Wir müssen reden

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Mathias

Bald fängt die Saison an. Dann haben wir das erste Heimspiel. Die Zeit ging wirklich schnell vorbei. Auch Dank Jan. Sie ist echt ein super Kumpel. Sie hat es voll akzeptiert, dass wir nicht über meine „Arbeit" reden. Sie verbessert immer mein Deutsch, aber nicht arrogant oder besserwisserisch. Ansonsten kann ich mit ihr echt über alles reden. Ich fühle mich einfach wohl in ihrer Nähe. Wir haben sogar über unsere Beziehungen oder Nicht-Mehr-Beziehungen gesprochen. Sie versucht nicht, mir schlaue Tipps zu geben. Sie lässt mir Raum, sie engt mich nicht ein, aber sie ist einfühlsam und vertritt immer ihre eigene Meinung. Und wie ihre Augen glänzen, wenn sie von Handball redet. Und gestern? Das habe ich noch nicht ganz verstanden. Da war auf einmal eine kribblige Spannung zwischen uns. Gut, wir waren uns auch noch nie so nahe. Ich hätte sie so gerne noch Stunden in meinen Armen gehalten. Das hat sich so gut angefühlt. Aber wir sind doch nur Freunde.... Manchmal frage ich mich allerdings schon, wie ihre Lippen wohl schmecken.....

Jan
„Jan.... Wir müssen mal reden!" „Aber tun wir das nicht immer?" lachte ich. Er druckst herum. „Was ist los Mathias?" „Ich habe Bitte." „Na dann raus damit" sagte ich. „Habe nächsten Sonntag wichtiges Termin". „OK - Du hast am nächsten Sonntag einen wichtigen Termin." „Ja und Mette kann nicht sein da" Blöde Kuh - habe ich nur gedacht. „Kannst Du kommen?" „Soll ich Deine Freundin spielen oder was?" flachste ich. „Nee - Du sollst sein da als Freund, wäre nur mich wichtig" „Also, es wäre nur für Dich persönlich wichtig?" „Ja" „OK-kein Problem, wann und wo?" Er schaute mich mit so einem richtigen Dackel-Hunde-Blick an.... Irgendwie das lebende schlechte Gewissen... Und dann sprudelte es nur so aus ihm raus: „Haben erstes Saisonspiel gegen Stuttgart, ist erstes Spiel für mich in Füchse Berlin, will machen gutes Spiel und Bestes geben und mag gerne haben Freund für Unterstützung". Was????????

„Moment.... Das ich das richtig verstehe... Du spielst Handball bei den Füchsen Berlin?" Er nickte. „Als Profi?" Wieder nicken. „Ich muss gehen Mathias" „Warte" und dann griff er nach meiner Hand und hielt mich fest. Ich atmete ganz flach und fühlte mich total verwirrt, erschöpft, bekomme kaum Luft. „Nein - lass mich... ich muss gehen" und riss meine Hand los und lief einfach los....

Und lief und lief und lief.... Zu Hause angekommen, wechseln sich Tränen und Wut ab. Was ist das für eine Nummer.... Er weiß, dass ich Handball liebe... er weiß, wieviel mir das bedeutet.... Er ist mein Freund und hat mich so belogen.... Ok nicht belogen, aber auch nie nur ein Wort darüber verloren....was spielt er für ein mieses Spiel... er hat mich die ganze Zeit wohl ausgelacht.... Hah... Amateur Handball.... Er ist ja ein Star....

Ich googlte mal eine Runde: Mathias Gidsel, blablabla, Neuzugang bei den Füchsen blablabla, dänischer Nationalspieler..... Ja - er ist ein Star. Und ich bin ein so dummes Mädchen....

Ich schaue nie im Fernsehen Handball außer mal die Deutsche Nationalmannschaft. Bundesliga Herren - warum sollte ich das schauen? Habe ich auch gar keine Zeit dafür. Und schließlich sind das ja unerreichbare Profis. Klar, man spricht mal darüber, wer denn so aktuell attraktiv ist- aber das tut man mit Freundinnen. Und die habe ich seit einem halben Jahr ja nicht mehr. Was abschauen? Nee - ich mache das zum Spaß und nicht beruflich. Wenn man nur trainiert, hat man ja ganz andere Möglichkeiten. Für mich war Handball immer eine Flucht in eine andere Welt.

Tatsächlich eine Welt, in der ich mein Selbstbewusstsein gefunden hatte. Als ich mit 14 anfing, war ich noch 15 cm kleiner und trug eine Brille. Mit 16 hatte ich dann meine stolze Größe von 1,76m erreicht, mit derselben KG-Zahl und trug Kontaktlinsen - meine Mutter war einfach entnervt, weil die Brille so oft kaputtging. Ja - im Nachgang betrachtet war das schon ein bisschen eine Entlein-Schwan-Geschichte. Da ich von Anfang an ein gewisses Händchen für den Ball hatte, war auch da die Entwicklung rasant. Erstmal Außen (da werden ja immer die Neuen hingeschoben), dann Rückraum (schließlich wurde ich lang und länger) und schließlich Mitte Rückraum - ich hatte das Spiel so schnell verstanden, konnte es lesen. Ich treffe gute Entscheidungen und für mich ist das ganze einfach ein Tanz. Ich liebe es, wie es als Team funktioniert. Jeder kann seine Stärken einbringen, die einen sind schnell, die anderen wurfgewaltig, die nächsten spielen den Ball schnell und - ganz wichtig - die Torfrau, die keine Angst hat und dem Team meistens den Arsch rettet. Ja - ich liebe diesen Tanz von ganzem Herzen und möchte nicht ohne sein.

Also - Tränen getrocknet, Wut nehme ich mit ins Training - da kann ich mich auspowern. Ich war ja die letzte Woche schon zweimal da und eigentlich wollte ich Mathias heute von meinem Fortschritt erzählen. Mathias..... SCHEISSE!

Handball im Herzen (Mathias Gidsel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt