(6) Abschied

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Aria war so kaputt und so müde, dass sie sich einfach in ihren Klamotten auf das Bett legte. Dean setzte sich in den Sessel, der in der Ecke stand und rückte etwas näher zu ihr.

Die kleine Lampe auf Arias Nachttisch tauchte den Raum in ein schummriges Orange.

Sie betrachtete ihre Hände und dachte laut nach: „Sind da jetzt Schmauchspuren an meinen Händen? Die sollte ich abwaschen, oder?"

Dean erkannte, dass sie komplett durch den Wind war nach der ganzen Sache und vermutlich nicht mehr wirklich zu geistigen Glanzleistungen fähig war im Moment.

„Du solltest versuchen zu schlafen. Der Tag war wirklich aufregend."

Sie lachte leise. „Für dich wohl eher Routine."

„Nun ... einer Hexenprinzessin begegnen wir ehrlich gesagt nicht jeden Tag."

„Aber dem Tod." Langsam drehte sie ihren Kopf und sah ihn an.

Dean seufzte. „Ari ... das war nicht deine Schuld, was da passiert ist."

„Es waren meine Hände am Abzug."

„Es war Notwehr. Sie hätte uns sonst getötet."

„Und jetzt habe ich das Leben zweier Jäger über das meiner Hohepriesterin gestellt."

„Sie hat ihr eigenes Ego über euer aller Leben gestellt."

„Es hätte eine andere Lösung geben müssen. Wenn ich nur -"

„Aria!" Jetzt wurde Dean eindringlicher in seinem Ton. „Sie hatte sich entschieden und das ist die Konsequenz daraus."

Sie sah wieder auf ihre Hände. „Ich muss das dem Rat erklären. Und ich habe keine Ahnung, wie ich das anstellen soll."

„Meine Empfehlung: Bleib bei der Wahrheit. Du hast nichts Falsches getan!"

„Ob die das auch so sehen?"

„Ist das nicht egal? Schließlich bist du doch jetzt der Chef."

Ihr Blick wurde leer. „Ich bin jetzt der Chef."

Eine Weile starrte Aria auf ihre Hände und Dean saß in dem Sessel. Beide schwiegen.

„Dean?", durchbrach ihre brüchige Stimme die Stille.

„Mh?" Sie hatte seine ungeteilte Aufmerksamkeit.

„Kann ich mit euch mitkommen?"

„Was?!?"

„Also, natürlich nicht für immer. Ist klar. Aber vielleicht für einen oder auch zwei Fälle. Ich bin nicht bereit dazu, dem Rat gegenüber zu treten. Und ich bin euch bestimmt keine Last. Versprochen. Ich könnte -"

„Ari." Er versuchte so sanft wie es ihm möglich war, mit ihr zu sprechen. Peinlich darauf bedacht sie, in ihrem labilen Zustand nicht auch noch zusätzlich aufzuregen.

„Das halte ich für keine gute Idee."

„Aber ich kann euch nützlich sein. Denk doch nur mal, was ihr mit einer Hexe auf eurer Seite bewirken könntet. Ich kann -" Und so redete sie weiter und weiter. Redete sich voller Euphorie in Extase.

Dean war überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken, sie nach der ganzen Sache auch noch mitzuschleppen. Auch wenn sie es noch so sehr beteuerte, fürchtete er, dass sie eben doch wie eine Klette an ihm hängen würde. Er dachte an Sam und seine Freundin, die er kurz zuvor für ihn verlassen hatte. Wie würde das für Sam sein? Er konnte Amelia nicht halten, aber Dean schleppte seine neueste Bettgeschichte mit? Nein, das konnte er ihm nicht antun.

Noch dazu waren sie aus zwei so unterschiedlichen Welten. Er war ein Jäger und die töteten schließlich Hexen. Das könnte niemals gut gehen.

Aria redete schließlich immer noch auf ihn ein und er wusste nicht, wie er aus dieser Situation raus kommen könnte, also entschied er sich für etwas, was er später noch bereuen würde.

„Also?", fragte Aria mit einem Glitzern in den Augen.

„Also schön. Aber wirklich nur ein Fall."

Enthusiastisch fiel sie ihm um den Hals und hätte fast beide zu Boden gerissen. „Ist ja gut, schon gut."

Sie ließ von ihm ab und krabbelte wieder zurück auf ihren Platz im Bett. „Entschuldige"

„Schlaf jetzt. Wir holen dich morgen früh ab."

„Ja, okay." Sie schlüpfte unter die Decke. „Kannst du noch kurz bleiben? Bis ich eingeschlafen bin? Bitte?"

Er nickte.

Es dauerte nicht lange, da war Aria auch schon eingeschlafen. Sie hatte nicht bemerkt wie fertig sie war. Doch als sie unter der Decke lag und sich das wohlig warme Gefühl in ihrem Körper ausbreitete, konnte sie nicht anders als ihre Augen zu schließen und sich vom Schlaf übermannen zu lassen.

Ein paar Minuten später kam Dean zurück zu seinem Bruder ins Wohnzimmer. Sam hatte sich derweil die Zeit mit Fernsehen vertrieben. Er bemerkte seinen Bruder und schaltete das Gerät aus.

„Oh, hey. Kann's losgehen?"

„Ja", sagte Dean mit belegter Stimme.

„Was ist los?"

„Sie will mit uns mitkommen."

„Und du hast Ja gesagt?"

„Sie hat keine Ruhe gegeben."

„Und jetzt?"

„Jetzt..." Dean hielt einen zusammengefalteten Zettel hoch „...werde ich ihr das Herz brechen"

Sam wurde traurig „Dean, das..."

„Nein, schon gut. Ich kann sowas gerade echt nicht gebrauchen. Am Ende hängt sie noch wie 'ne Klette an mir, oder so."

„Dann fahren wir jetzt zurück ins Motel und dann zum Bunker?"

Dean nickte nur schwerfällig. Schweigend nahmen sie ihre Sachen, gingen zur Tür und Dean vergewissert sich beim Rausgehen noch einmal, dass der Zettel weiterhin auf dem Tisch lag.

Noch schlief Aria. Doch bereits in wenigen Stunden würde zu ihrem bestehenden Schmerz noch ein weiterer dazu kommen, wenn sie die Zeilen entdecken würde.

Liebste Aria,

Es tut mir leid.

Es tut mir leid, aber ich werde nicht mehr zu dir zurück kommen.

Es tut mir leid, dass ich ohne Abschied gegangen bin.

Es tut mir leid, dass ich jetzt das Arschloch bin. Aber ich kann das nicht.

Ich bin erst seit wenigen Monaten wieder zurück, nachdem ich fast ein Jahr im Fegefeuer war. Ich bin immer noch damit beschäftigt, das zu verarbeiten.

Sam hat seine Liebe, die er in dieser Zeit gefunden hat, für mich und die Jagd verlassen. Und ich kann es ihm nicht antun, dass er verzichten muss und ich nehme dich mit zu uns. Es ist einfach kein guter Zeitpunkt jetzt.

Es tut mir leid, dass du die Sache jetzt allein vor dem Rat vorbringen musst. (Auch, wenn ich immer noch nicht verstanden habe, wer oder was das eigentlich ist.)

Es tut mir leid, aber mein eigenes Leben ist so wirr und so kaputt, das willst du gar nicht genauer kennenlernen. Es ist besser so.

Es tut mir leid, dich mit all dem jetzt allein zu lassen, wo ich dir doch etwas anderes versprochen habe. Aber Menschen, die mir nahe sind, werden früher oder später immer verletzt oder gar getötet. Also glaub mir, wenn ich dir sage, ich tue das auch, um dich zu beschützen. Vergiss mich am besten einfach. Es ist besser so. Für alle.

Dean

Fortsetzung folgt?

Weiße RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt