Kapitel 19

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Seine Frage lässt mich kurz erstarren. Leise seufze ich auf.
„Felix, ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee..."
„Bitte."
Er sieht mich so eindringlich an, dass ich augenblicklich verstumme. In seinen Augen liegt ein so flehender Ausdruck, dass ich auf einmal ganz genau weiß, dass ich nicht gehen kann, ehe wir nicht geredet haben.
Und das jagt mir eine Scheißangst ein.
Ich schlucke kurz, dann nicke ich. Wieder ist es ein Reflex, den ich nicht steuern kann.
„Okay."
Seine Lippen verziehen sich zu einem erleichterten Lächeln. „Gut."
Ich greife nach meiner Jacke und folge Felix nach draußen. Wir gehen ein kurzes Stück, bis wir vor seinem Auto stehenbleiben. Felix öffnet mir die Beifahrertür und macht eine einladende Handbewegung. „Bitteschön."
Trotz dieser absurden Situation muss ich lächeln und steige ein. Felix schließt die Tür hinter mir und läuft um sein Auto herum, dann öffnet sich die Fahrertür und er lässt sich neben mir nieder.
Als seine Tür ins Schloss fällt, komme ich nicht umhin, kurz aufzuseufzen.
Es fühlt sich absolut merkwürdig an, hier mit ihm im Auto zu sitzen, irgendwo in Berlin und dann auch noch im Dunkeln.
Aber auch irgendwie... schön. Auf eine komische Art. Es fühlt sich magisch an und irgendwie vertraut.

Felix dreht den Kopf zu mir und lächelt mich vorsichtig an. „Wie geht's dir?"
Augenblicklich zucke ich zusammen. Zuerst weiß ich nicht, warum ich auf diese einfache Frage so reagiere, aber dann wird es mir auf einmal klar.
Das ist das erste Mal seit Ewigkeiten, dass ich die Frage aus seinem Mund höre.
Als wir zusammengezogen sind, ist es auf einmal so zur Gewohnheit geworden, dass wir einander immer in der Nähe hatten, dass wir uns diese Frage irgendwann nicht mehr gestellt haben.
Man stumpft ab, weil man davon ausgeht, dass es dem anderen immer gut geht.
Aber das stimmt nicht. Sonst hätte ich mich nicht von ihm getrennt.
Kurz wende ich den Blick von ihm ab und schaue aus dem Fenster in die Nacht, bis ich seine Frage beantworte.
„Geht so."
Argwöhnisch hebt er eine Augenbraue. „Warum?"
Ohne, dass ich es verhindern kann, entfährt mir ein helles Auflachen. Die Antwort liegt so offensichtlich auf der Hand, dass die Tatsache, dass er mir diese Frage stellt, irgendwie süß ist.
Plötzlich fällt mir ein, dass er ja gar nicht weiß, dass ich bei meiner Mitbewohnerin Katharina noch nicht mal ein eigenes Zimmer habe. Ich hause nach wie vor in ihrer Abstellkammer und komme mir dabei vor wie eine Obdachlose.
Ich räuspere mich und schüttele kurz den Kopf, bevor ich anfange, zu sprechen.
„Es ist einfach... alles." Ich mache eine vage Geste mit der Hand. „Das mit dir, das mit der... Wohnungssuche... -" Ich traue mich nicht, die Situation beim Namen zu nennen - „und der ganze Rest."
Ich stoße einen tiefen Atemzug aus, erst dann schaue ich ihn wieder an.
„Und wie geht's dir?"
Zu meiner Überraschung lacht Felix auf, und es schwingt kein ironischer Unterton dabei mit.
Meine Frage scheint ihn tatsächlich zu amüsieren.
„Was soll ich sagen? Ich hab gerade meine erste Tryout-Show gespielt und sollte eigentlich rundum glücklich und zufrieden sein, weil ich nach über einem Jahr endlich wieder auf der Bühne stehe, aber ich kann mich einfach nicht darüber freuen, weil meine Freundin nicht da ist."
Seine Worte versetzen mir einen Stich, aber trotzdem zwinge ich mich dazu, zu antworten.
„Aber ich bin doch hier", flüstere ich.
Felix lächelt mich ein wenig traurig an.
„Aber du bist nicht mehr meine Freundin."
Ich schlucke und atme tief durch. „Aber ich bin hier", wiederhole ich, weil ich nicht weiß, was ich sonst sagen soll.
Felix nickt. „Du bist hier", sagt er leise, als müsste er es noch einmal von sich selbst bestätigt bekommen.
Dann sagt er nichts mehr. Er schaut mich nur an und auf einmal wird mir wieder klar, warum ich mich in ihn verliebt habe. Diese Augen zwingen einen quasi dazu. Und der Ausdruck in seinem Gesicht. Und die Grübchen, die sich bilden, wenn er lacht. Wie er das Gesicht verzieht, wenn es ein besonders dreckiges Lachen ist.
Und wie er sich manchmal über die banalsten Kleinigkeiten aufregen kann und es dabei schafft, so viel Sympathie in sich zu tragen, dass man nicht anders kann, als ebenfalls zu lachen.
Und dann wird mir auf einen Schlag klar, dass ich noch immer in ihn verliebt bin. Dass das Kribbeln nie aufgehört hat.
Es ist noch immer da, irgendwo ganz tief vergraben unter all dem Schmerz und der Sehnsucht, aber es ist noch da. Und es macht sich wieder bemerkbar, jetzt, wo wir nebeneinander sitzen und uns anschauen.

Honestly (Felix Lobrecht) (Heavenly #2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt