4 (2) - Engel reichen nicht

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Dean saß auf dem Boden der Küche des Bunkers, öffnete ein weiteres Bier und sah sich alte Fotos seiner Mutter an. Seiner Mutter ...

Sie starb, als er vier Jahre alt war. Sie starb bei einem Feuer. Sie starb, weil sie einen Deal mit Azazel eingegangen war. Sie starb als Jägerin im Ruhestand. Sie starb und hinterließ zwei kleine Jungs, die fortan nur noch ihren Vater hatten.

Einen Vater, der nicht immer für sie da war, wenn sie ihn brauchten. Einen Vater, der nach dem Tod seiner Ehefrau wahnsinnig wurde und auf der Suche nach Vergeltung zum Jäger wurde. Ein Vater, der seine zwei kleinen Jungs ebenfalls zu Jägern erzog. Ein Vater, der seinen Söhnen nicht die Kindheit geben konnte, die sie verdient hätten.

Nein, Sam und Dean hatten keine einfache Kindheit, aber sie hatten einander. Sie konnten sich immer aufeinander verlassen. Egal, wie heftig sie stritten oder was der andere für einen Mist gebaut hatte, am Ende fanden sie immer wieder zueinander.

Und jetzt saß Dean hier auf dem kalten Fliesenboden und sah sich alte Bilder an. Und seine Mutter saß nur wenige Meter von ihm entfernt in einem eilig hergerichteten Gästezimmer des Bunkers. Sie saß dort mit einer Tasse Tee, die Sam ihr gemacht hatte und las in dem Tagebuch ihres toten Ehemanns. Sam...

Sam, dessen Mutter starb, als er nur sechs Monate alt war. Sam, der keine tröstenden Worte, sondern eine Waffe bekam, als er seinem Vater von seinen nächtlichen Ängsten erzählte. Sam, der es gewagt hatte zu studieren, statt dem Familienauftrag nachzugehen. Sam, der seine große Liebe ebenfalls an Azazel verloren hatte. Sam, der sich schließlich doch seinem Bruder angeschlossen hatte und zu einem der besten Jäger in Nordamerika wurde. Sam, der von den britischen Männern der Schriften entführt und gefoltert wurde. Sam, der seiner Mutter eine Tasse Tee gebracht hatte.

Sie war hier. Mary. Sie war wieder da. Von den Toten zurückgeholt. Als Geschenk. Ein Geschenk der Finsternis. Ein Dankeschön an Dean, dass er sie wieder mit ihrem Bruder verbunden hatte. Die Finsternis. Gott. Amara. Chuck. Dean musste grinsen. Eigentlich war es wie ein Streit zwischen ihm und Sam. Nur mit kosmischen Ausmaßen. Doch am Ende auch nur ein Streit unter Geschwistern.

Dean saß auf dem Küchenboden und war immer noch komplett überwältigt von der Tatsache, dass seine geliebte Mutter wieder hier war. Sie wieder in die Arme schließen zu können. Das war etwas, was er zwar zu träumen gewagt hatte, aber zu ängstlich war, um es zu hoffen.

Selbst als sein Großvater Samuel einen Deal mit Crowley einging, um sie zurückzuholen, hatte er nicht gewagt zu hoffen.

Plötzlich riss ihn ein Klingeln und Brummen aus seinen Gedanken. Ein Handy klingelte. Eines der FBI Handys in der Schublade in der Bibliothek. Er hörte es nur dumpf, aber da außer dem leisen Brummen der Lüftung kein anderes Geräusch den Bunker erfüllte, hörte er es.

Eiligen Schrittes ging er in die Richtung, aus der das Klingeln kam und ohne die Nummer zu beachten ging er ran.

„Hallo?", sagte er freundlich mit neugierigem Unterton.

„Sam! Endlich! Warum gehst du an keines deiner scheiß Telefone?! Ich versuche seit Tagen dich zu erreichen! Wo warst du? Was war denn überhaupt los?! Du kannst doch nicht einfach -"

„Hey, Ari", sagte Dean mit sanfter Stimme.

Stille.

Niemand nannte sie so. Nur er. Doch er konnte es nicht sein. Dean war tot. Die Bombe... es war ... nicht möglich.

„Dean?"

Doch es kam nicht mehr aus dem Telefon. Aria stand hinter Dean in der Bibliothek. Ihr Gesicht verlor die Farbe, als hätte jemand sie kalt erwischt. Die Überraschung und der Schock waren in ihren weit aufgerissenen Augen abzulesen, als wäre der Boden plötzlich unter ihr weggezogen worden. Ihr Mund stand offen, ein stummer Ausdruck der Fassungslosigkeit, während ihr Herz wild gegen ihre Brust hämmerte. Alles um sie herum wurde für einen Moment verschwommen, als müsste sich die Realität neu sortieren.

Weiße RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt