In New Orleans war schon lange die Sonne untergegangen. Das Diner hatte das Team mittlerweile verlassen. Durch die geschlossenen Vorhänge des Hotelzimmers schimmerte nur noch das Licht einer Straßenlaterne. Storm und Remy waren schon zu Bett gegangen. Das hatten Charles und Erik eigentlich auch getan, doch keiner von beiden konnte so richtig schlafen.
Dies lag mitunter an ganz gewöhnlichen Umständen wie an der angestauten Hitze im Hotelzimmer. Der Deckenventilator über ihnen funktionierte nicht. Erik starrte den Ventilator wütend an, als würde das etwas bringen. Ob er ihn mit seinen Fähigkeiten bewegen wollte, es aber nicht konnte? Aus Metall war er zumindest.
"Woran denkst du?", fragte Charles, obwohl er diese Frage meistens nur aus Höflichkeit stellen musste. Jedoch hatte er seine Gedanken tatsächlich nicht gelesen. Eher nicht lesen können, denn Erik hatte ohne nennenswerten Auslöser eine Art Erinnerungsverarbeitungsknoten im Gehirn.
Sein Gehirn verarbeitete gerade viel zu viele Erinnerungen gleichzeitig. Darunter waren die von früher, die von noch früher und die von ganz früher. Sie liefen sich gegenseitig den Rang ab. Wie verheddertes Garn, dass ihn in der Gegenwart handlungsunfähig machte. Selbst wenn es nur darum ging, den Ventilator zu bewegen.
Er sprang von Shaw zu Nina zum Gefängnisaufenthalt im Pentagon zu Kuba und so weiter. Eine Chronologie gab es nicht. Aber eigentlich schien er lieber über die Gegenwart nachdenken zu wollen.
Er antwortete auf Charles Frage: "Du weißt doch selbst, was ich denke. Du warst gerade dort." Er tippte sich an die Schläfen.
"Nein, da musst du dich irren. Ich halte mich manchmal zurück. Kaum zu glauben, aber wahr. Du willst nicht, dass ich, während du einschläfst oder schläfst, in deinem Geist herumschwirre. Also tue ich das nicht.", log er, weil er nicht zugeben wollte, das verhedderte Garnknäuel in seinem Gehirn nicht lösen zu können. Es wäre allerdings sinnvoll, denn beide wollten diesen Ventilator ans Laufen kriegen.
"Das hast du allerdings schon getan. Aber das ist weniger mein Problem als deins, du weißt, wie schlecht ich träume. Was du dann zu sehen bekommst, ist schon Strafe genug.", witzelte Erik in einem seltsamen Galgenhumor. Eigentlich hatte er eine humorvolle Schlagfertigkeit an sich, die Charles sonst nur von Peter Maximoff kannte.
Doch irgendwie wurde bei Erik diese Veranlagung durch seine Lebenserfahrungen behindert und artete wie jetzt in düsteren Humor aus, der nicht immer ganz so gut bei allen ankam.
"Sollte das lustig sein? Wenn ja, dann war es nicht besonders lustig. Deine Träume sind alles andere als lustig. Einmal, da war ich in einem gefliesten Raum, und auf dem Boden war alles voller Bl...", Charles wurde weniger von Erik unterbrochen als von seinen eigenen Phobien. Er versuchte, nicht mehr an diesen Traum zu denken.
"Sagte ich doch. Du bestrafst dich damit nur selbst.", erwiderte Erik sachlich. Eigentlich war Charles da anderer Meinung und sah sich eher als jemanden, der ihm helfen wollte, von den Albträume loszukommen.
"Und woran hast du nun gedacht?"
"Vieles. Meine Gedanken sind gerade ziemlich zerstreut. Ich hüpfe von einem scheiß Erlebnis zum anderen. Vielleicht hat dieser Arzt Gordenier recht, und mit mir stimmt was nicht. Es gibt nicht mal einen Grund, warum ich deprimierend sein sollte. Zumindest realisiere ich es zumindest, wenn so was passiert.", Erik streckte die Hand nach oben, drehte sie im Kreis, als wollte er eine imaginäre Glühbirne in der Luft einschrauben, aber nichts. Der Ventilator funktionierte immer noch nicht. Daraus schlussfolgerte Erik: "Ich bin so blockiert, ich kann nicht mal den Ventilator zum Funktionieren bringen." Er ließ seine Hand wieder fallen.
"Dann atme durch und sortiere deine Gedanken. Suche dir dann einen Gedankengang aus, der gerade wirklich relevant ist. Wenn das geht. Wenn nicht, darfst du auch die anderen zulassen und mir davon erzählen. Doch vielleicht erwischt du ein gegenwärtiges Problem, dass noch lösbar ist. Deine Vergangenheit kannst du nicht mehr ändern.", schlug Charles vor. Auch wenn er ihn damit wohl zur Verdrängung aufforderte.
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You are not alone: Even in your dreams
Fanfiction☀️ Es ist Sommer 1994 auf dem veränderten Zeitstrahl. Charles Xavier und Erik Lehnsherr haben sich ihre Liebe zueinandergestanden und leben in einer gemütlichen Wohnung in Paris. Doch Erik ist in letzter Zeit von Albträumen geplagt, die auch Charles...