Mannschaftssitzung

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Das Training am Dienstag war nicht leicht. Mit meinem immer noch dicken Handgelenk, das sich so langsam von dunkellila in grün verfärbte, tat jeder gefangene Ball noch weh. Außerdem hatte ich tatsächlich ein bisschen Angst vor der Mannschaftssitzung. Es könnte ja auch sein, dass mir keiner glaubte und ich am Ende des Tages nicht mehr hier spielen würde. Obwohl ich ja zumindest mit Kati und Niko schon 2 hinter mir hatte. Aber ob Niko auch vor allen dazu stehen würde? Bei Kati war ich mir sicher.

Micha eröffnete: „Jan hat um diese Mannschaftssitzung gebeten. Und ich finde, es ist auch notwendig. Wir haben gerade die Saison angefangen. Wir sind auf einem guten Weg, aber mit der Unruhe, die gerade herrscht, kommen wir sicherlich nicht vorwärts. Also Jan – Du hast das Wort."

„Wie Ihr vielleicht alle mitbekommen habt, bin ich mit Mathias Gidsel zusammen. Es geht das Gerücht rum, dass ich auch mit anderen Spielern – Lasse und Hans – was hätte. Das ist bösartig, gemein und einfach nicht wahr. Ich bin mit den Zweien und ihren Frauen einfach nur gut befreundet. Es gibt Bilder, die rumgezeigt wurden, die mich in angeblich verfänglichen Situationen mit ihnen zeigen. Das ist aber eine reine Frage der Interpretation. Also nochmal, ich bin mit Mathias zusammen und kein ‚Füchse-Flittchen'. Und ich möchte nicht, das sowas weiter rumerzählt wird." Stille....

Keiner sagte was dazu. Auch Sina rührte sich nicht.... Also ergriff Kati das Wort: „Ich weiß, das Jan recht hat. Sowohl was ihren Beziehungsstatus angeht, als auch, dass hier in der Mannschaft gerade gegen sie gemobbt wird." Jetzt meldete sich dann doch Sina zu Wort: „Kati, ausgerechnet Du machst Dich hier für Jan stark? Und findest Du nicht, dass Ihr zwei jetzt ein bisschen übertreibt. Klatsch und Tratsch gibt es doch immer." „Klatsch und Tratsch sind ja gut und schön, aber solche Lügen zu erzählen, ist eine andere Nummer.... Und ehe Du es jetzt sagst, ich ergreife nur Partei für Jan, weil ich in sie verknallt bin: Ich ergreife Partei, weil es richtig ist. Außerdem sehe ich doch, was im Training abgeht. Du hast ja sogar versucht, Jan zu verletzen." „Das stimmt nicht.... das ist einfach so passiert...." „Sehe ich aber anders!" „Ja – klar!!!! Und was willst Du eigentlich Jan? Warum hier der ganze Aufstand?" „Ich möchte einfach nur mit Euch zusammen erfolgreich Handball spielen. Ich will nicht, dass über mich Lügengeschichten erzählt werden und ich will nicht mit Angst ins Training kommen, was jetzt als nächstes ‚aus Versehen' passiert." „Es ist doch gar nichts passiert" grinste Sina jetzt. „Was kann ich dafür, wenn Du Dich so tollpatschig anstellst. Und wenn Du Dich hier nicht wohl fühlst, kannst Du ja gehen!" „Das hättest Du gerne, was Sina. Werde ich aber nicht machen. Ich werde mich hier nicht kampflos aus der Mannschaft drängen lassen. Ich weiß, dass Du hinter all dem steckst, weil Du Angst um Deine Position hast. Dabei könnten wir – wenn wir zusammenspielen – so viel mehr erreichen!" „Du bist aber ganz schön eingebildet Jan, Du hältst Dich für soviel besser... was? Bist Du aber nicht! Ich führe diese Mannschaft schon seit 2 Jahren und jetzt kommst Du daher.... Und nur weil Du mit einem Bundesligaspieler zusammen bist, hältst Du Dich für was Besonderes!" „Genau das Gegenteil ist der Fall. Ich weiß, dass ich keinen Deut besser dadurch werde, dass ich mit Mathias zusammen bin. Aber ich weiß, wenn Du und ich zusammenspielen würden, könnte die ganze Mannschaft besser werden!" „Ich habe aber keine Lust, mit so jemanden wie Dir zusammenzuspielen! Du hast Dich ja am Samstag schon wieder mit einem anderen eingelassen!"

Ich wurde blass, als ich an die Situation von Samstag dachte. Aber woher hatte Sina denn das schon wieder? Natürlich war es wieder Kati, die am schnellsten reagierte. „Was erzählst Du denn jetzt schon wieder, Sina?" fragte sie. „Ich kann es beweisen!" triumphierte Sina und zog ihr Handy vor. Und zeigte ein Bild in die Runde: Ich stand mit dem Rücken zur Wand und der Typ versuchte gerade mich zu küssen. Kati schnappte sich das Handy von Sina und tippte darauf herum. „Gib es mir zurück Kati" verlangte Sina. „Moment mal...." „Sofort!" Kati ließ sich jedoch nicht beirren und sagte dann: „Vielleicht schauen wir mal nach der ganzen Wahrheit!" Und spielte dann ein Video ab – Sina hatte ab dem Moment, als ich zubiss, alles aufgenommen.... Inklusive dem Knie, das der Typ von mir kassiert hatte.

Dann herrschte erstmal Stille.... Es war Micha, der das Schweigen brach und mit belegter Stimme fragte: „Kannst Du mir bitte erklären, Sina, warum Du, anstatt Jan zu helfen, ein Video aufnimmst?" Wieder Schweigen. Dann kam eine Wortmeldung aus einer ganz unerwarteten Richtung. Linda, die sich sonst eigentlich nie zu irgendwas äußerte, sagte leise: „Sina hat vorher mit Simon geredet. Und dabei in Jan's Richtung gedeutet...." Ich fragte nach: „Was sagst Du da?" „Ich hatte gesehen, dass Sina auch im Club war, und wollte sie eigentlich fragen, ob sie nicht zu uns kommen will. Da habe ich sie mit Simon reden sehen. Danach ist sie dann aber weggegangen und ich habe sie nicht mehr gefunden." Und da begriff ich erst so richtig, dass Sina wirklich für die ganze Aktion am Samstag verantwortlich war. „Das war's!" erklärte ich. „Das ist zu viel! So kann ich hier nicht weitermachen!" „Nun mal langsam Jan...." bremste mich wieder Kati. „Ich finde nicht, dass Du jetzt hier diejenige bist, die geht!" „Das finde ich auch" erklärte nun auch Niko und auch Linda sagte: „ich finde es abscheulich, was Sina da gemacht hat!" Sina startete noch einen Versuch: „Also ich finde, wir sollten Jan loswerden. Sie bringt uns noch alle auseinander." Nun meldete sich Micha zu Wort: „Wir beenden hier unsere Sitzung heute. Es gilt über einiges Nachzudenken. Ich erwarte von jeder Einzelnen von Euch, dass sie mir bis Donnerstag mittag Bescheid gibt, wie sie dazu steht. Wir werden definitiv nur mit Jan oder mit Sina weitermachen – wenn Jan das überhaupt noch möchte. Wir treffen uns am Donnerstag eine halbe Stunde vor Trainingsbeginn. Dann teile ich Euch mit, wie es weitergeht. Und Jan... ich möchte Dich kurz nochmal alleine sprechen!"

„Weißt Du Jan, ich bin jetzt schon sehr lange Trainer, aber sowas ist mir noch nicht passiert. Normalerweise halte ich mich auch aus den Mannschaftinternas raus, aber ich bin froh, dass ich heute dabei war. Es tut mir unendlich leid, was da gelaufen ist. Und ich kann nur hoffen, dass die Mädels sich richtig entscheiden. Würdest Du eigentlich hier weitermachen, wenn Sina nicht mehr spielt?" „Ja.... Ja auf jeden Fall. Ich fühle mich eigentlich wohl. Erst als bekannt wurde, dass ich mit Mathias zusammen bin, fingen die Probleme mit Sina ja so richtig an." „Gut. Ich kann Dir nur sagen, wenn wir eine spielfähige Truppe ohne Sina haben, dann machen wir ohne sie weiter. Ich muss das allerdings auch erst noch mit der Abteilungsleitung besprechen. Wenn die Mannschaft sich für Sina aussprechen sollte, dann werde ich das definitiv nicht weitermachen. Und dann würde ich mich freuen, wenn wir zusammen etwas Neues finden. Ich schätze Dich und was Du mitbringst. Und zum richtig viele Tore werfen, würde ich Dich auch noch bringen." „Und ich lehne mich nicht groß aus dem Fenster, wenn ich sagen würde, eine Torfrau hätte ich auch noch zu bieten!" „Wir sehen uns am Donnerstag, Jan" „Danke Micha."

Natürlich wartete Kati noch auf mich. „Ist doch soweit gut gelaufen...." „Gut gelaufen? Ich bin immer noch schockiert, über das, was Sina da angezettelt hat. Sie hat mir diesen Simon auf den Hals gehetzt. Und es hätte sonst was passieren können." „Hey – das war in einem Club.... Er hätte es schon nicht zu weit getrieben.... Außerdem hast Du ihm ja einen ordentlichen Denkzettel verpasst." „Kati.... Ich hatte Angst! Bevor Du kamst.... Ich konnte mich nicht rühren... Er war zu stark... Wäre er nicht zurückgewichen, hätte ich ihn nicht erwischt." „Kätzchen.... Du hast gar nichts gesagt.... Immer nur ‚ist ja nichts passiert'. Ich dachte...." Bitter lachte ich jetzt auf: „Ja – ich bin stark, mich haut nichts um, mich berührt das nicht.... Kati: Ich hatte wirklich Angst!" „Aber warum redest Du dann nicht mit mir?" „Weil.... Ich will immer nur alle beschützen. Ich bin nicht diejenige, um die man sich Sorgen machen muss. Ich regele immer alles selbst. Seit Jahren. Ich darf nicht schwach sein. Ich bin Jaenelle, die nichts umhaut! Und wenn, dann helfe ich mir selbst wieder auf die Beine und das nach Möglichkeit noch mit einem Lachen! Ja – ich bin ein so überaus positiver Mensch. Meine Grundeinstellung ist immer positiv. Aber das habe ich mir hart erarbeitet. Im Grunde weiß ich, dass ich mich immer nur auf mich selbst verlassen kann!" „Das klingt schrecklich einsam." „Vielleicht jetzt gerade.... Aber keine Sorge... morgen ist alles wieder gut!" „Und.... Ist es das wirklich?" „Ja! Sonst würde meine Welt zerbrechen...." 

Handball im Herzen (Mathias Gidsel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt