"Ich wette Herr Kröger ist ein Mitmensch!"
"Ja?", fragte Izmir lachend.
Razdan nickte. "Humaniodmitmenschen, meine Oma Alter! Wenn der nicht humanoider als jeder Humanoide ist, weiß ich auch nicht!"
"Ich finde ihn auch komisch. Was ist das eigentlich in deinem Gesicht?"
Razdan fasste sich ins Gesicht und betrachtete die Farbe an seinen Fingern. "Ach so, Herr Mard ist ja krank, deswegen konnten wir nicht ins Schulbüro und dann hat Becky mich auf dem Mädchenklo geschminkt."
Izmir riss die Augen auf. "Du warst auf dem Mädchenklo?! Das...darf man doch nicht!"
"Was glaubst du, wer was dagegen haben könnte, die Klopolizei? Entspann dich mal! Aber findest du es sieht nice aus oder nicht so?"
Izmir betrachtete Razdan. "Sieht schwul aus."
"Ey!", Razdan schubste Izmir und er fiel über eine Mülltonne. Eine magere Katze schoss fauchend daraus hervor und verschwand im Gebüsch.
"Wtf." Razdan half Izmir auf. "Ich glaub Becky kann auch nicht gut schminken."
Izmir lachte.
Sie erreichten Izmirs Straße. Ein Güterzug klapperte gerade vorbei.
"Ey yo, ich bin morgen abend mit paar Freunden bei der alten Ziegelfabrik, bisschen chillen und Musik machen und so. Schau doch vorbei wenn du Bock hast!"
Izmir freute sich. "Klar, ich muss nur fragen ob das in Ordnung..." Izmir wurde von scheppernden Fensterläden unterbrochen, die gegen die Wand schlugen und das Gesicht seines Vaters erschien oben im Fensterrahmen. "Izmir, bist du das?", schrie er.
Izmir trat etwas verunsichert einen Schritt von Razdan weg und winkte.
"Dann beweg deinen Hintern nach oben! Es gibt Arbeit für dich!" Die Fensterläden knallten zu.
Etwas ratlos stand Izmir da. "Äh...ja...also dann..."
"Wir sehen uns!" Razdan machte eine rätselhafte Geste, die bei Jugendlichen gerade als cool galt und latschte vor sich hin rappend davon."Hier. Halt das!"
Izmir trat an die Werkbank seines Vaters und hielt die Holzplatte fest, während sein Vater sie in den Tisch einspannte. "Wer war das da draußen? Doch nicht etwa wieder der seltsame Kerl, der in unserem Bad war?"
"Papa, das war Razdan. Er ist mein Freund!"
"Dein Freund, soso. Ist er in der GGM?"
"Nein...was hat das damit zu tun?"
Sein Vater richtete anklagend den Schraubenzieher auf Izmir. "Das habe ich mir schon gedacht! Ich möchte nicht, dass du Kontakt mit diesem Jungen hast! Verstehst du mich?"
"Warum?", fragte Izmir verwirrt.
"Er ist nicht in der GGM! Du weißt nichts über ihn. Jeder da draußen könnte ein Mitmensch sein, ohne dass du es ahnst!"
Izmir lachte. "Aber Razdan doch nicht!" Er wich erschrocken zurück, als sein Vater mit dem Schraubenzieher näher kam.
"Sie sind überall! Sie sind unsere Nachbarn, unsere Arbeitskollegen, der Straßenkehrer. Und du weißt NICHTS, GAR NICHTS über sie! Du kannst nur den Leuten trauen, die du gut kennst. Deiner Familie. Und den Leuten in der GGM, denn welcher Mitmensch würde sich schon dort hin wagen?"
"Ähm...", machte Izmir. "Arbeitskollegen? Du arbeitest doch gar nicht."
"Und ob! Ich, Zorlob Ramazan, Ernährer und Oberhaupt dieser Familie habe eine wichtige Position bei der GGM angenommen! Morgen werde ich bei der ersten Konferenz meine Ideen präsentieren!" Er griff stolz nach einem bekritzelten Zettel. "Auf diesem Papier steht der erste Schritt zur Eindämmung der Mitmenschen! Gewalt durch Worte!"
"Ich verstehe nicht ganz.", gab Izmir zu.
Zorlob begann, im Raum hin und her zu gehen. "Wir wollen die Mitmenschen weg haben von uns, sie raus aus der Stadt zwingen. Und wie tun wir das? Rohe Gewalt macht zu viele Umstände und traumatisiert die Bevölkerung, also werden wir sie durch Worte erniedrigen, sie kleinmachen, bis sie freiwillig den Rücken kehren." Er fuchtelte mit dem Blatt Papier herum. "Diese Liste enthält Schimpfwörter und Beleidigungen, die wir beim Verdacht auf einen Mitmenschen anwenden können! Ich habe sie mir selbst ausgedacht!"
Izmir schaute skeptisch, während sein Vater begann stolz vorzulesen und dabei seine Beleidigungen durch Gesten an die Bohrmaschine zu richten: "Du nichtsnutziger Emporkömmling! Schweig du Unfall der Natur! Taugenichts! Du armseliger Dieb du! Schmierfink! Dein Gesicht sieht nur schön aus unter den Rädern meines Mercedes Benz! Du verlotterter Vogelscheuchenhüter! Die Erde soll sich auftun und dich verschlingen du Habenichts! Verzieh dich, du dunkles Ungeheuer! Mit deinem Gesicht will ich den Boden wischen! Ich verpass dir ein paar Pflastersteine und betonier dich in meiner Einfahrt! Du Vogel! Geh zurück in dein..."
"Okay, wow...ich hab's verstanden!", unterbrach Izmir ihn.
Zorlob strahlte ihn an. "Und wie findest du es?"
Izmir kaute nachdenklich an seiner Lippe und es folgte unangenehmes Schweigen.
"Später wird mir dann noch mehr einfallen! Aber das Komittee wird beeindruckt sein. Du darfst natürlich auch dabei sein, dein Bruder kommt morgen auch mit für die Jugendgruppe."
"Morgen kann ich nicht, da treffe ich mich mit Razdan."
Sein Vater schlug empört auf die Tischplatte. "Was habe ich dir gerade zu diesem Jungen gesagt? Wir dulden keine Fremden, das weißt du genau! Die Situation ist so schon prekär genug!"
"Warum dulden wir eigentlich keine Fremden? Ich meine...warum darf ich nie Freunde mit nach Hause bringen? Hattest du als Kind nie Freunde zu besuch?", fragte Izmir.
Zorlob griff nach dem Hammer. "Mein Sohn, wir leben unter besonderen Bedingungen."
"Aber was für besondere Bedingungen? Die Mitmenschen gab es doch schon vor dem Giftgasangriff!"
Zorlob sah Izmir ernst an und jetzt flüsterte er schon fast. "Es geht nicht nur um die Mitmenschen. Du weißt doch auch, dass wir nicht allein in der Wohnung sind."
Izmir überlegte, dann ging ihm ein Licht auf. "Du meinst die Zombieno..."
"Ssssscccchhhh!" Sein Vater legte den Finger auf die Lippen und sah sich verängstigt um. "Ich kann nichts riskieren.... Und ich mag einfach keine Fremden." Er zückte den Hammer.
"Meinst du, sie ist ein Mitmensch?", fragte Izmir, etwas, dass er sich schon öfters unterbewusst gefragt hatte.
Doch sein Vater sah ihn nur ganz überrascht an, so als hätte er vorgeschlagen in den Ferien zum Mars zu fliegen. "Das?! Nein! Das ist unmöglich!" Dann holte er aus und schlug immer und immer wieder mit dem Hammer auf die Holzplatte ein, sodass die Holzspäne auf der Tischplatte tanzten, die Adern auf seiner Stirn vor Anstrengung hervortraten und Izmir sich die Ohren zuhalten musste von dem Lärm.
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Die Ankunft der Mitmenschen
MaceraIzmir erlebt eine Zeit, in der die Gesetze der Welt sich wandeln das Alte und Neue Wissen sich vermischen.