Die andere Seite

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Mathias:

Ich freute mich schon auf zu Hause. Ich hatte wirklich Bedenken, das ich nicht wieder rechtzeitig zur WM gesund werden würde. Ich war die letzten Wochen wirklich nicht gut drauf gewesen. Ich war so froh, Jan zu haben, auch wenn sie eher als Blitzableiter hatte fungieren müssen. Ihre Idee, mich nach Hause zu schicken, war wirklich gut. Ich war ja lange nicht mehr hier gewesen und es war eine willkommene Abwechslung. Am Freitag hatte ich dann noch einen Termin, bei der Stiftung, für die ich Botschafter war. Ich war sehr erstaunt, Mette anzutreffen. Aber auf der anderen Seite, kein Wunder. Wir hatten das ja zusammen damals initiiert. Und zu meiner Überraschung war sie total nett. Und auch nicht übertrieben oder so. Einfach nur.... Ganz normal. Klar gab es auch ein paar Pressefotos mit ihr, aber sie machte keine Sperenzchen. Und als sie dann den Vorschlag machte, noch einen Kaffee trinken zu gehen, sah ich auch keinen Grund, ihr das abzuschlagen, zumal noch zwei andere Kollegen mitkamen. Am frühen Abend kam ich dann bei meinen Eltern an. Und es tat gut, nach Hause zu kommen.

Freitagabend wollte ich dann noch mit Jan telefonieren, aber ich fand mein Handy nicht. Komisch, ich war mir ganz sicher, dass ich es am Vormittag noch hatte.

Am Samstag versuchte ich dann noch bei der Stiftung jemanden zu erreichen, um nachzufragen, ob ich vielleicht dort mein Handy hatte liegenlassen. Bis ich endlich jemanden erreichte, war es wieder Nachmittag. Aber dort fand es sich auch nicht. Gut... dann kaufe ich eben ein Neues. Aber das geht eben erst am Montag. Bestimmt machte Jan sich Sorgen. Das war nun aber das Letzte, was ich wollte. Aber ihre Nummer kannte ich nicht auswendig. Ich hatte gar keine der verfluchten Nummern im Kopf! Meine Eltern lachten mich aus. So geht das mit der modernen Technik. Wehe, wenn sie mal ausfällt. Zumindest konnte ich dann Lasse noch eine E-Mail schreiben und auch wenn ich wusste, dass er da nicht so häufig reinschaut, schrieb ich ihm schon einmal, dass ich eben telefonisch nicht zu erreichen bin. Von Jan hatte ich gar keine E-Mail-Adresse. Warum auch... wir schrieben uns ja nie Mails. Ich bat Lasse, mir seine Handy-Nummer zu schicken.... Und auch die von Jan. Voll peinlich.... Zumindest antwortete er mir schon am Sonntagabend.

Am Montag kaufte ich mir dann ein neues Handy und verbrachte den ganzen Tag mit der Neueinrichtung – mit einer Hand. Ich versuchte sofort Jan anzurufen, aber sie ging nicht ans Telefon. Aber ich wusste, dass sie nicht unbedingt auf „Unbekannte Nummer" reagiert. Außerdem war sie ja zur Arbeit in München und hatte da wahrscheinlich auch Stress. Also telefonierte ich am Abend erstmal mit Lasse.

„Hej Lasse." „Hej Mathias, na, hast Du endlich ein neues Telefon?" „Ach hör auf.... Das war ganz schön mühsam, alles wieder einzurichten. Und ich habe einen Haufen Telefonnummern verloren!" „Was hast Du denn eigentlich mit Deinem Handy angestellt?" „Keine Ahnung, muss ich wohl am Freitag verloren haben!" „Also das schaffst ja wohl auch nur Du.... bist unterwegs und verlierst Dein Handy. Was hast Du denn am Freitag gemacht?" „Pressetermin mit der Stiftung. Lasse, kann ich Dich um einen Gefallen bitten?" „Na klar, was soll ich denn machen?" „Kannst Du Jan schreiben und ihr meine neue Nummer geben? Ich weiß, dass sie auf eine unbekannte Nummer eher nicht reagiert." „Ist nicht Dein Ernst... ich muss jetzt als Vermittler herhalten?" lachte er mich aus. „Stell Dir vor, Du würdest Dein Handy verlieren.... Wie viele Nummern wüsstest Du dann auswendig?" fragte ich. Kurzes Schweigen. „Ich schicke ihr gleich eine Message mit Deiner neuen Nummer!" „Danke Lasse." „Kein Problem.... Sie macht sich bestimmt schon Sorgen." „Wahrscheinlich ist sie so im Stress, dass es ihr gar nicht aufgefallen ist. Sie ist doch von der Arbeit aus in München diese Woche." „Stimmt, Nanna hat da was erzählt. Und wie geht es Dir sonst so? Ist es gut, zu Hause zu sein?" „Ich bin ganz froh, ein bisschen rauszukommen. Und Du weißt ja, niemand kocht so gut wie meine Mutter." „Dann pass nur auf, dass Du nicht kugelrund wirst!" „Nee, bestimmt nicht... ich habe ja meinen Trainingsplan. Aber ich vermisse Jan.... sehr." „Und das ist auch gut so.... sonst würdest Du bestimmt nicht wieder nach Berlin zurückwollen." „Ach weißt Du, ich fühle mich echt wohl in Berlin... und mit Jan noch viel mehr. Vielleicht sollte ich schon mal über eine Vertragsverlängerung nachdenken." „Oh – ernsthaft? Aber wenn Du bis nach der WM wartest, kriegst Du bestimmt noch einen besseren Vertrag." „Mal sehen, wie gesagt, ich denke im Moment erstmal nur darüber nach." „Ich kenne da jemanden, der sich sicherlich sehr freuen würde! Und ich meine nicht Bob!" „Ja... das denke ich auch! Aber ist ja erstmal nur so ein Gedanke." „Na dann, sag' Deinen Eltern schöne Grüße und wir hören uns, ja?" „Mach's gut Lasse... und Danke."

Am Dienstagabend rief Lasse schon wieder an. „Hej Mathias" „Lasse, was gibt's?" „Hat Jan sich gemeldet?" „Nein, noch nicht, warum?" „Sie hat meine Nachricht nicht gelesen." „Hhm.... Vielleicht hat sie wirklich viel Stress." „Habt Ihr Euch gestritten?" „Nein! Nein gar nicht.... wir haben uns am Donnerstagabend ganz normal verabschiedet!" „Irgendwas passt da nicht.... warum liest sie meine Nachricht nicht?" „Keine Ahnung.... Da ist doch hoffentlich nichts passiert!" „Vielleicht können wir mal bei Kati nachfragen...." „Ich habe keine Nummer von Kati, alles weg.... Hast Du die?" „Nein...." „Mist!" „Ich schau' mal, ob ich die rausfinden kann...." „Micha...." „Micha?" „Ja, ihr Trainer....da gibt es doch bestimmt Kontaktdaten auf der Seite vom Verein." „Gute Idee." „Ich sag' Bescheid, sobald ich was weiß!" „Mach das Mathias!"

Und der Plan funktionierte tatsächlich. Ich fand die Nummer von Micha und erreichte ihn am Mittwoch. Er gab mir die Nummer von Kati und ich konnte dann am Abend Kati erreichen.

„Hej Kati, hier ist Mathias!" „Mathias.... mit unbekannter Nummer! Was ist denn bei Dir los?" „Habe verloren mein Telefon und kann nicht erreichen Jan!" „Hhm.... Auf Unbekannt reagiert sie wahrscheinlich nicht." „Aber hat Lasse ihr Nachricht geschickt mit meine neue Nummer. Sie hat aber nicht gelesen." „Oh.... Wahrscheinlich hat sie viel Stress. Mir hat sie die ganze Zeit auch nicht geschrieben. Oder habt Ihr Euch gestritten?" „Nein!!!! Lasse auch schon gefragt.... Wir nicht haben gestritten!" „OK OK..... mal langsam.... Vielleicht hat sie auch vergessen, ihr Handy aufzuladen oder es ist kaputt gegangen!" „Mache mir Sorgen, Kati... sehr!" „Also ich bin ziemlich sicher, wenn was passiert wäre, hätte sie sich gemeldet." „Vielleicht ich sollte schon zurückfliegen morgen!" „Du, da kannst Du aber im Moment nichts machen! Sie ist doch noch bis Samstag in München!" „So... ich komme vielleicht zurück schon Samstag!" „Lass mal gut sein... Ich weiß nicht, wann sie am Samstagabend kommt...eher spät. Aber wir spielen ja am Sonntag. Da sehe ich sie bestimmt. Und wenn ich vorher was von ihr höre, sage ich Dir Bescheid, ja?" „Ich kein gutes Gefühl Kati!" „Ach... mach' Dir mal keinen Kopf... es geht ihr bestimmt gut und sie ist nur gestresst!" „Hoffe, Du hast recht!" „Also Jan sagt, ich hätte immer Recht!" „So, ich werde zurückkommen an Sonntag!" „Aber Du wolltest doch noch länger zu Hause bleiben! Mach das mal.... Ist ja auch für Deine Erholung!" „Ja.... eigentlich zurück erst nächsten Freitag." „Also mal langsam mit den Pferden... Ich melde mich am Sonntag und Du erholst Dich mal schön zu Hause.... Ja?" „Wenn Du meinst...." „Ey Alter, das passt schon! Ich ruf' Dich an!"

Ich sagte auch noch Lasse Bescheid, der Kati beipflichtete. Es würde keinen Sinn machen, sofort zurückzufliegen.

Aber so richtig entspannt war ich nicht. Mir fehlte Jan, mir fehlten unsere Wortspielereien. Mir fehlte es, sie neben mir zu spüren. Wenn sie bei mir ist, will ich ihr immer so nahe sein, wie eben nur möglich. Ich liebe es, wenn ihre Augen strahlen. Ich liebe es, mit ihr zu schlafen und sie anschließend im Arm zu halten. Sie gibt mir so unendlich viel. Sie ist die erste Frau in meinem Leben, bei der ich mich richtig fallen lassen kann und sogar manchmal die Kontrolle verliere. Ich wollte so gerne mit ihr sprechen und ihre Stimme hören.

Mir blieb aber nichts weiter übrig, als abzuwarten und das fiel mir schon schwer genug. Und dann erwischte mich Kati's Anruf am Sonntag eiskalt.

„Was bist Du doch für ein mieser Dreckskerl Mathias!" „Kati????" „Wie kannst Du ihr das nur antun! Sie ist total am Boden zerstört!" „Kati.... Was denn los?" „Ach – jetzt tu doch nicht so..... Aber was soll man auch anderes erwarten von Euch Scheiß Männern!" „Kati... kannst Du bitte mal erklären?" „Also von Dir hätte ich besseres erwartet!" „KATI... verdammt.... Was los?" „Du machst einfach so Schluss mit ihr.... Und dann noch wegen Mette. Am liebsten würde ich Dir den Hals rumdrehen!" „Aber...." „Was für eine miese Nummer!" „Ich habe nichts getan Kati!" „Was?????" „Habe NICHT Schluss gemacht.... Wie kommst Du auf Idee?" „Jan..... sie hat gesagt.... Sie sieht aus wie der Tod und wollte nicht reden.... Nur das Du Schluss gemacht hast und wieder mit Mette zusammen bist!" „Aber das nicht wahr! Das nicht passiert!" „Aber das erfindet sie doch nicht einfach!" „Ich weiß nicht, was ist passiert Kati! Aber... brauche Deine Hilfe! Du kannst gehen zu Jan?" „Du hast nicht Schluss gemacht?" „NEIN.... nein, ganz bestimmt nicht!" „Scheiße nochmal...." „Kati... Du kannst gehen zu Jan? Heute noch?" „Ja... ja na klar! Ich mache mich gleich auf den Weg!" „Kannst Du machen, sie mich anruft, bitte!" „Ich melde mich!" „Und ich buche Flug für morgen zurück!"

Aber Kati musste mir dann sagen, dass Jan ihr die Türnicht geöffnet hatte. Und ich flog dann mit großer Sorge am Montag zurück nachBerlin. 

Handball im Herzen (Mathias Gidsel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt