Nachdem ich mich genug bedauert habe, erkunde ich meine Gemächer. Von meinem Schlafzimmer aus geht es in einen Ankleideraum. Daneben liegen das Bad und ein Aufenthaltsraum mit Beschäftigungsmöglichkeiten. Alles ist ziemlich prächtig, aber mein Haus wäre mir viel lieber. Zwischenzeitlich kommt ein Diener, der wissen will, was ich von zuhause hier haben möchte. Was Oliver, Paul und Max nun wohl denken? Sind sie enttäuscht, dass ich sie nicht eingeweiht habe? Oder freuen sie sich, dass ich gesegnet wurde? Ich kann und werde mich nicht damit abfinden, dass ich, zumindest zu Beginn, nicht aus dem Schloss darf. So war es bei jeder Göttlichen. Aber ich werde einen Weg finden, meine Freunde zu besuchen und ihnen meine Gründe für mein Geheimnis mitzuteilen.
Am nächsten Morgen werde ich von meiner Zofe, hergerichtet. Sie teilt mir mit, dass sie von Valeria die Anweisung bekommen hat, mich nach ihren Vorgaben nun jeden Tag zu frisieren. Ich soll die Haare stets geschlossen tragen. Sei es als Zopf oder Hochsteckfrisur. Nur zu besonderen Anlässen darf ich sie weitestgehend offen tragen. Mein Make-up soll dezent sein, aber mir reicht ohnehin Wimperntusche, ein Lidstrich und ein wenig Puder. Zudem soll meine Kleidung nicht zu aufreizend sein, also nicht zu viel Ausschnitt haben. Zu guter Letzt darf ich mich nicht tätowieren oder zusätzliche Ohrlöcher stechen lassen.
Als ich fertig angekleidet bin, führt mich meine Zofe zum Speisesaal. Erst wollte ich nicht gehen, da ich keine Lust auf die königliche Familie habe, aber der Hunger hat mich umgestimmt. Außerdem hätte das nur unnötigen Ärger gebracht.
Nun kann ich mich genauer im Schloss umsehen, während wir zum Speisesaal gehen. Alle Wände des Schlosses sind mit aufwändigen Mustern in verschieden Farben bemalt und golden eingerahmte Bilder schmücken sie. Die Decken sind alle weiß und mit goldenen Schnörkeln versehen. Alle paar Meter stehen üppige Pflanzenkübel und Skulpturen. Das ganze Schloss wird von zahlreichen Wandleuchtern erhellt.
»Hier ist der Speisesaal«, teilt mir meine Zofe mit, als wir im Erdgeschoss sind. Sie ist nicht sehr gesprächig und kann mir kaum in die Augen sehen.
Ich kann ihre Ehrfurcht verstehen, da ich selber so empfunden habe bei den anderen Göttlichen.
Nachdem ich einmal tief durchgeatmet habe, trete ich ein und versuche selbstbewusst zu wirken, trotz der Blicke, die auf mir liegen. Die königliche Familie und Malek sind anwesend. Der lange Tisch ist bereits mit köstlich duftenden Speisen gedeckt, die mir das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen.
»Guten Morgen, Majestäten«, sage ich höflich in die Runde und knickse. »Herzog«, füge ich an Malek gerichtet hinzu und neige meinen Kopf.
»Guten Morgen. Bitte, nimm Platz, Emilia«, meint Valeria freudestrahlend und klingt nett. Verschwunden ist die Furie von gestern.
Nur neben Julian ist noch ein Platz frei. Sehr schön. Mir gegenüber sitzt Malek, der mich eingehend betrachtet. Noch schöner.
»Ich möchte mich für gestern entschuldigen. Ich war etwas aufgebracht, weil du dich nicht bei uns gemeldet hast, als du von deiner Segnung erfahren hast«, erklärt sich Valeria, deren Aura ich aktuell nicht spüre. Die einzige Aura, die ich spüre, ist Maleks. Sie strahlt Neugier und Angespanntheit aus.
»Ist schon gut, Majestät.«
»Aber ich wüsste gerne eines: seit wann weißt du es?«
Ich denke darüber nach zu lügen, aber lasse es. Sollen sie sich doch aufregen. »Seit etwa einem Jahr.«
Überrascht schnappt die Königin nach Luft. Julian verschluckt sich an seinem Tee. Valeria unterdrückt ihre Wut und Maleks Wundwinkel zucken amüsiert. Malek sieht mich durchdringend an und scheint wieder einmal nachzudenken. Vielleicht denkt er, ich könnte der Königin etwas antun. Lächerlich, auch wenn der Gedanke verlockend ist.
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Die Göttliche
FantasyEmilia wurde von der Sonnengöttin Rhena zur Göttlichen auserkoren. Eigentlich will sie dies geheim halten, aber als das Menschenreich von Hexen angegriffen wird, muss sie ihre Macht offenbaren. Fortan muss sie nicht nur die Menschen vor den verheere...