„Hey, nächste Woche ich kann nicht Zeit haben. Bin weg mit Arbeit." „Eine Dienstreise?" „Ja genau. Wenn ich wieder bin zurück, ich melde mich ja?" „Freue mich." „Wann Du gehst für Probetraining?" „Ich weiß nicht, ist wohl noch zu früh." „Nein, Du läufst gut, musst nicht haben Angst. Angst ist schlecht." Er hatte ja recht und ich weiß, dass ich langsam wieder anfangen musste. „Du schaffst das, Jan! Du kannst alles schaffen!" Ja – ich weiß, dass ich das schaffen kann, aber es tut auch gut, das zu hören. Und wenn er nächste Woche wirklich nicht da ist, dann werde ich mal bei einem Verein reinschnuppern. Es wird wirklich Zeit, die Saison startet bald. Ich habe keine Vorbereitung mitgemacht und da wird es sowieso schon schwer in eine Mannschaft reinzukommen. Aber fit bin ich, auch dank der vielen Laufeinheiten.
Und gesagt getan, ab in die Halle. Es wird ja auch mal Zeit, noch mehr Freunde zu finden. Das Probetraining läuft soweit gut. Die Mädels sind ganz nett und die meisten würden sich freuen, eine neue Spielerin dazu zu bekommen. Und der Trainer – Michael – wirkt zwar etwas brummbärig, aber wenn man sich mit ihm unterhält, relativiert sich das schnell.
Naja – in den unteren Spielklassen gibt es nicht soviel Rivalität. Da ist man eigentlich schon dankbar für jede weitere Spielerin. Je höher man spielt, desto mehr geht es auch um Spielanteile. Hier sehe ich eine gesunde Mischung, es scheint wenig Rumgezicke zu geben und es ist wohl auch von der Spielstärke ok für mich. Im Moment spiele ich einfach erstmal im Rückraum. Punkt. Ich sehe mich zwar als Spielmacherin, aber da gibt es schon eine wirklich gute Spielerin – Sina. Am sympathischsten ist mir die Torfrau – Kati. Die ist schon echt cool drauf. Immer einen Spruch auf den Lippen und Reflexe zum Niederknien.
Ich freute mich schon, Mathias von meinem Start und meiner neuen Mannschaft zu erzählen.
Als wir uns trafen, beschäftigte ich mich dann aber erstmal mit anderen Dingen.... Er kam mit einer Schramme unter dem Auge, einem dicken Ellenbogen und weiß der Teufel, was noch für Verletzungen, an – gut gelaunt wie immer.
„Hey Jan" „Mathias! Was hast Du denn da gemacht? Du siehst ja schlimm aus!" „Bin gefallen auf Arbeit" „Du bist bei der Arbeit gestürzt?" „Ja – ist gar nicht so schlimm...." „Von wegen, dass sind ausgewachsene Blutergüsse, die Du da hast. Warst Du beim Arzt?" „Ja – nichts kaputt. Geht schon." „Von wegen geht schon.... da machen wir heute aber mal ganz was anderes.... Wir gehen zu mir und ich schaue mal, was ich für Dich tun kann."
Meine kleine, aber feine Zweizimmerwohnung ist ganz in der Nähe. Ich setzte ihn erstmal in das Wohnzimmer, versorgte ihn mit etwas zu trinken und ging dann ins Badezimmer, um nach den passenden Mittelchen zu suchen. Sportsalbe für die Prellung und Ringelblumensalbe für die Schramme. Als ich zurückkam, sah ich, dass er mein Spielbuch in den Händen hielt. Ich notiere mir immer die Spielzüge auf, die neu für mich sind. Dann kann ich mir das besser einprägen und weil ich ja auch immer auf verschiedenen Positionen spiele und meistens nur Zeit ist, auf einer Position zu trainieren, hatte ich mir das so angewöhnt. „Ich gesehen und neugierig – ist ok, wenn ich anschaue?" fragte er. „Kannst Du mir erklären?" „Ja – kein Problem, aber jetzt kümmern wir uns erstmal um Dich!" Typischer Fall von Helfersyndrom. Ohne weiteres Nachdenken setzte ich mich neben ihn und fing an, seinen Ellbogen einzureiben und sanft zu massieren. „Das tut vielleicht ein bisschen weh, aber es ist gut, gegen den Bluterguss, das ein bisschen einzumassieren." „Tut nicht weh" kam von ihm zurück. „So – und hier: das hilft der Haut besser zu heilen" sagte ich und lehnte mich noch ein bisschen mehr zu ihm, um die Schramme unter dem Auge zu verarzten. „Halt still, das darf nicht ins Auge kommen" Vorsichtig trug ich die Salbe auf und merkte da auf einmal, wie nahe ich ihm war. Und da setzte dann auch sofort Herzklopfen ein und ich stellte das Denken ein. Ich hatte das Gefühl, die Zeit bleibt stehen. Ich spürte jeden Zentimeter, an dem sich unsere Körper berührten und das fühlte sich viel zu gut an. Aus dem Einschmieren war mittlerweile eher ein Streicheln geworden. Was mache ich hier? Ich wollte meine Hand zurückziehen, aber da hielt er sie einfach fest und lehnte seinen Kopf dagegen. Eine gefühlte Ewigkeit saßen wir einfach nur da. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt geatmet habe.
„Danke" murmelte er leise und ich erwachte aus meinen Traum. Fast schon hektisch stand ich auf „Magst Du noch was trinken? Kaffee vielleicht?" und ging erstmal in die Küche. Atmen Jan, atmen..... ganz ruhig – nix passiert. Ich hatte ja gar nicht seine Antwort abgewartet, also drehte ich mich wieder um, um prompt in Mathias reinzurennen, der mir gefolgt war. „Jan – alles ok?" Er hielt mich einfach nur in seinen Armen und strich mir beruhigend über den Rücken. Na – er hielt es wohl für beruhigend. In mir löste das fast einen Flächenbrand aus. „Können wir... kannst Du.... mich bitte loslassen?" flüsterte ich. „Das ist nicht richtig..."Er schaute mich an, als würde er mich das erste Mal sehen. „Was passiert?" „Nichts, gar nichts, aber das muss auch so bleiben....". Immer noch hielt er mich fest, gab mich dann aber frei... Nun war es an ihm einmal tief durchzuatmen „Ich nehme Kaffee ja.... Und bin wieder auf Sofa" und ging wieder ins Wohnzimmer. Mit zittrigen Händen machte ich mich erstmal an die Kaffeezubereitung und versuchte, meine Gedanken zu sortieren. Was war da eben passiert? Eigentlich doch gar nichts. Ich musste doch nur wieder Abstand gewinnen.... Ein Thema – ich brauchte jetzt ganz schnell ein Thema, um abzulenken. Auf sicherem Gebiet.... natürlich: Handball!
Also plapperte ich im Wohnzimmer wieder angekommen los.... Über mein Probetraining und die Mädels und den Trainer... einfach nur wahrscheinlich völlig unzusammenhängendes Zeug. Immerhin schaffte ich es wieder, ihn zum Lachen zu bringen und die Spannung rauszunehmen. Aber ich hatte die Rechnung ohne Mathias gemacht. Als ich ihn verabschiedete und ihm noch die Ringelblumensalbe in die Hand gedrückt hatte, drehte er sich an der Tür nochmal um. „Jan.... komm her...." Er nahm mich wieder in den Arm, drückte mir einen Kuss auf die Stirn und flüsterte „Wir sind doch noch Freunde, richtig?"
„Ja .... Ja natürlich" „So wir sehen morgen?" „Ja...... Ja natürlich" Dann ging er und ich weiß nicht, ob er noch hörte, wie mein Herz in 1000 Scherben zersprang.
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Handball im Herzen (Mathias Gidsel)
Fiksi PenggemarHandball ist der schönste Sport der Welt. Aber wenn Amateure auf Profis treffen, dann unterscheiden sich die Wahrnehmungen, oder??? Jaenelle sucht Freunde in Berlin, wer sich da so findet, könnt Ihr hier Lesen.... Und können Männer und Frauen eigen...