Am Abend klopft es an meiner Zimmertür. Ich weiß, dass es nun so weit ist. Ich bin froh, dass Malek mich zumindest ein wenig vorgewarnt hat.
»Guten Abend, Emilia«, sagt Julian mit einem warmen Lächeln.
»Guten Abend. Was führt dich so spät hierher?«, erkundige ich mich freundlich.
»Entschuldige, dass ich so spät unangemeldet auftauche, aber ich wollte einen Spaziergang mit dir machen.«
Ganz romantisch unter dem Sternenhimmel, meint er wohl. Großartig.
»Na gut«, meine ich unbeholfen. Am liebsten hätte ich abgelehnt, aber ich kann das, was kommt, ohnehin nicht lange hinauszögern. Maleks Andeutung hat gereicht, um zu wissen, dass ich mit meiner Vermutung richtig liege.
»Es ist noch angenehm warm draußen, du brauchst also keinen Umhang«, teilt mir Julian mit und lächelt nervös. Im Gegensatz zu Malek wirkt Julian eher jungenhaft.
Den Weg bis zum Schlossgarten unterhalten wir uns über Nichtigkeiten wie das Wetter und ich spüre, wie seine Unruhe immer größer wird. Der Arme ahnt nicht, dass ich seine Verwundbarkeit fühlen kann. Aber ich möchte es ihm nicht erzählen, sonst weiß es auch bald Valeria. Ich werde schon noch herausfinden, was Malek damit gemeint hat, dass sie Geheimnisse hätte. Ich muss zugeben, dass es auch zu ihrer Aura passen würde.
Wir schlendern durch eine Allee von Zypressen und ich betrachte den Sternenhimmel. Ich habe den Sternenhimmel schon immer gemocht. Hoffentlich werde ich ihn nicht immer mit dem Ereignis verbinden, das gleich bevorsteht.
»Es ist mir alles so unangenehm, Emilia. Diese ganze Situation. Schon bei der anderen Göttlichen, Anna. Sie wollte allerdings diese Ehe. Sie wollte gerne Prinzessin werden und zusätzlich das Volk beschützen. Aber wie ich dir schon gesagt habe, würde ich mir auch etwas anderes wünschen. Ich würde mich gerne ganz normal verlieben und dann eine Beziehung führen, bis ich ihr einen Antrag mache. Aber als Prinz war mir das ohnehin nie vergönnt. Das hat meine Mutter früh klargestellt. Ich sollte eine wohlerzogene Adlige heiraten, die Geld mitbringt. Und dann hat sich meine Mutter das mit den Göttlichen in den Kopf gesetzt, um zu sehen, ob die göttlichen Kräfte weitervererbt werden. Ich verstehe ihren Gedanken. So gäbe es womöglich immer eine Göttliche oder sogar mehrere auf einmal, die unser Land noch besser und an verschiedenen Orten beschützen könnten. Aber ich wünschte dennoch alles wäre anders. Ich möchte, dass du glücklich bist. Einigermaßen zumindest, ich weiß dass es schwer ist. Du willst dieses Leben nicht.«
Ich nicke und bin froh, dass er mich so gut versteht.
»Aber ich muss meiner Pflicht nachkommen und habe etwas für dich.«
Mir wird schlecht, obwohl ich mich bereits darauf eingestellt habe. Julian geht auf die Knie und überreicht mir einen Diamantring. Der Ring ist golden und der Diamant ziemlich groß. Die Frage spart er sich, denn mir bleibt ohnehin keine Wahl.
Ich lege meine Hand in seine und er steckt den Ring an meinen Finger.
»Ich verspreche dir, dass ich dir ein guter Ehemann sein werde. Ich werde dich stets mit Respekt behandeln und dich nie zu etwas zwingen.«
Julian steht auf und ich schenke ihm ein schwaches Lächeln.
»Danke, das bedeutet mir viel. Du bist ein guter Mensch. Ich habe mich in dir getäuscht. Genau wie Malek hast du immer so eingebildet gewirkt, als ich dich gesehen habe, bevor wir uns kannten. Du hast dich nie bei meinen Bedienungen bedankt.«
Julian reibt sich verlegen den Nacken und wir gehen weiter. Mein Herz schlägt immer noch schnell vor Nervosität wegen sogenannten Antrags. Jetzt bin ich verlobt. Mit einem Mann, den ich nicht liebe. Das hätte ich früher nie gedacht.
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Die Göttliche
FantasyEmilia wurde von der Sonnengöttin Rhena zur Göttlichen auserkoren. Eigentlich will sie dies geheim halten, aber als das Menschenreich von Hexen angegriffen wird, muss sie ihre Macht offenbaren. Fortan muss sie nicht nur die Menschen vor den verheere...