Kapitel 16

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Die Stimmung im Stadion war magisch. Pure Euphorie und Leidenschaft erfüllten jede Ecke, und diese Emotionen spiegelten sich auch in den Gesichtern der Fußballspieler wider, die auf dem Feld ihr Bestes gaben.

Interessanterweise verwandelte sich diese Leidenschaft sowohl bei den Tschechen als auch bei den Türken in Wut und Aggression, wodurch das Spielfeld zu einem Schlachtfeld wurde. Ich versuchte, diese Momente festzuhalten, wurde jedoch oft abgelenkt.

Und das ausgerechnet von Kenan.

Immer wenn ein Spieler eine gelbe Karte bekam und das Spiel unterbrochen wurde, nutzte er die Gelegenheit, um mir aus der Ferne zuzuzwinkern. Wie ein schüchternes Schulmädchen lächelte ich jedes Mal zurück, bevor ich mich wieder auf meine Fotos konzentrierte. Sein Lächeln motivierte mich, noch bessere Aufnahmen zu machen.

Ehrlich gesagt wusste ich nicht, wie er inmitten all der Wut beim Spiel noch die Motivation fand, zu mir herüberzusehen. Deshalb redete ich mir ein, dass ich eine beruhigende Wirkung auf ihn haben muss; anders konnte ich es mir nicht erklären.

Als er dann selbst eine gelbe Karte kassierte, musste ich laut lachen. Manche nennen es Schadenfreude, ich nenne es Unterhaltung. Es war äußerst amüsant, ihm dabei zuzusehen, wie er sich über die frechen tschechischen Spieler aufregte.

Wahrscheinlich trug auch dazu bei, dass er extrem gut aussieht, wenn er wütend ist.

In Gedanken machte ich ein Foto von diesem wütenden Kenan, auf dem man perfekt erkennen konnte, wie er sich noch versuchte zu beruhigen, aber schwer damit zu kämpfen hatte. Er knirschte mit den Zähnen und zog die Augenbrauen zusammen, als er bemerkte, dass ich ihn anstarrte.

Seine Gesichtszüge wurden weicher, und ich könnte schwören, dass ich sogar ein leichtes Grinsen erkennen konnte.

Ähnlich wie das Grinsen, das er mir heute heimlich im Bus auf dem Weg hierhin zuwarf.

Vor der Busfahrt saßen alle im Restaurant und frühstückten. Ich hatte mich allein an einen Tisch gesetzt, da ich vor Aufregung wegen des heutigen Spiels kaum schlafen konnte und somit einer der Ersten beim Frühstück war.

Gerade als ich in mein belegtes Brötchen beißen wollte, setzten sich Semih, Arda und Kenan zu mir. Die Runde fühlte sich vertraut an, genau wie die Gespräche, die wir am Tisch führten.

Während Arda gerade etwas erzählte, suchte mein Fuß Kenans Bein, der mir gegenüber saß. Unauffällig rieb ich meine unbedeckte Wade an seiner, was ihn für einen Moment erschreckte. Doch als er realisierte, dass ich es war, die mit seiner Wade spielte, grinste er mich schelmisch an.

Um es unauffällig zu halten, vermieden wir beide den Augenkontakt. Als wir uns schließlich entschieden, das Frühstück zu beenden und uns für das Spiel fertig zu machen, fühlte es sich falsch an, nicht mehr seine Haut an meiner zu spüren.

Jetzt durfte ich das endlich wieder, aber niemand sollte davon erfahren.

Das war fast so schlimm, wie gar nicht mit Kenan zusammen sein zu dürfen. Aber auch nur fast.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Kenan plötzlich neben mir stand, in einem Auswechseltrikot.

„Schon wieder ausgewechselt?", fragte ich ihn, während meine Augen auf das Spiel gerichtet blieben, um keinen Moment zu verpassen, der sich für meine Kamera eignen könnte.

„Leider. Bin eh schon kaputt und die Gefahr, eine rote Karte zu kriegen, ist bei diesem Schiri zu groß." Ich sah, wie sich sein Kiefer anspannte, was mein Herz schneller schlagen ließ.

„Was er da pfeift, ist wirklich schon zu viel, die halbe Mannschaft hat schon Gelb."

Neben mir regte sich Kenan ständig über die Tschechen und den Schiedsrichter auf, und es wurde brenzlig, als er plötzlich losging, um auf das Feld zu laufen.

Bild von Dir - [Kenan Yildiz]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt