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Linus

Ich schlief nicht jede Nacht im Krankenhaus. Erstens um die Pfleger nicht zu nerven und zweitens, weil es Mom und Steve sonst bestimmt auffallen würde. Sie wussten sowieso nicht, dass ich da übernachte.
Durch einen lauten Alarm wurde ich aus dem Schlaf geweckt. Erschrocken setzte ich mich aufrecht hin.
"Keine Sorge.", sagte Mariam. "Das ist nur der Alarm, der uns sagt, dass ein Rettungswagen unterwegs ist."
"Ganz schön laut.", murmelte ich.
"Das ist Sinn der Sache."
Ich schaute auf die Uhr und sah, dass ich schon wieder 12 Stunden geschlafen habe.
"Bist du schon wieder oder immer noch hier?", fragte ich sie.
"Schon wieder. Man könnte fast meinen ich lebe hier oder?"
"Ein wenig."
Sie lachte und stöpselte etwas an Marlon um.
"Hey, ich hab gleich Pause und wir haben warmen Kakao im Pausenraum. Willst du auch einen? Und du darfst nicht ablehnen."
"Dann gerne."
Sie holte uns zwei Tassen dampfenden Kakao und setzte sich neben mich.
"Machst du das öfters mit den Angehörigen von deinen Patienten?"
"Nein, aber der Fall von deinem Freund und dir nimmt mich mehr mit als es sollte. Ich versuche einfach nur alles so gut es geht zu machen."
"Das gelingt dir wirklich gut. Du machst den Job gerne oder? Das merkt man."
"Ja, ich liebe ihn. Auch wenn er anstrengend ist."
"Hast du öfters solche Fälle die dich nicht loslassen?"
"Nicht oft, aber manchmal hat man sowas, ja. Alle Kollegen haben sowas."
Ich unterhielt mich wirklich gut mit Mariam, zumindest solange bis sie zu einer Reanimation gerufen wurde.
Ich nahm die beiden leeren Tassen und stellte sie auf einen Teewagen der dafür vorgesehen war. Auf dem Weg zurück zu Marlon, sah ich in eines der anderen Zimmer und sah ein mir bekanntes Gesicht. Dort auf der Bettkante, saß Greta und lächelte mir zu.
"Hallo, Linus. Wie geht es dir?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Wie geht es dir?"
"Den Umständen entsprechend gut. Ich hatte eine Lungenembolie. Aber es geht bergauf. Ich freue mich schon, wenn ich bald meinen Mann wiedersehen darf."
"So Frau Haas, dann wollen wir sie mal zum Röntgen fahren.", sprach der Pfleger. 
Ich verabschiedete mich von ihr und lief zurück in Marlons Zimmer.

(...)

18.10
Diesen Tag werde ich so schnell wohl nicht wieder vergessen. Es war ein entschiedenes Datum. Und als Steve mir die Nachricht überbrachte, kamen mir unwillkürlich die Tränen. Vor ihm versteckte ich diese, doch als ich allein war konnte ich durchatmen und den Tränen freien Lauf lassen.
18.10
Der Tag an dem Marlon wieder aufwachte.
Als ich ihn das erste Mal sah, war ich mehr als erleichtert. Bisher wusste man noch nicht wie viel Schaden das Koma und das Hirnödem angerichtet haben. Doch als er mich sah, fing er an zu Lächeln. Das klappte also schon mal wieder.
Etwas, was er bisher noch nicht konnte, war seinen rechten Arm bewegen. Doch der Arzt sagte, dass dieser Arm nicht gelähmt war und mit viel Physiotherapie würde dieser auch seine Kraft zurückerlangen. 
Der Arzt sollte recht behalten, denn Marlon schaffte es von Tag zu Tag mehr den Arm zu bewegen. Er hatte wirklich Glück, denn gelähmt war gar nichts. Das einzige was er nicht schaffte, ist die Hand zuzudrücken. Bisher wusste auch niemand ob er das je wieder können wird. Aber wenn das der einzige bleibende Schaden sein würde, war das mehr als okay.
"Ich mag das nicht mehr...", murmelte Marlon und schaute seine Suppe an.
Das Schlucken musste er auch erst wieder lernen, da er solange nichts festes mehr gegessen hatte.
Als er das erste Mal mit mir geredet hatte, fiel mir ein weiterer Stein vom Herzen. 
"Willst du eine Pommes?", fragte ich ihn.
"Ja..."
"Pech."
Mariam kam lachend ins Zimmer. "Sei nicht so gemein. Er kann sich ja gar nicht wehren."
"Noch nicht.", meinte Marlon und schaute mich mit einem dunklen Blick dran.
Wow, den hatte er wohl nie verlernt. Ich schluckte schwer und schaute kurz runter.
Marlon beobachtete mich nur grinsend.
Auch Steve, Luise und Mom kamen nun zu Besuch, gerade rechtzeitig mit dem Arzt.
"Also Marlon, du machst super Fortschritte. Die Therapeuten sind mehr als zufrieden mit dir. Wir wollen heute nochmal ein CT vom Kopf machen um zu sehen, dass die Schwellung weiterhin rückläufig ist. Und wenn dem so ist, können wir dich bald auf die Normalstation verlegen."
"Kann ich nicht nach Hause?", fragte er.
"Nein.", lachte der Arzt. "Das wird noch ein wenig dauern. Aber wenn du weiter so machst, wirst du schnell nach Hause kommen."
Der Arzt hatte erwähnt, dass er so schnell wieder auf die Beine gekommen ist, weil er sportlich war. Somit fiel Marlon auch das Laufen nicht schwer. Es war natürlich immer noch etwas anstrengend aber er konnte mittlerweile über die ganze Station laufen.
Greta hatte ich in den letzten Tagen nicht mehr gesehen. Aber ich hoffte, dass es ihr genauso gut ging wie Marlon und dass sie ihren Mann bald wieder besuchen konnte.

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