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TW: Blut, Gewalt, Verstörende und grausame Inhalte


„Lyra, bitte steh auf!" Mir wurde wieder mal grausam die Decke entrissen. „Matheo... bitte." Ich lag einfach nur da, seit Tagen. Die Sommerferien hatten begonnen, doch ich bewegte mich keinen Millimeter. Der Schock saß zu tief. Mörderin... hallte es in meinem Kopf immer wieder: Mörderin deines eigenen Vaters. Was würde er nur dazu sagen!? „Lyra, bitte, ich weiß, das war alles sehr viel, aber du musst essen oder wenigstens trinken!" Er setzte sich neben mich und starrte mich flehend an. Ich hatte ihn noch nie so verzweifelt gesehen. „Bitte." Ich antwortete nicht. Ich hatte kein einziges Wort von mir gegeben, seit er gestorben war. Ich hatte verlernt zu sprechen. Ich starrte ihn leer an. „Bitte." Er wiederholte dieses Wort zu oft. Langsam brach meine Mauer. Ich wollte nicht, dass er mich so anflehte. Ich griff zu dem Teller, der da seit Sonnenaufgang stand, und biss ein Stück des Pancakes ab. Sein Gesicht erhellte sich. „Danke, ich liebe dich." Er küsste mich und ging. Er musste gehen, auch wenn ich wusste, dass er gerne noch geblieben wäre. Voldemort schickte ihn weiter auf Missionen, ebenso wie die anderen, weshalb ich hauptsächlich allein war.

Ab hier können alle, die die brutalen Stellen nicht lesen wollen, überspringen.

Wenig später klopfte es an meiner Tür und Snape trat ein. „Ms. Dumbledore, der Lord wünscht Ihre Anwesenheit bei einem Meeting!" Ich stand schwer auf und er ging wieder. Ich zog mir ein paar Klamotten an: eine blaue Kargo-Hose und einen schwarzen Pullover von Matheo. Mir war durchaus bewusst, dass das eigentlich keine Kleidung für so einen Anlass war, aber es war mir egal. Ich setzte mich an den von Todessern besetzten Tisch. „Oh Lyra, wie schön, dass du darüber hinweg bist. Ich muss schon sagen, ich bin stolz auf dich. Nicht jeder bringt es fertig, seine Eltern zu töten, aber ich habe das auch durchgemacht, also nimm dir deine Zeit und komm dann stärker als je zuvor aus dem Loch der Schuld!" Ich nickte stumm und er fuhr fort. Ich hörte weder zu noch beteiligte ich mich an irgendwelchen Gesprächen. Nach dem Treffen ging ich wieder in Matheos und mein Zimmer. Als ich eintrat, apparierte eine Person hinter mich. „Lyra!" Ich erkannte Pansys Stimme sofort und drehte mich um. Sie war blutbeschmiert. „Über Lydia musst du dir keine Sorgen mehr machen!" Sie lächelte unbeholfen. Ich sah sie fragend an. „Der Dunkle Lord hat uns aufgetragen, die Reynolds zu töten. Ihr Vater hatte anscheinend in irgendeiner Organisation gegen Voldemort einen hohen Posten, also—" Ich keuchte und unterbrach sie: „Sie ist tot!" Meine Gefühle waren zwiegespalten. Dieses Mädchen hatte mir für einige Wochen das Leben zur Hölle gemacht. Aber sie war immer noch ein Mensch. „Ich muss los, Draco hat sich etwas verletzt." „Etwas?" betonte sie, um mich nicht zu beunruhigen. Ich blickte ihr dennoch nach. „Lyra, du lebst ja noch!" Ich hörte eine spielerische Stimme hinter mir. Aus dem Gang kamen gerade Theo und Blaise, die mir versuchten, grinsende, aber dennoch besorgte Blicke zuzuwerfen. Ich winkte ihnen zu. „Matheo ist gleich auch da. Er und Lestrange bringen gerade Draco zu den Heilern!" Lestrange? Meinte er damit Howard? Blaise schien meinen Blick bemerkt zu haben, denn er antwortete: „Ja, damit meinen wir Howard. Er ist ein Lestrange, Matheos Halbbruder. Natürlich hat er auch das mal!" Theo sah mich verwundert an. „Du wusstest es nicht?" Ich schüttelte den Kopf. Blaise drückte meine Hand. „Das wird schon alles wieder!" Er lächelte und die beiden setzten ihren Weg fort zu Draco. Alle gingen auf Missionen und ich saß hier rum, allein... Ich beschloss, ihnen zu folgen. Ich war stark genug und ich wollte bei meinen Freunden sein.

In der Krankenstation angekommen, sah ich alle Slytherins, die ich meine Freunde nannte, um ein Bett stehen. Eine der Slytherins, Pansy, saß auf dem Bett und ich konnte Schluchzer hören. Auf der Matratze lag, unter einer Decke eingemümmelt, ein aschfahler, weißblonder Junge... Draco. Die ganze Decke war rot, auch wenn die Blutung aus seinen Wunden anscheinend von den Heilern gestoppt wurde. Ich rannte sofort hin und überfiel Pansy mit einer hoffentlich trostspendenden Umarmung. „Lyra!" Ich hörte Matheos Stimme. „Er ist tot!" flüsterte Pansy leise. „LYRA!" hörte ich erneut Matheos Stimme. Plötzlich schrien Blaise und Theo auf und waren von Blut bespritzt. Sie fielen um und hinter ihnen stand Voldemort. „Nicht sehr artig, um einen Freund zu trauern, wenn man eigentlich auf einer Mission sein sollte!" sagte er in seiner rauen, brüchigen und gruseligen Stimme. Sein weißes Gesicht war nun rot von ihrem Blut und wir waren alle wie erstarrt. Als Nächstes wandte er sich Pansy zu. Ich schaute mich um. Die Heiler lagen alle blutverschmiert und teilweise mit abgetrennten Körperteilen herum. Nun schrie Pansy auf. Ich schaute erschreckt zu ihr. Sie wurde plötzlich von einem Zauber Voldemorts zerfetzt. Das war verstörend mit anzusehen. Die Eingeweide quillten heraus und verwandelten sich plötzlich in Maden, die auf mich und Matheo zurasten. Er packte mich am Arm und wir liefen. Irgendwann ließ er mich los, was ein Fehler gewesen war, denn plötzlich tauchte aus dem Nichts eine Wand zwischen uns auf. Es wurde kurz totenstill, bis aus einer Ecke plötzlich ein ganzer Schwall Maden kam und nun auf mich zuraste. Voldemort schwebte in ihnen wie ein König. Er lachte und ich hatte einfach nur Angst. Mein Körper war im absoluten Fluchtmodus und ich rannte schneller als je zuvor. „LYRA!" hörte ich Matheos Stimme wie aus dem Nichts, aber ich konnte nicht antworten. Zu sehr war ich damit beschäftigt zu rennen. Ich blickte mich nicht um, mein Blick war stur nach vorne gerichtet, bis ich mich in einer Sackgasse wiederfand. Ich begann zu wimmern und tastete nach einem Hebel oder irgendwas ab. Irgendwas, mit dem ich mich wehren könnte, doch da war nichts. „Lyra, du hast dich meinen Befehlen widersetzt. Du hast Dumbledore nicht getötet!" Ich schrie, als ich Voldemorts Gesicht erblickte, einige Meter von mir entfernt. Er verwandelte seinen Zauberstab in ein scharfes Schwert. „Ich wollte schon immer mal jemanden auf diese Weise töten, hatte aber leider nie die Gelegenheit dazu." Er lachte wieder wie ein Psychopath und ich fing an zu weinen. Ich hatte Angst, so unfassbare Angst. Er holte mit dem Schwert aus und ich schloss die Augen. Ich wappnete mich für den Schmerz, der aber überraschenderweise nicht kam. Ich öffnete vorsichtig die Augen. Blut tropfte auf mich herunter. Die Klinge steckte in einer Person und die Spitze war kurz vor meinem Gesicht. Ich blickte hoch und ein Gesicht, das mir nur allzu bekannt war, blickte mir entgegen. Ich schrie, als er fiel. Ich schrie, als er auf dem Boden aufschlug und sich nicht mehr bewegte. Ich kroch zu ihm und hievte ihn auf meinen Schoß. Seine Wimpern zuckten noch leicht. Doch das helle Glitzern wich schnell aus seinen haselnussbraunen Augen. „Matheo!" kam es mir über die Lippen und ich schrie seinen Namen aus voller Kehle. „Matheo, bleib bei mir, bitte!" flehte ich ihn an. „Lyra! Es wird alles gut, du musst aufwachen!" flüsterte er seine letzten Worte und ich realisierte die Worte erst, als Voldemorts Maden schon auf mich und seinen toten Körper zurasten. Aufwachen, aber wie... Sie krabbelten über ihn und mich drüber. Ich versuchte, sie so gut wie möglich von mir runterzuhalten. „Lyra!" Seine Stimme erschreckte mich und ich vergaß die Maden für eine Sekunde, bis eine der Maden mir schmerzhaft ins Ohr krabbelte. Immer mehr folgten und ich schrie. Es waren unaushaltbare Qualen und ich schrie und schrie. „LYRA!" Ich erschreckte mich erneut vor seiner Stimme, doch die Qualen wurden zu groß und ich verlor mehr und mehr das Bewusstsein. „Ich liebe dich, Matheo!" waren die letzten Worte, die ich herausbrachte, bevor ich ins unbeschreibliche Dunkel driftete.

Out of ControlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt