Kapitel 25

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Es war vorbei.

27 märchenhafte Tage, einfach vorbei. Ich wollte stark sein, für die anderen Spieler, meine Freunde, aber ich hatte selbst Schwierigkeiten, den Verlust gegen die Niederlande zu verkraften.

Seit dem zehnten Juni war ich in einer völlig anderen Welt. Familiäre und akademische Probleme waren in Vergessenheit geraten, doch ich wusste, dass mich all diese Sorgen in weniger als zwölf Stunden wieder einholen würden.

Ich sah zu Hakan Abi, der sich aus Trauer kaum die Hände vom Gesicht nehmen konnte. Auch Arda ging es nicht besser. Ein letzter Jubel mit den türkischen Fans, und schon verschwand auch er von der Spielfläche.

Cenk hatte alles gegeben, bis zur letzten Sekunde versucht, das Spiel in die Nachspielzeit zu retten – doch vergeblich. Mit einem unglücklichen Tor-Vorsprung gewannen die Niederlande das Viertelfinale, und wir mussten uns alle auf den Heimweg machen.

Ich sah Kenan in Samet Akaydıns Armen, zitternd. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, doch ich wusste, dass auch bei ihm Tränen flossen. Auch er hatte sein Bestes gegeben, aber letztlich erfolglos.

Ich machte ein paar Fotos des bedrückenden Moments, doch es erfüllte mich nicht wie sonst. Zum ersten Mal in meinem Leben wollte ich diesen metallischen Kasten nicht mehr in meiner Hand halten, aber es war mein Job. Der Grund, weshalb ich überhaupt hier auf dem Feld stand – auch wenn ich mich längst in den weitaus emotionaleren Angelegenheiten verloren hatte.

Wie mit Kenan.

Die letzten 27 Tage ließen mich glauben, dass es keine Realität gab, außer der, in der wir lebten. Wir hatten beide angenommen, dass wir als geeinte Front aus dieser EM gehen würden, aber seit 24 Stunden hatten wir kein einziges Wort mehr miteinander gewechselt.

Abgesehen von meinem Glückwunsch vor dem Spiel, den er nur mit einem verkrampften Nicken beantwortete.

Mir war in dem Moment schlecht. Wie konnte sich etwas wegen einer so belanglosen Diskussion so schnell verändern? Ich hatte es zumindest für eine belanglose gehalten. Normalerweise haben wir nie länger gestritten. Es gab ein paar Zickereien, aber sie wurden immer am selben Tag geklärt.

Ich hätte nie gedacht, dass meine Worte ihn wirklich verletzt haben könnten. Jetzt wollte ich aber auch nicht mehr auf ihn zugehen.

Unser Unterbewusstsein hatte uns immer mal wieder geflüstert, dass die Zeit nach der EM nicht dieselbe sein würde, aber wir ließen es nie zu, dass diese Stimmen die Oberhand gewannen.

Jetzt hatten sie es aber.

Ich glaube, Kenan und ich wollen beide einen klaren Schnitt machen. Auch wenn wir über einen gemeinsamen Urlaub gesprochen hatten, könnte es gut sein, dass das nur leere Worte waren.

Und wenn er jetzt nicht auf mich zukommt, denke ich, dass es so bleiben wird.

Auch wenn mir bei dem Gedanken, dass dies unser Ende ist, die inneren Organe zusammenziehen. Aber vielleicht bleibt, was in der EM passiert, auch in der EM.

Auch mir liefen schließlich die Tränen in Strömen, bis Semih plötzlich zu mir kam, um mich zu trösten. Er nahm mich in die Arme, und ich erwiderte die Umarmung dankbar.

Obwohl es zwischen uns eigentlich unangenehm hätte sein müssen, fühlte ich mich keine Sekunde unwohl bei ihm. Seine Arme waren mir vertraut.

Ich schätzte ihn trotz allem sehr als Menschen.

Als Arda an uns vorbeiging, zog Semih ihn ebenfalls in die Umarmung, und nach und nach kamen immer mehr Spieler dazu. Zuerst Ahmetcan, dann Can und Bertuğ, bis sich schließlich auch Barış, Ferdi und der Rest der Mannschaft anschlossen.

Bild von Dir - [Kenan Yildiz]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt