Kapitel 6

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Ich stand am Morgen auf, um zum Frühstück zu gehen, aber sah Kenans Trikot, das ich gestern aus Frust auf den Boden geworfen hatte. Sofort bekam ich schlechte Laune.

Ich brauche ihn. Seit ich ihn kenne, fühlt sich jede Sekunde ohne ihn wie ein Drogenentzug an. Beim Frühstück war er nicht da, und Training stand auch nicht an. Ich entschied mich jedoch dazu, heute produktiver zu sein, und machte mich auf den Weg zum Gym, in dem die Mannschaft immer trainiert. Ich trug Gymshorts und einen Sport-BH, da meines Wissens nach heute eh niemand trainieren würde.

Zuerst begann ich mit etwas Cardio. Auf dem Crosstrainer gab ich alles. Der ganze Frust, der sich in mir angestaut hatte, sollte endlich verschwinden. Zwanzig Minuten auf dem Crosstrainer brachten nichts, also machte ich mit dem Stairmaster weiter.

Auch dort bekam ich nicht den Adrenalinschub, den ich suchte, und wechselte zu Fitness-Ropes, die ich auf und ab schwang. Endlich spürte ich etwas anderes als nur Frust – Schmerz. Meine Brust begann vom Atmen zu schmerzen, und meine Arme fühlten sich an, als ob sie gleich abfallen würden, aber es tat unglaublich gut.

Nach der Übung ließ ich mich auf den Boden fallen und verschnaufte kurz.

Meine Brust bebte auf und ab. Ich versuchte, mich auf die Musik in meinen Ohren zu konzentrieren, aber meine Gedanken schweiften immer wieder ab und landeten bei Kenan.

Ich dachte über seine Art nach, stets aufmerksam zu sein. Wie er immer genau wusste, was ich fühlte oder dachte. Wie er immer genau wusste, welche Berührungen meinen Körper in eine Endlosspirale bergab schickten.

Plötzlich spürte ich nicht mehr den Schmerz in meiner Brust und meinen Armen, sondern seine Hände auf meiner Taille und seine Lippen auf meinem Schlüsselbein. Unwillkürlich stieg meine Hand zu meinem Hals auf und berührte die Stellen, die er schon berührt hatte. Ein Lächeln kämpfte sich auf meine Lippen.

Ich kann nicht lange sauer auf ihn sein, wenn ich weiß, dass er mich nur so lange warten lässt, weil er will, dass unser erster Kuss etwas Besonderes ist. Es fühlt sich fast unverdient an, dass er sich so viel Mühe für mich gibt.

Je länger ich darüber nachdachte, desto stärker wurden meine Ängste. Die Angst, verlassen zu werden. Die Angst, nicht genug für ihn zu sein.

Ich dachte nie, dass ich eine Person mit Bindungsängsten wäre, aber eine Welle der Sorge überkam mich. Ich verspürte den Drang, mich wieder übergeben zu müssen, und rannte schnell zu den Toiletten. Dort ließ ich meinem Körper freien Lauf in der Hoffnung auf Erleichterung.

Wenn unser Date heute schlecht läuft, dann ist es vorbei. Dann wird er nie wieder meinen Hals küssen, nie wieder über meine Witze lachen. Er wird mich nicht mehr seinen Glücksbringer nennen.

Aber wenn er nicht mehr an meiner Seite ist, will ich nicht mehr atmen.

Ich muss dafür sorgen, dass es heute gut läuft, aber der Druck ist zu hoch.

Mein Fehler ist, dass ich mich wieder viel zu schnell und viel zu tief in unsere Beziehung hineingesteigert habe. Wir haben nicht mal ein Label, und ich weiß jetzt schon, dass ich ohne ihn nicht kann.

Es soll alles so bleiben, wie es ist. Die Angst, dass eine direkte Konfrontation über das, was wir sind, zu einem Ende führt, ist zu groß.

Ich glaube, ich muss heute Abend absagen, damit alles so bleibt, wie es ist.

Ich packte meine Sachen und machte mich wieder auf den Weg zum Hotel. Im Zimmer angekommen, schrieb ich ihm eine Nachricht auf Instagram, da ich seine Nummer immer noch nicht hatte.

Kenan, ich glaube, ich muss heute absagen. Tut mir leid."

Ein paar Minuten später kam schon eine Antwort.
„Wo bist du???" Ich schrieb ihm, dass ich in meinem Zimmer sei, und es dauerte keine Minute, bis er vor meiner Tür stand.

Bild von Dir - [Kenan Yildiz]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt