava nimmt das Instrument heraus und auch den Bogen. „Vielleicht muss sie neu gestimmt werden", vermutet Jamie und Ava lächelt, legt sich die Geige, sorry, Fiddle ans Kinn und beginnt zu spielen. Ich habe nicht viel Ahnung von Musik und Instrumenten, doch verstimmt ist diese Fiddle auf keinen Fall. Ava spielt flüssig und kein einziger schiefer Ton entkommt den Instrument. Ava spielt weiter und irgendwann steht Millie auf und geht zum Klavier, stimmt mit ein. Wo Jamie die Gitarre auf einem Mal her gezaubert hat, habe ich nicht mitbekommen, denn ich habe nur Augen für Ava. Diese Frau raubt mir geradezu den Atem. Sie spielt voller Hingabe und zusammen mit ihrem Bruder und ihrer Schwägerin ein wunderschönes Weihnachtslied. Sogar die Kinder sind von oben heruntergekommen, um diesem kleinen Konzert beizuwohnen. Dann beginnt Millie an zu singen und auch Jamie und seine Schwestern stimmen mit ein. Schließlich auch die Männer, einschließlich mir, obwohl ich nicht wirklich singen kann. Aber das ist egal. Das interessiert hier niemandem. Es werden drei weitere Lieder gespielt und auch die Kinder Singen, wobei ich bemerke, dass Jamies älteste, Dulcie, eine wirklich schöne Stimme hat. Die hat sie wohl von ihrer Mom, obwohl auch Jamie ganz gut singen kann.
Es ist einfach schön zwischen diesen netten Menschen und genieße jeden Moment.
„Das war schön", sage ich zu Ava, als sie ihr Instrument fein säuberlich zurück in den Koffer gepackt hat und sich dann wieder neben mich setzt. Sie lächelt. „Fand ich auch", erwidert sie. „Worin besteht eigentlich der Unterschied zwischen einer Geige und einer Fiddle?" wage ich mich zu fragen und ein Haufen ungläubigen Augen starrt mich an. John ist derjenige, der als erstes lacht. „So haben sie mich damals auch angesehen", meint er und ich grinse. „Haben sie es dir denn verraten?" will ich wissen. „Jep. Der einzige Unterschied zwischen einer Geige und einer Fiddle liegt daran, dass die Geige fein säuberlich geputzt und gewienert wird. Die Fiddle jedoch wird einfach nur gespielt und kann auch mal alt, schäbig und fleckig aussehen", erklärt er und ich muss lachen. „Die Iren sind also einfach zu faul ihr Instrument zu putzen", schließe ich zusammen. „Oh nein! So kannst du das nicht sagen!", wirft Jessica ein. „Die Iren sind nur mit anderen Dingen beschäftigt", grinst sie. „Ja, mit dem Trinken", ergänzt Jamie und steht auf. Als er das Esszimmer wieder betritt, hat er zwei Träger Guinnes dabei. „Das war das Stichwort", erkennt Millie und nimmt eine Dose von ihrem Mann entgegen. Auch mir wirft er eine zu und alle bis auf Liesa und Ava stoßen wir mit dem Bier an. „Wir sollten morgen Abend ins Mc Kenna's gehen", meint Jamie und trinkt einen weiteren Schluck seines Biers. Ich nehme an, er meint ein Pub, wenn er schon beim Thema Bier ist. „Und die Kinder?", fragt Jessica. „Ich kann auf sie aufpassen", schlägt Ava vor. „Oh nein! Du warst viel zu lange nicht mehr in Belfast und musst wieder unter Leute!" wendet ihre Schwester ein. „Ich bleibe hier", meint John, Jessicas Mann. „Ich muss Tags darauf doch eh wieder los", erklärt er. Er ist Pilot, wie ich erfahren habe und hat leider zwischen den Feiertagen kein frei bekommen.
Und somit ist die Sache geklärt. Onkel John wird sich um den Haufen Kinder kümmern, während wir das Pub unsicher machen. Ich freue mich auf den Abend.

Jamie

Kaum haben wir beschlossen, morgen ins Mc Kenna's zu gehen, schreibe ich Ian, dem Wirt des Pubs, eine Nachricht. „Hey. Wir kommen morgen vorbei. Ava wird dabei sein. Meinst du, es ist möglich, so schnell eine Session zu organisieren?" frage ich und die Antwort kommt prompt. „Worauf du deinen Arsch verwerten kannst, Dornan! Wenn uns Ava schon die Ehre gibt, wird sie einen fantastischen Abend haben, versprochen. Sorg du nur dafür, dass sie ihre Fiddle auch dabei hat", schreibt er und ich grinse. „So gut wie erledigt." „Was grinst du so geheimnisvoll?" fragt mich meine Frau, die mich natürlich mal wieder durchschaut hat. Ich grinse nur noch breiter und flüstere ihr mein Vorhaben ins Ohr. Millie kichert und verschränkt ihre Finger mit meinen. Sie liebt Ava genauso wie ich und auch sie wünscht sich, dass sie endlich wieder lachen kann. Vielleicht ist Henry ihr Schlüssel zum Glück. Ich weiß, dass es Ava voll erwischt hat, aber sie hat Angst. Verständlich. Aber bei Henry hätte ich ein gutes Gefühl. Er ist anständig und so wie er meine Schwester schon die ganze Zeit ansieht, bin ich guter Dinge.
Ein Poltern reißt mich aus meinen Überlegungen und das Geschrei meiner jüngsten Tochter lässt mich augenblicklich aufspringen. Ich hetze ins Wohnzimmer, wo die Kinder spielen und sehe Bertie auf dem Boden sitzen, kräht und hält sich den Kopf. „Sie ist vom Sessel gefallen", berichtet Dulcie und ich hocke mich zu meiner Kleinen. „Lass mich mal sehen", sage ich zu Alberta und sie lässt ihre Hand sinken. Blut ist schon mal nicht zu sehen. Also vermutlich halb so wild. Aber eine dicke Beule wird sie bekommen. Das ist nicht die erste und wird auch nicht die letzte sein. „Ich hole ein Kühlpack", sagt Millie und verschwindet schon Richtung Küche. Ich hebe meine Kleine hoch, die sich gleich an mich kuschelt. Aber nur solange, bis Millie uns erreicht. Dann will sie auf der Stelle zu ihrer Mama und ich übergebe meiner Frau unsere Tochter. Ich drücke sanft das Kühlpack an ihre Stirn, und bemerke erst jetzt, dass auch der Rest der Familie mit im Raum steht. „Halb so wild. Keine Schwerverletzten", gebe ich Entwarnung und alle atmen erleichtert auf. Ich sehe auf die Uhr. „Ihr solltet aufräumen. Bald ist Schlafenszeit", bitte ich die Kids und natürlich gibt es keine Freudensprünge. Aufräumen ist halt immer doof.

Es war doch nur ein Mal (Henry Cavill FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt