Charles musste sich für die Zuschauerperspektive entscheiden, damit Erik ihn nicht bemerken konnte. Beeinflussen konnte er das Geschehen nicht. Das war auch gut so. Erik hatte es mitunter schon fertig gebracht Charles in seinen Gedanken zu bemerken, meistens dann, wenn er aus freien Stücken bereits selbst an ihn gedacht hatte.
Zusätzlich musste Charles versuchen den Traum mit Erinnerungen zu verknüpfen, um ein möglichst klares Bild zu erhalten. Träume konnten mit unter schließlich sehr verwirrend sein. Doch diese Verknüpfung passierte nur in Charles Geist, nicht in Eriks. Er würde also normal weiterträumen.
Wie ein Puzzle begann Charles Traumfetzen und Erinnerungen miteinander zu verbinden...
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Das erste, was Charles hörte, war die Stimme eines Jungen.
"Du bist dran, Magnus.", es war unverkennbar Eriks Stimme. Zu Charles Glück konnte er durch Eriks Englischkenntnisse die Szene vom Deutschen ins Englische übersetzen. Er musste ungefähr acht Jahre alt sein. Die beiden Jungen spielten Mühle auf einem Spielfeld, dass sie mit Stöcken auf den Gehweg gebastelt hatten. Als Spielsteine nutzten sie Knöpfe.Hinter ihnen war ein Schaufenster mit der Aufschrift: "Eisenwarengeschäft Lehnsherr" zu erkennen. Daher hatte Erik also seine Vorliebe für Metall, wie treffend. Ins Geschäft hineinsehen konnte Charles nicht, er konnte nur sehen, was Erik im aktuellen Moment sah. Das Geschäft war geschlossen.
Magnus setzte seine Steine. "Meine Eltern sind ziemlich frustriert. Kaum jemand möchte noch Bücher kaufen. Es scheint, als ob die Leute gar kein Interesse mehr am Lesen haben."
"Was soll meine Familie denn sagen..."
"Stimmt. Tut mir leid für dich, Erich. Meine Eltern sind zumindest keine Juden."
Charles spürte, dass Erik diese Aussage etwas Unbehagen bereitete. Dieser ließ die Aussage allerdings unkommentiert.
"Wie ist das eigentlich so, wenn man Jude ist? In der Schule hat man uns beigebracht, dass ihr gefährlich und geldgierig seid. Und uns die Arbeit wegnehmt. Und deutsche Mädchen schändet. Und wir wegen euch den Weltkrieg verloren haben. Was noch... Ich glaub' ich hab' alle Punkte auswendig gelernt, die uns Herr Langenhoff beigebracht hat.", Magnus stellte diese Thesen mit kindlicher Leichtigkeit auf.
"Du hast die Listigkeit vergessen.", ergänzte Erik knapp.
"Stimmt. Ich finde du bist gar nichts davon, mein Vater sagt das auch. Dass das nur Progadingens ist."
"Propaganda."
"Ja, das. Aber wenn ich eine gute Note in der Schule haben will, muss ich eben auch Rassenlehre lernen. Sonst kann ich nie Literaturwissenschaft studieren."
"Wie dein Vater meinst du."
"Ja genau. Irgendwann will ich die Buchhandlung leiten."
"Ach so. Dein Vater hat trotzdem vor einigen Jahren alle jüdische Literatur verbrannt. Sagt mein Vater."
"Musste er ja. Sonst hätten wir ja dicht machen können."
"Stimmt."
"Stimmt."
Die Jungs setzten einige Steine hin und her. Charles empfand das Gespräch erfrischend und amüsierend. Die beiden zeichneten sich durch eine kindliche Naivität aus. In diesem Stil fuhr Magnus fort.
"Aber 1933 als die Nazis die ganzen Bücher überall verbrannt haben, war ich erst 4, kann ich mich fast nicht dran erinnern."
"Ich auch nicht. Du bist wieder dran, Magnus."
"Stimmt."
Eine hektische junge Frau fuhr mit einem Fahrrad vorbei und bremste mit den Füßen statt der Handbremse vor den Jungen ab. Der Schotter verschmutzte ihre schwarzen ledernen Schnürschuhe. Sie trug roten Lippenstift, ein grünes Kleid und einen dazu passenden Hut. Sie hatte sich wie für ein Rendezvous angezogen.
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You are not alone: Even in your dreams
Fanfic☀️ Es ist Sommer 1994 auf dem veränderten Zeitstrahl. Charles Xavier und Erik Lehnsherr haben sich ihre Liebe zueinandergestanden und leben in einer gemütlichen Wohnung in Paris. Doch Erik ist in letzter Zeit von Albträumen geplagt, die auch Charles...