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Es ist der Abend... Der Abend, an dem alles geschehen würde. Ich saß auf meinem Bett und starrte ins Leere. „Hey", Matheo trat ein und setzte sich neben mich auf mein Bett. „Alles in Ordnung?", fragte er und legte einen Arm um mich. „Ja?", antwortete ich etwas unsicher. „Du weißt, keiner zwingt dich, wir schaffen das auch ohne dich!" Er sah mir tief in die Augen, und ich nickte. „Ich weiß, aber ich komme mit. Wenn er sich wehrt, lasse ich dich nicht allein!" Ich nahm seine Hand und hielt seinem Blick stand. „Ich liebe dich, Matheo, und sollte es auch nur eine 0,01-prozentige Chance geben, dass dir etwas passiert, lasse ich dich nicht allein!" Ich ließ keine Zweifel in meinen Gedanken; ich liebte ihn und würde alles dafür tun, dass wir zusammenblieben. „Ich liebe dich auch!" Er lächelte und küsste mich sanft.

„Es geht los", Blaise stand in der Tür und unterbrach den Moment. Ich atmete tief durch und stand auf. Matheo ergriff meine Hand, und unsere Finger verschränkten sich miteinander. Wir gingen zum Raum der Wünsche, wo wir schon von Bellatrix und anderen Todessern erwartet wurden. „Matheo, mein Sohn, schön, dich wiederzusehen!", sagte sie und grinste bösartig. Matheo verspannte sich merklich, ich drückte seine Hand, und er fing an, sich wieder etwas zu entspannen. „Hallo, Mutter!", begrüßte er sie kalt. „Lyra, schön, dich mal persönlich kennenzulernen", wandte sie sich nun grinsend an mich. „Die Freude ist ganz meinerseits, Mrs. Lestrange", antwortete ich ihr förmlich und lächelte leicht. „Gehen wir?", fragte Matheo seine Mutter kalt und zog mich mit sich an die Spitze unserer kleinen Karawane.

Wir marschierten auf den Astronomieturm und wurden zum Glück von keinem Schüler gesehen; es war aber auch nach der Sperrzeit. Wir stiegen die Treppen herauf, und Pansy, Draco und Theo riefen: „Er ist da oben!" Theo nickte mir und Matheo zu. „Lyra, du bleibst hier. Ich werde es machen. Ich kann euch allen das nicht zumuten. Ich habe es schon verbockt, indem ich euch das mal machen lassen habe!", sagte er und ließ meine Hand los. „Nein, Matheo, stopp! Was, wenn er dich verletzt? Er ist stark. Wenn schon Voldemort nicht gegen ihn ankommt—" Er unterbrach mich: „Hey, hey, es wird alles gut, okay? Er wird mir nicht wehtun!" Er nahm sanft mein Gesicht in seine Hände. Ich blickte in seine wunderschönen haselnussbraunen Augen. Er gab mir einen Kuss auf die Stirn und trat zurück.

„Gehen wir?", fragte Bellatrix ungeduldig, und er nickte. Sie stiegen die Stufen herauf, und meine Anspannung stieg ins Unermessliche. Ich wollte ihnen nach, aber Theo und Draco packten mich am Arm. „Denk gar nicht erst dran!", flüsterte mir Theo zu. Ich spürte etwas in mir anschwellen, tief in meinem Inneren. „Lass mich los, verdammt, Draco!", ich versuchte, mich loszumachen. „Nein, Lyra, bleib hier! Er kann auf sich aufpassen!" „DRACO, VERDAMMT, LASS MICH LOS!", fauchte ich und riss mich los. Draco stolperte erschrocken zurück und fiel zu Boden. Ich drehte mich um und lief nun selbst die Wendeltreppe hoch. Der Blick, der sich mir bot, erschreckte mich. Ich hatte mir dieses Bild zwar mehrere Male ausgemalt, doch es war trotzdem schlimm. Mein Vater stand am Rand des Turms und hatte keinen Zauberstab mehr. Matheo stand am anderen Ende des Turms und hielt seinen Zauberstab auf meinen Vater gerichtet.

„Matheo!", ich lief zu ihm, und er sah mich erschrocken an. „Lyra, du solltest nicht hier sein!" „Ich sagte es bereits, ich lasse dich das nicht allein machen!" Ich trat an seine Seite und nahm seine Hand. Dann richtete auch ich meinen Zauberstab auf Dumbledore. „Lyra, meine Tochter, du machst deine Standpunkte gerade sehr klar. Ist dir das bewusst?", ich lachte. Er sah mich vorwurfsvoll an. „Meine Standpunkte!?", ich lachte erneut. „Es ist doch wohl klar, dass ich auf der Seite der Leute stehe, die ich liebe, anstatt dass ich zu meinem Vater stehe, der mich hasst!" Ich starrte ihn wütend an; mein ganzes Leben hatte ich damit verschwendet, zu versuchen, ihn stolz zu machen.

„Lyra, geh zurück!", Matheo sah mich eindringlich an. „Nein!", ich erwiderte seinen Blick. „Wir ziehen das durch... gemeinsam!" Seine Gesichtszüge wurden weicher. „Gut, dann machen wir das... gemeinsam!" Wir richteten unsere Aufmerksamkeit wieder auf meinen Vater, der uns nachdenklich betrachtete. „Wirst du mich jetzt töten, Tochter?", ich keuchte auf; er hatte mich noch nie Tochter genannt, immer nur bei meinem Vornamen. „Versuch gar nicht erst, sie zu besänftigen! Ich werde dich töten, sonst tötet mein Vater sie!", sagte nun Matheo, und ich erschrak; das hatte er mir nicht erzählt.

„Kinder, zur Seite mit euch!", Snape trat wie aus dem Nichts zu uns und stieß uns zur Seite. „Severus—" „Sei leise, Bellatrix!", gebot Snape ihr Einhalt. „Mr. Riddle, Ms. Dumbledore, zurück!" Wir traten zur Seite, und es wurde still. „Severus", Dumbledore sah ihn an. Einige Sekunden verstrichen. „Bitte", Snape sah ihn an. „Avada Kedavra!", er sprach es leise aus. Ein grüner Blitz leuchtete auf, und für den Bruchteil einer Sekunde hoffte ein Teil von mir, dass er nicht tot war, bis er fiel. Alles wurde dumpf; ich hörte nur noch Bellatrix' gedämpftes Lachen und einen ohrenbetäubenden Schrei. Ich lief zur Kante des Turms und schaute herab; er fiel und fiel. Bellatrix lachte immer noch, und Matheo zog mich zu ihm.

Ich fühlte mich irgendwie komisch; ich hatte wie einen Stein im Hals, und es fühlte sich an, als könnte ich nicht mehr atmen. Ich sank zu Boden. Mein Vater war tot. Ich spürte, wie ich immer mehr in Panik verfiel und mehr und mehr den Bezug zur Wirklichkeit verlor. „Lyra... Lyra, atme!", ich hörte eine dumpfe Stimme, die ich nicht so richtig zuordnen konnte, doch sie war warm, und ich fühlte mich auf Anhieb besser. „Atme!", erschallte erneut der Befehl, und ich schnappte nach Luft. „Gut, jetzt nochmal!", ich wiederholte das mehrmals, bis ich wieder ruhig atmen konnte. Meine Sicht klärte sich etwas, und durch den Tränenschleier konnte ich Matheos Gesicht sehen, der mich beschützend hielt. Snape zog uns auf die Beine. „Los, verschwinden wir hier", flüsterte er uns ruhig zu.

Out of ControlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt