12 - Paris 1994 - 13. Juni - Teil I

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Charles würde heute Nachmittag Erik aus dem Krankenhaus abholen. Er war inzwischen körperlich so weit, dass er entlassen werden konnte.
Von der Dame aus der anderen Station hatte er sich gestern schon verabschiedet.

Doch zunächst hatte er heute Vormittag eine andere Mission. Um 10 Uhr würde er die Young-Mutant-Organisation besuchen. Er hatte es schon einige Tage aufgeschoben, seit ihm Marian Meche im Restaurant die Telefonnummer zugeschoben hatte.

Die Organisation war etwas vom Zentrum der Stadt entfernt. Charles würde eine Weile U-Bahn fahren müssen. Doch vor der U-Bahn-Station angekommen, musste er einen defekten Fahrstuhl feststellen. Also das Taxi, dachte Charles.

Während der Taxifahrt redete Charles nicht mit dem Fahrer und dachte darüber nach, wie still es war, wenn Erik ihn nicht von der Seite vollquatschte. Vielleicht war es eine Fehlentscheidung gewesen, nicht darauf zu warten, dass Erik wieder genesen war. Dennoch genoss er es manchmal, mit seinen Gedanken allein zu sein.

Er war so oft in den Gedanken anderer, dass er manchmal nicht mal selbst wusste, was er dachte oder worüber er denken sollte. Gestern hatte er mit Hank telefoniert, und es war nichts Besonderes in Charles Schule in den USA passiert. Es waren ja auch Sommerferien.

Bei der Einrichtung angekommen, half der Taxifahrer ihm noch in den Rollstuhl, und Charles schaute sich das Gebäude an. Es hatte etwas von einer Art Internat. Nur weniger diesen vermeintlichen Privatschulen-Charakter, den man Charles Schule nachsagte. Eher wie eine gewöhnliche staatliche Schule in Plattenbau-Optik. Die Atmosphäre konnte auch durch einige bunte Graffitis nicht gerade aufgehellt werden. Doch die Pflanzen, die um und am Gebäude wuchsen, machten einen angenehmen Eindruck.

Eine Sache war auf dem Campus allerdings noch entscheidender anders. Einige der Kinder und Jugendlichen trugen dieselben Armbänder, wie Erik es tragen musste.

Vielleicht hätte er ihn doch mitnehmen sollen. Allein der Französischkenntnisse wegen. Vielleicht hätte er ihm auch erst einmal erzählen sollen, dass er überhaupt hier war. Aber er wollte sich erst ein eigenes Bild machen.

"Hallo, ich suche den Sohn von Marian Meche.", erklärte Charles am Empfangstresen der Schule sein Anliegen.

Der junge Mann hinter dem Tresen, lässig in weiten Kleidern gekleidet, ein wenig zu lässig für Charles Geschmack, trug einige Piercings an den Ohren und Tattoos an den Armen. Das war ihm zuerst aufgefallen. Eines der Tattoos in Höhe des Schlüsselbeins schien Naturgeister darzustellen. Auf seinem Namensschild stand "Francois Callier". Doch man solle ihn Franky nennen, stand darunter.

Er begann direkt beinahe akzentfrei, Englisch mit Charles zu sprechen: "Hi, sind Sie einer von seinen Dads?", fragte er und kaute auf seinem Kaugummi.

"Das ähm...", Charles war etwas irritiert, aber er schien die Frage ernst zu meinen: "Nein, bin ich nicht. Ich bin Charles Xavier. Seine Mutter hat mich geschickt nach ihm zu sehen."

"Oh, wahrscheinlich hätte ich Sie erkennen müssen. Tut mir leid. Ich bin eigentlich ein riesiger X-Men-Fan...", entschuldigte sich Franky, doch Charles fand es manchmal ganz gut, wenn er nicht erkannt wurde.

"Ist seine Mutter also wieder aufgetaucht? Wo lebt sie jetzt?", fragte Franky.

"Weiß ich nicht, ich bin ihr nur in einem Restaurant begegnet."

"Schade drum. Aber vielleicht besser für Remy, wenn sie sich wieder vom Acker gemacht hat. Sie ist nicht der beste Umgang für ihn. Auch die meisten seiner Dads nicht. Ich habe im Studium von ihren Schriften gelesen, Professor Xavier.", er spuckte sein Kaugummi in einen Mülleimer. Wahrscheinlich erschien es ihm unhöflich.

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