"Ja, logisch!", hatte Fred gesagt, als sie ihm ihren Plan unterbreitet hatten. "Aber nur unter der Bedingung, dass ich danach kostenlos auf diesem Parkplatz stehen darf!"
Lana hatte geseufzt und gemeint, dass sie das später klären würden. Razdan war nach einer Stunde wiedergekommen und hatte bergeweise Snacks gebracht.
Lana hinterließ ihrer Mutter einen Zettel und schrieb eine Liste, welche Aquarien noch gesäubert werden mussten. Dann stiegen sie in den Bus und fuhren los.
Während Freds Bus vom Hof polterte, drehte Frau Schlotterbeck sich zu ihnen um. "Lana, hast du dir eigentlich schonmal überlegt, in einem Zoogeschäft oder Aquarium zu arbeiten? Durch die ganzen Aquarien bei dir zu Hause weißt du bestimmt schon einiges!"
Lana grinste. "Schon, aber Fische sind mir eigentlich zu glibschig. Ich mache das nur meiner Mutter zuliebe, weil sie so wenig Zeit hat."
"Was magst du denn für Tiere?", fragte Izmir.
"Ich mag Otter sehr gern."
Sie fuhren an Trümmerhaufen vorbei durch die Innenstadt und erreichten schließlich eine Schnellstraße. Fred drückte ordentlich aufs Gaspedal und der alte Bus knirschte unter der plötzlichen Belastung.
"Halten Sie sich bitte an die Verkehrsregeln?", fragte Frau Schlotterbeck besorgt.
"Regeln sind da, um gebrochen zu werden!", nuschelte Fred. Er rauschte mit 70 kmh über eine rote Ampel.
"Sie hätten fast ein Kind überfahren!", rief Frau Schlotterbeck.
"Huch, vor ein paar Jahren war die Ampel hier noch nicht da!"
Izmir sah voller Angst seine Freunde an. "Glaubt ihr, wir werden sterben?"Die Wachposten an der Stadtmauer kümmerte es wenig, als sie mit dem alten Bus angeklappert kamen. Zwei der Polizisten spielten neben dem Wachhäuschen an einem Gartentisch Poker, ein dritter machte gerade Raucherpause und winkte sie genervt durch.
Izmir drehte sich um und beobachtete die Arbeiter, die in Gerüsten kletterten und die Stadtmauer nachbesserten, bis sie in der Heckscheibe immer kleiner wurden. Er war lange nicht mehr außerhalb der Stadt gewesen. Seit die Mitmenschen sich verbreitet hatten, galt das Land nicht mehr als sicher. Doch statt gruseliger Kreaturen und Chaos sah Izmir erstmal ordentlich aneinandergereihte Felder und Wiesen. Sie fuhren auf eine Autobahn, auf der Militärautos und Tanklaster sich abwechselten. Ab und zu fuhr auch ein Famlienauto mit Wohnwagen vorbei.
Izmir tätschelte Chiefs flauschigen Kopf, bereit jederzeit die Hand wegzuziehen, falls der Hund danach schnappte. Razdan zeigte Lana auf der Rückbank lustige Videos von seinem Handy und die beiden schüttelten sich vor Lachen. Irgendwie nervte Izmir das. Er wollte fragen, ob er auch mitschauen durfte, aber er verstand sowieso selten, was in Razdans Videos genau vor sich ging. Nein, seine Genervtheit hatte irgendeinen anderen Grund. Er wünschte sich, Lana würde mit ihm so lachen. Vielleicht war er einfach kein sehr guter Freund.
Izmir lehnte sich zur Scheibe hinüber und presste sein Gesicht dagegen. Langsam ließ er sein Gesicht daran heruntergleiten bis seine Gesichtszüge grotesk verzogen waren und starrte auf die vorbeirasende Schallschutzmauer.
Nach knapp einer Stunde Fahrt verließen sie die Autobahn und fuhren über Landstraßen, die an verfallenen Dörfern und einsamen Gehöften vorbeiführten. Der Bus ächzte einen Berg hinauf und es roch nach verbranntem Gummi, doch Fred meinte, das sei normal. Wie eine Schlange wand sich die Straße in Serpentinen zurück ins Tal.
Fred hielt es nicht für notwendig auf dem Weg bergab zu bremsen. "Wollt ihr mal sehen wie ich mit der alten Gurke driften kann?", fragte er aufgeregt in die Runde und erhielt ein einstimmiges: "NEIN!"
In den nächsten 10 Minuten fand sich Izmir in einer schwindelerregenden Fahrt zwischen dem strahlend blauen Himmel, Geröll und dem Abgrund wieder. Er war noch nie in einer Achterbahn gewesen, doch ungefähr so musste es sich anfühlen - nur dass man in einer Achterbahn gesichert war.
Am Fuße des Berges wendete Fred mit einer 180 Grad Drehung und holperte auf einen Parkplatz, was sehr auf dem Schotter staubte. Mit quietschenden Bremsen und qualmenden Reifen kam der Bus zum Stehen. "Ich muss jetzt mal schauen, warum es so aus der Motorhaube raucht!", verkündete Fred und sprang aus dem Wagen.
Izmir ließ den Griff von seinem Sitz los, an dem er sich festgekrallt hatte. Razdan kroch aus dem Spalt zwischen Sitz und Tür, in den er gerutscht war.
"Mir ist schlecht!", sagte Lana.
Auch Izmir war etwas mulmig. Doch das konnte auch daran liegen, dass er gerade eine ganze Packung Weiße Mäuse verdrückt hatte.
Sie kletterten etwas zerknautscht und gerädert aus dem Bus. Auch Chief taumelte beim Gehen.
Der Parkplatz bestand aus einer Schotterpiste, einer Wanderkarte und einer Mülltonne, in die offensichtlich jemand entgegen der Vorschrift heiße Asche eingefüllt hatte.
Frau Schlotterbeck kotzte in die Hecke.
"Na toll...Fred, du musst echt mal langsamer fahren!", beschwerte sich Lana.
Fred fächelte mit einem Stück Karton den Qualm zur Seite. "Warum, ich bin doch schön gefahren!"
"Dein Fahrstil verstößt gegen die Genfer Konvention!"
"Vielleicht sollte Fred es lieber beim Parken belassen.", überlegte Izmir.
"Ja, safe alter, das war geisteskrank!" Razdan tollte mit Chief an der Leine herum. Er untersuchte das Gebüsch neben der Wandertafel. "Ey schaut mal, hier wachsen Halt-dein-Maulbeeren!"
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Die Ankunft der Mitmenschen
AdventureIzmir erlebt eine Zeit, in der die Gesetze der Welt sich wandeln das Alte und Neue Wissen sich vermischen.