An diesem Morgen hatte Izmir es so eilig, dass er beinahe an der Profilkontrolle vorbeigelaufen wäre, so wichtig war es ihm, schnell zur Schule zu kommen. Dort angekommen wühlte er sich durch das Gedränge und rannte aufgeregt die Gänge entlang, bis er schwer atmend vor dem Büro des Schulleiters zum Stehen kam. Der Höflichkeit halber zwang er sich, erst zu klopfen anstatt sofort in den Raum zu platzen. Er wartete auf Herr Mards Antwort, sein "Herein, wenn's nicht die Schulinspektion ist!"
Doch es blieb still. Izmir klopfte noch einmal. Nichts.
Izmir drückte die Türklinke herunter, doch es war abgesperrt. Verwirrt sah er sich um. Meistens war Herr Mard schon früh im Büro, arbeitete und laberte in sein Telefon. Vielleicht war er irgendwo im Schulhaus unterwegs, doch bis Izmir ihn fand würde schon der Unterricht beginnen.
Enttäuscht wandte er sich ab.
Frau Krille kam vorbeigeschlurft. Vor sich schob sie ein quietschendes Wägelchen, auf dem in geschwungenen Tassen Kaffee schwappte und in einem Korb einige Gebäckstücke lagen.
"Hast du dich verirrt, du verlorenes Schäfchen?", fragte sie mit krächzender Stimme. Sie wirkte noch nicht ganz wach und er stand wohl etwas auffällig verloren herum.
Izmir sog das Kaffeearoma ein und starrte begierig auf die Gebäckstücke. "Ich wollte zu Herrn Mard!"
"Herr Mard ist heute leider krank. Aber wenn du eine organisatorische Frage hast, kannst du auch zu mir kommen."
"Oh...nein, nein!"
Frau Krille stützte sich auf das Wägelchen, das gefährlich knarzte. "Ist es eine persönliche Frage? Mal ganz unter uns; wenn es eine persönliche Frage ist, könnte ich sie dir wahrscheinlich auch beantworten. Ich kenne Herrn Mard jetzt schon lang genug und weiß in den meisten Fällen, was er antworten würde..."
"Nein...danke. Es war keine persönliche Frage... Ich muss zum Unterricht!", stotterte Izmir und lief schnell davon, bevor sie weiterreden konnte."Wie ihr vielleicht schon mitbekommen habt, ist Herr Mard heute leider krank!" Stille. Schweres Atmen. "Zum Glück sehe auch ich mich als eine Art Koryphäe auf dem Gebiet der sonderbaren Kultur der Mitmenschen, darum bin ich nun euer Vertretungslehrer!"
"Oh mein Gott!", murmelte Razdan vom Tisch neben dem Spülbecken, an den er in der letzten Stunde verbannt worden war.
Herr Kröger hob belehrend einen runzligen Finger in Razdans Richtung. "Ich dulde keine Blasphemie in meinem Unterricht! ...auch wenn die Bezeichnung schmeichelt!"
"Was ist eine Korü-Fee?", flüsterte Becky, die hinter Izmir saß. Er drehte sich zu ihr um und zuckte mit den Schultern.
"Ist Herr Kröger eine Fee?"
"Ich glaub nicht. Wenn dann eher ein Kobold.", flüsterte Marvin.
Becky kicherte.
Herr Krögers Finger wanderte in ihre Richtung. "Gibt es etwas, das du mit der Klasse teilen möchtest, B....B...Bianca?"
"Becky."
"Hm.", Herr Kröger nickte. "Amüsiert dich etwas, das uns alle zum Schmunzeln bringen könnte?"
"Nein.", sagte Becky.
"Soso. Herr Kröger drehte sich langsam zur Tafel um, schrieb Razdan und Beckys Namen an die Tafel und gab beiden einen Strich. Razdan nutzte den kurzen Moment, um Simon mit seinem Lineal zu bewerfen. Herr Kröger drehte sich wieder um. "Ein Strich bedeutet eine Verwarnung, mit dem nächsten folgt ein Schulverweis!"
"Aber ich hab gar nichts gemacht!", rief Becky empört.
"Ja, sie hat gar nichts gemacht! Ich bin Klassensprecher!", verteidigte Razdan sie.
Herr Kröger klipste schweigend seine Mappe auf und zu und guckte nur. "So wollen wir nun beginnen!"
Izmir meldete sich.
"Ja bitte?"
"Was ist Blasphemie?", fragte er.
"Was ist Blasphemie.", wiederholte Herr Kröger die Frage. "Eine sehr gute Frage. Möchte einer von euch zu dieser Thematik Stellung nehmen?"
Simon zerbrach schweigend Razdans Lineal und Razdan schnitt eine empörte Grimasse in seine Richtung, traute sich aber nicht, etwas zu sagen.
Lana meldete sich. "Blasphemie ist das Verhöhnen oder Verfluchen bestimmter Glaubensinhalte einer Religion oder eines Glaubensbekenntnisses. Eine öffentliche, Ärgernis erregende Beschimpfung Gottes bezeichnet man als Gotteslästerung!"
"Das ist richtig.", sagte Herr Kröger.
"Danke. Ich hab den Wikipediaartikel auswendig gelernt!" Lana grinste stolz.
Herr Kröger blickte in die Runde. "Wollen wir nun fortfahren mit..."
Simon stand auf.
"Wo möchtest du hin?"
"Ich äh...hab einer Nonne versprochen, ihr hinter der Aktivhalle das Entschädigungsgeld für ihren Berner-Sennenhund zu zahlen.", sagte Simon.
"Auf keinen Fall! Niemand verlässt meinen Unterricht, bis ich es erlaube!", schnaubte Herr Kröger.
"Sag doch einfach, dass du aufs Klo willst!", meinte Lana.
"Ach so ja, ich muss aufs Klo!"
"Dann geh bitte!" Herr Kröger wies ungeduldig zur Tür und Simon verließ den Raum.
Razdan starrte ihm finster hinterher. Er war immer noch sauer wegen dem Lineal.
Um nicht wieder unterbrochen zu werden fing Herr Kröger nun an schneller, also in annähernd normalem Tempo zu reden. "Wir sprechen heute über die menschlichen Züge der Mitmenschen, die sogenannten Humanoidmitmenschen. Es gibt Mitmenschen mit mehr humanoiden Eigenschaften und welche, die sich vollkommen ihres wilden Daseins hingegeben haben. Wer kennt einige Beispiele?"
Lanas Hand schoss in die Höhe.
"Vielleicht mal jemand anderes? Vielleicht du, Becky? Du hast doch so viel mitzuteilen!"
"Ja, weil ich drei Wörter gesagt habe oder was? Marvin hat auch geredet!"
"Ey!", rief Marvin.
Herr Kröger drehte sich zur Tafel und machte einen zweiten Strich. "Herzlichen Glückwunsch! Du hast dir gerade einen Verweis verdient für Respektlosigkeit gegenüber eines Lehrkörpers!"
"Wohl eher ein Leerkörper!" Razdan kicherte.
Herr Kröger machte einen zweiten Strich hinter Razdans Namen.
"Ach kommen Sie! Können wir's nicht so machen, dass erst nur der Name an die Tafel geschrieben wird und man dann noch zwei Verwarnungen hat?"
"Auf keinen Fall! Von anderen Lehrern könnt ihr vielleicht die gewohnte Kuschelpädagogik erwarten und euch aufführen wie ihr wollt, doch nicht mit mir! In meinem Unterricht erwarte ich noch gewisse Standards, die selbstverständlich sein sollten! Ich möchte, dass ihr beide jetzt zum Büro des Schulleiters geht und euren Verweis abholt."
Becky schaute verwirrt. "Aber Herr Mard ist doch kra..."
"Okay, machen wir!", rief Razdan schnell und machte zu Becky eine Mund Zusperrbewegung.
Sie gingen zur Tür. Kurz vor der letzten Reihe stolperte Becky über den Riemen von Simons Rucksack und riss im Fall seinen Stuhl mit zu Boden.
Razdan wartete schon an der Tür und sah sie entsetzt an. "Oh mein Gott, Becky!"
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Die Ankunft der Mitmenschen
AdventureIzmir erlebt eine Zeit, in der die Gesetze der Welt sich wandeln das Alte und Neue Wissen sich vermischen.