Kapitel 18

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18. Januar 2025

Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so nervös war. Selbst vor dem Vorstellungsgespräch für meinen neuen Job in Berlin war ich nicht so aufgeregt gewesen wie jetzt.
Es ist eine komische Art der Aufregung. Einerseits freue ich mich extrem darauf, ihn nach fast einem Monat wiederzusehen, auf der anderen Seite weiß ich, dass ich eigentlich nicht so fühlen sollte und außerdem habe ich Angst. Angst davor, was passiert, wenn wir uns wieder gegenüber stehen.
Angst davor, mir nicht die ganze Show anschauen zu können, weil ich es vielleicht nicht aushalte, ihn auf der Bühne zu sehen.
Ich war noch nie bei einer Live Show von ihm und jetzt findet das erste Mal ausgerechnet nach unserer Trennung statt, fast ein Jahr, nachdem wir uns das erste Mal gesehen haben.
Es fühlt sich einfach falsch an. Aber seine Einladung auszuschlagen, hätte sich noch falscher angefühlt.
Ich war so überrascht gewesen, dass ich mich nicht getraut habe, nein zu sagen.
Aus irgendeinem Grund scheint er mich ja dabei haben zu wollen, auch, wenn mir nicht ganz klar ist, aus welchem.
Warum macht er das?, frage ich mich, während ich vor dem Spiegel stehe und meine Haare glätte. Hofft er tatsächlich, dass wir wieder zusammenkommen oder will er mir einfach nur zeigen, woran er die ganze Zeit so hart gearbeitet hat?
Letztendlich könnte es beides sein. Den wahren Grund werde ich wohl nie erfahren, außer, ich frage nach, aber das werde ich nicht machen. Auf gar keinen Fall.
Ich werde mir einfach nur die Show anschauen, ihn danach beglückwünschen, falls sich überhaupt die Gelegenheit dazu ergibt und dann wieder gehen.

Nachdem ich mich fertig gemacht und mir ein Outfit ausgesucht habe, mache ich mich auf den Weg zu dem kleinen Comedy-Club, den Felix mir genannt hat. Unterwegs muss ich nochmal die Adresse in unserem Chat nachlesen.
Immer, wenn ich auf Felix' Namen in meiner Kontaktliste tippe, bekomme ich eine Gänsehaut. Unser Chat liest sich wie ein Business-Gespräch. Datum, Uhrzeit, Adresse, ich komm danach vielleicht raus wenn ich's schaffe, ja, cool, Danke, ich freu mich, bis dann, ciao.
Ich muss mich wirklich dazu zwingen, in unserem Chat nicht nach oben zu scrollen, zu der Zeit, als wir noch zusammen waren. Wie liebevoll wir miteinander umgegangen sind. Wie stolz er mir erzählt hat, was er alles tagsüber erledigt hat, damit er an den Abenden Zeit für mich hatte, und trotzdem war es irgendwie einfach nicht genug.

Als ich gegen 19 Uhr den kleinen Club betrete, ist es schon gut voll. Ein wenig verunsichert schaue ich mich um. Auf den ersten Blick sehe ich niemanden, den ich kenne, aber dann bahnt sich auf einmal ein mir nur zu gut bekanntes Gesicht den Weg durch die Menge und bevor ich darüber nachdenken kann, ob ich mich nicht doch lieber wieder umdrehen und gehen soll, hat sie mich auch schon entdeckt.
„Hi!" Nadja strahlt mich vom einen Ohr zum anderen an und breitet völlig selbstverständlich ihre Arme aus. Ich ringe mir ein Lächeln ab und erwidere ihre Umarmung. Wir bleiben ein wenig zu lange so stehen. Als wir uns voneinander lösen, streicht sie mir mit der Hand kurz über den Oberarm und lächelt mich dabei an. „Wie geht's dir?"
Weil ich nicht weiß, was ich darauf antworten soll, zucke ich nur mit den Schultern. Schließlich weiß ich nicht, wieviel Felix ihr erzählt hat, aber ihr Blick verrät mir, dass sie alles weiß.
Mir entfährt ein Seufzen. „Geht so", sage ich mit gesenkter Stimme, nachdem ich mich vergewissert habe, dass niemand in unserer Nähe ist, der dieses Gespräch nicht mitbekommen soll.
„Mal besser und mal schlechter, aber insgesamt okay." Ich mache eine kurze Pause und Nadja nickt wissend. „Und wie geht's ihm?"
Sie stößt ebenfalls ein Seufzen aus und lächelt mich dabei an, aber jetzt hat ihr Lächeln fast etwas trauriges. „Auch so, glaube ich. Er meldet sich nicht oft. Nur, wenn's um die Arbeit geht."
Das tut weh. Ich weiß, was für ein gutes Verhältnis er immer zu seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen hatte. Zu wissen, dass sich das geändert hat, seit ich mit ihm Schluss gemacht habe, ist, als würde sich ein Pfeil geradewegs in mein Herz bohren.
Nadja scheint mein besorgter Ausdruck nicht zu entgehen. Sie seufzt nochmal und klopft mir aufmunternd auf die Schulter. „Kopf hoch, Maddie. Ihr kriegt das schon wieder hin."
Ich schaue sie perplex an. Sie weiß doch gar nicht, ob es überhaupt etwas gibt, was wir wieder hinbekommen könnten, oder?
Was hat Felix ihr genau erzählt?
Plötzlich wird mir bewusst, dass meine bloße Anwesenheit bei dieser Show ein Indikator dafür sein könnte, dass ich daran interessiert bin, wieder mit ihm zusammen zu kommen und ich weiß nicht, wie ich das finden soll. Im Grunde genommen weiß ich doch selbst nicht, was ich will und vor allem weiß ich nicht, was ich mir von diesem Abend erhoffe.
Ich hätte einfach gar nicht erst herkommen sollen.

Honestly (Felix Lobrecht) (Heavenly #2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt