20 - New York City 1962 - 18. September

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Charles schaffte es, eine Erinnerung zu finden, die beide gemeinsam erlebt hatten. Es war eine der wichtigsten in seinem Leben. Es war der Tag, an dem er sich endgültig in Erik verliebte und er dennoch bitter enttäuscht wurde.

Was willst du mir zeigen?, hörte er Eriks Gedanken.

Sieh einfach hin und lass mich nur manchen. Vielleicht muntert es uns beide ein bisschen auf, entgegnete Charles gedanklich.

Ich wusste nicht, dass ich traurig bin.

Das weißt du nie, Erik.

Wie du meinst.

Erik konnte die projizierte Erinnerung aus Charles Sicht erleben.

________

"Ich habe noch nie so eine große Stadt gesehen.", staunte Erik, während die beiden wie zwei Touristen durch die Straßen von Manhattan schlenderten.

Was hieß schlenderten. Eigentlich hetzten sie schon den ganzen Tag einem Taxi hinterher, um einen bestimmten Taxifahrer zu erwischen. Das Taxi wirklich am Abfahren zu hindern, wäre Erik vielleicht möglich gewesen, aber das hätte Charles ihm nicht erlaubt.

Charles war nicht das erste Mal hier. Er fand an dieser Stadt nichts Besonderes mehr. Auch an den gelben Taxis nicht, in der sich der Mutant Darwin befand, den sie heute aufspüren wollten. Es war in Manhattan schon schwierig genug, überhaupt ein Taxi zu erwischen und dann noch den richtigen Fahrer? Ein im Nachhinein irrsinniges Unterfangen.

Als Charles den Taxifahrer Darwin wieder im Umkreis spüren konnte und sie in die Richtung rannten, blieb Erik an einer Straßenecke plötzlich stehen. Charles seufzte, aber sah auch, dass ihnen das Taxi schon wieder entwischt war. Womöglich hatte es eine Fahrt in einen anderen Stadtteil angetreten. Charles wurde so langsam ungeduldig, aber Eriks nächste Aktion munterte ihn etwas auf. Wie ein kleiner Junge nämlich bestellte er ein viel zu großes Milcheis. Er aß das Eis, als hätte er noch nie eines gegessen.

"Mmm... Das Rote schmeckt am besten.", schwärmte Erik. Charles hatte noch nie jemanden gekannt, der eine Erdbeereiskugel als das Rote bezeichnete.

Ein geschmolzener Klecks tropfte auf Eriks Schuh. Er stöhnte und versuchte, den Fleck von seinen Lederstiefeln abzuwischen. Vergebens. Stattdessen platschte noch etwas mehr auf die Pflastersteine. Er wirkte wirklich wie jemand, der noch nie Eis gegessen hatte. Aber genauso frustriert wie jeder andere, dessen überteuertes Eis gerade auf den Gehweg tropfte.

"Du hast auch noch nie Eis gegessen, oder?", Charles zog eine Augenbraue hoch.

"Nein, ich bin nicht mit einem goldenen Löffel in meinem Mund geboren worden, so wie du Charles. Oder meine Eltern hielten es für nicht koscher und haben es mir vorenthalten. Ich weiß es nicht, aber es ist wirklich lecker.", erwiderte Erik, der mit einer Serviette seine schmierigen Finger zu reinigen versuchte.

Charles hingegen war etwas irritiert, warum er von einem golden spoon sprach. Vermutlich hatte er wieder irgendeine deutsche Redewendung eins zu eins übersetzt. Er konnte seinen Akzent meist so gut verbergen, dass es Charles nur in solchen Momenten wieder einfiel, dass er kein Muttersprachler war.

"Und was bedeutet das, mein Freund?", Charles sah zu, wie Erik den letzten Rest Eis hinunterschlang, bevor es zu spät war und womöglich alles geschmolzen wäre. Wie hatte er das nur so schnell vertilgen können?

"Ach so, oh. Koscher bedeutet, dass etwas im jüdischen Regelwerk rein oder erlaubt ist. Es gibt sehr viel, was beachtet werden sollte. Aber ich nehme es beim Essen nicht so genau. Aber Eis sollte dennoch in Ordnung sein, denke ich."

You are not alone: Even in your dreamsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt