40 - Pruszków 1982 - 12. August

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Eigentlich hätte Charles Zeit zum Verarbeiten der letzten Erinnerung gebraucht. Erik war allerdings weniger davon überzeugt, die letzte Erinnerung genauer zu besprechen. Charles fragte nicht weiter nach. Stattdessen wollte Erik, so schnell es ging mit Ninas Erinnerung weiter machen.

"Wir machen am besten so schnell es geht die andere Erinnerung... Wie ein Pflaster. Einfach abreißen. Dann tut es nicht so weh. Ich zeige dir allerdings eine schöne, die mir gerade einfällt.", meinte Erik: "Wundere dich nicht, die Leute werden mich Henryk nennen. Damals wurde ich noch gesucht... Du weißt es..."

"Ja, das weiß ich noch. Nicht so schlimm.", antwortete Charles.

Erstaunlicherweise war es Erik, der sich Sorgen um Charles machte, ob er wirklich bereit wäre, seine verstorbene Tochter zu sehen. Also fragte er: "Bist du dir sicher, dass du Nina kennenlernen möchtest? Verkraftest du das? Ist das nicht irgendwie seltsam? Vor allem, weil du in letzter Zeit nicht so gut damit zurechtkamst, keine eigenen Kinder zu haben."

Charles blinzelte: "Das sollte ich wohl eher dich fragen. Nina ist deine Tochter. Nicht meine."

Erik atmete aus: "Nun, nach der letzten Erinnerung, kann mich nicht mehr viel schockieren."

"Mich auch nicht...", merkte Charles an: "Aber ja... Wenn du dazu bereit bist, bin ich es auch. Nina war bestimmt großartig."

"Du hast ja keine Ahnung...", Erik sah kurz zur Seite und knetete seine Hände.

"Also... Ja oder nein...?''

"Ja, leg los.", Erik nickte und ließ Charles in die Erinnerung eintauchen.

________

Charles landete in einem kleinen ländlichen Haus, irgendwo in Polen. Es war bescheiden, aber gemütlich eingerichtet. Erik schaute gerade durch das Küchenfenster in den Innenhof.

Dort zu sehen waren Magda und ein kleines vielleicht 6 oder 7 Jahre altes Mädchen mit dunkelbraunen Haaren. Sie sah ihrer Mutter sehr ähnlich.

Nina übte gerade das Fahrradfahren. Sie war gerade wieder fast umgekippt. Erik öffnete das Küchenfenster. "Braucht ihr Hilfe?", rief er hinüber.

"Komm ruhig her, Henryk... Ich könnte eine Pause gut gebrauchen.", rief Magda zurück.

"Na dann... Schau ich mal, wie ich helfen kann.", Erik lächelte und stieß dazu.

"Wir sind leider spät dran, ihr das Fahrradfahren beizubringen... Die anderen in der Schule können es alle schon.", erklärte Magda.

Nina stieg von ihrem kleinen blauen Fahrrad ab und sah zu Erik.

"Ja, ich habe keine Lust mehr zu laufen und Oma... ähm ich meine... Babcia... Hat mir ja auch ein Fahrrad geschenkt. Dann muss ich das auch lernen. Vielleicht willst du mir helfen, Papa?", fragte Nina und strahlte ihn mit ihren dunkelblauen Augen an. Sie ähnelten eher denen von Magda, soweit Charles dies bisher beurteilen konnte. Sie war weniger Eriks Kopie als die von Magda.

"Das kann ich gerne machen, allerdings hat die Sache einen Haken. Ich kann gar nicht Fahrradfahren.", merkte Erik an.

"Wie bitte?!", kommentierte Nina entsetzt.

"Das ist doch nicht wirklich so? Jeder muss doch Fahrradfahren können. Wie hast du so lange überlebt?", auch Magda war verwirrt.

Nina lachte: "Er ist geflogen!" Sie steckte die beiden mit ihrem Gelächter an.

"Wie konnte das denn nur passieren, dass du nicht Fahrradfahren kannst?", fragte Magda, nachdem sie sich wieder gefangen hatte und nicht mehr lachen musste.

You are not alone: Even in your dreamsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt