Kapitel 18

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Lidya's POV

In diesem Moment hasste ich ihn.

Ich hatte gedacht, er wäre anders als die anderen Jungs in unserem Alter. Es war fast zu schön, um wahr zu sein. Doch jetzt sah ich, dass dieser Penner wirklich glaubt, er könne mir vorschreiben, wie ich mich zu kleiden habe. Da hat er sich gewaltig geirrt.

Wie kann ein Mensch nur so schamlos sein und mich so bloßstellen? Ich weiß, dass er es gut meinte und niemand hat es gehört, aber ich schäme mich jetzt einfach nur, in diesem Raum zu sein und mein Training fortzusetzen.

Ich hatte noch nicht einmal richtig angefangen, und schon hatte ich keine Lust mehr auf Sport. Wir hatten so einen schönen Morgen und eine unbeschreibliche Nacht gehabt, und ich hatte mich darauf gefreut, mit Kenan über sein Gespräch beim Therapeuten zu sprechen. Aber jeder Blick in sein Gesicht verdarb mir jetzt die Laune.

Leider waren wir in einem geschlossenen Raum, und ich fand keinen anderen Weg, seinen Augen zu entkommen, als das Gym zu verlassen. So musste ich wenigstens nicht mehr diesen verurteilenden Blicken standhalten. Seinen wunderschönen, traumhaften grünen Augen.

Es kotzte mich wirklich an, dass er diese eifersüchtige Seite zeigen musste. Habe ich es ein bisschen genossen, ihn so leiden zu sehen? Natürlich, ich bin schließlich auch nur ein Mädchen. Trotzdem schämte ich mich jetzt für meinen Körper.

Stimmt es, dass Semih mich angestarrt hat? Ich hätte das doch bemerkt, oder? Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich jetzt nur noch ins Gym gehen werde, wenn niemand sonst da ist.

Toll gemacht, Kenan.

Fertig mit den Nerven, griff ich nach meinem Handtuch und meiner Trinkflasche und verließ das Gym, nicht ohne Kenan einen tödlichen Blick zuzuwerfen. Er soll wissen, dass er Mist gebaut hat.

Ungeduldig tippte ich mit dem Fuß, während ich vor der Fahrstuhltür wartete. Ich betete, dass der Fahrstuhl rechtzeitig kommt, bevor Kenan die Chance hat, mich einzuholen. So, wie ich ihn kenne, ist er gerade bestimmt unterwegs zu mir. Im tiefsten Inneren wünschte ich es mir sogar, auch wenn mein Verstand mir versuchte einzureden, dass es nicht so ist.

Schließlich kam der Fahrstuhl, und Kenan war nirgendwo in Sicht. Enttäuscht trat ich ein und sah mein Spiegelbild, das mich einfach nur anekelte.

Manchmal hasste ich es, eine Frau zu sein. Wäre ich keine, hätte Kenan so etwas nicht zu mir gesagt.

Er darf mich sexualisieren, ich wünsche es mir sogar, aber der Wunsch endet dort, wo er beginnt, es auf andere zu projizieren. Ich bin kein Objekt, das sich entsprechend schützen muss. Ich bin ein Mensch mit Gefühlen, die man nicht auf mein Äußeres beschränken kann.

Gerade als sich die Fahrstuhltüren schlossen, blieben sie einen Spalt offen. Im Spiegelbild sah ich, was sie aufhielt: ein Schuh in der Tür. Mein Herz klopfte schneller vor Freude, als sich die Türen öffneten und ich Kenans beschämte Augen sah.

Besser, dass er sich schämt. Soll er ruhig.

Ich blieb zum Spiegel gedreht, als ich ihm eine Frage stellte: "Was willst du hier?" Ich versuchte, so genervt wie möglich zu klingen, obwohl mein Herz vor Freude fast aus der Brust sprang.

„Ich will mich entschuldigen. Du darfst dich kleiden, wie du willst, ich darf und werde dich nicht mehr einschränken oder anmachen deswegen."

Mein Herz beruhigte sich langsam und füllte sich mit Wärme. Da war der Kenan, den ich so mochte.

„Ich fand das wirklich nicht in Ordnung, Kenan. Mein ganzes Leben habe ich als Mädchen mit solchen Objektifizierungen zu kämpfen, vor allem in einer von Männern dominierten Fußballwelt. Ich versuche nur, heil da rauszukommen, und dann muss ich mir nicht auch noch von dir anhören, dass ich meinen Körper verstecken soll."

Bild von Dir - [Kenan Yildiz]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt