Ausgehen

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Auswärtsspiel. Ich war schon auf der Hinfahrt sehr nervös. Wie würde sich Sina verhalten? Was würden meine anderen Mannschaftskameradinnen sagen? Kati brachte es mal wieder auf den Punkt: „Mach' Dir nicht soviel Kopf. Sina will genauso gewinnen, wie alle anderen. Da passiert heute nix!"

Das Spiel lief dann auch ganz gut. Der Gegner war nicht so stark und wir führten zur Halbzeit schon mit 5 Toren. Wieder brachte mich Micha zur zweiten Halbzeit für Sina auf die Mitte. 10 Minuten vor Schluß – wir führten mit 7 Toren, stellte Micha wieder um auf die offensive Deckung. Dann bekam Sina eine 2-Minuten-Strafe. Niko wollte in der Abwehr von der 1 wieder defensiv einrücken. Aber ich schickte sie wieder nach vorne: „Niko – bleib vorne, die spielen in Überzahl immer den Nachläufer. Schnapp Dir den Ball, den sie dann von Halb zu Halb spielen." Von draußen ertönte Micha's Stimme: „Niko, was machst Du da?" „Lass sie" rief ich zurück und zu Niko „Vertrau mir." Keine 10 Sekunden später hatte sie auch schon den Ball abgefangen und warf ihr 6. Tor im Spiel. „Bleib vorne und störe die Links-Halbe" dirigierte ich Niko gleich wieder. Und tatsächlich warf unser Gegner den Ball dann erstmal ins Aus. Am Ende gewannen wir mit 10 Toren ganz sicher.

Direkt nach Abpfiff sprach Micha mich an. „Jan – ich würde gerne mit Dir reden!" „Passt gut. Ich hätte auch ein Anliegen." „Geh' erstmal duschen, wir sehen uns draußen."

„Also was war das gegen Ende des Spiels" fragte mich Micha. „Wir haben in meiner alten Mannschaft oft in der Unterzahl eine 4:1 gedeckt. Die meisten Mannschaften haben ein Konzept für ein Überzahlspiel und das haben wir damit sehr häufig erfolgreich unterbunden" erklärte ich ihm. „Wir haben das nie trainiert – und ich weiß nicht, ob ich das gut finde." „Du willst doch, dass wir Entscheidungen auf dem Spielfeld treffen. Ich hätte das sicherlich nicht riskiert, wenn wir nicht so hoch geführt hätten." „OK – der Erfolg gibt Dir recht. Aber in Zukunft entscheide ich das, ok?" sagte Micha. „Ja – ist gut." „So – und was wolltest Du von mir?" „Ich möchte eine Mannschaftsbesprechung am Dienstag nach dem Training. Du hast vielleicht schon mitbekommen, das Sina und ich so unsere Probleme haben. Ich will da was klarstellen." „Soll ich als Trainer dabei sein, oder löst Ihr Eure Probleme intern?" „Mir ist das egal. Aber so ein bisschen betrifft es Dich ja schon. Schließlich hat Sina Dir gegenüber auch schon Sachen behauptet, die nicht wahr sind." „Gut, dann werde ich das gleich noch ankündigen." „Danke Micha."

Und seltsamerweise wurde ich dann gleich nochmal zu einem 4-Augen-Gespräch eingeladen. Es war Niko, die auf mich zukam. „Jan, hast Du mal kurz?" „Ja, klar. Was ist denn?" „Laß' uns mal ein Stück weitergehen, ich will nicht, dass es alle mitbekommen." Also traten wir ein Stück abseits. „Also?" „Ich wollte mich bei Dir entschuldigen... wegen Donnerstag. Ich habe einfach alles Sina geglaubt, ohne selbst nachzudenken." „OK, woher der Sinneswandel?" „Weißt Du, Kati hat einfach recht. Du bist die bessere Spielerin.... Du machst uns alle besser und gibst uns Schwung. Sina hat uns immer nur runtergemacht, wenn es nicht lief. Und haben wir gewonnen, dann war sie es natürlich, die das Spiel gewonnen hat. Vielleicht sollten wir uns alle mal Gedanken machen und ihr nicht so hinterherlaufen. Aber sie war bisher einfach unsere beste Spielerin und keiner wollte, das sie vielleicht geht." „Ja – vielleicht sollten sich alle mal Gedanken machen. Aber ich danke Dir, Niko. Ich finde es toll, dass Du auf mich zugekommen bist. Und natürlich nehme ich Deine Entschuldigung an." „Kommst Du gleich noch mit? Ein paar von uns wollen noch zum Essen in die Zwiebel.... Und Sina hat wohl was anderes vor." „Dann bin ich dabei" erklärte ich.

Micha verkündete noch: „OK Ladies, nochmal kurze Aufmerksamkeit. Wir machen am Dienstag noch eine Mannschaftsbesprechung nach dem Training. Pflichtveranstaltung. Und ansonsten noch ein schönes Wochenende."

Natürlich ging auch Kati noch mit in die Zwiebel. Und es war echt ein netter Abschluß nach dem Spiel. Danach wollte ich eigentlich nach Hause. Aber wie Kati so ist: „Hey, was willst Du zu Hause. Dein Schatzi ist doch eh' nicht da und die Nacht ist noch jung!" „OK, aber gib' mir 5 Minuten, ich will noch kurz Mathias schreiben!"

„Hey Du – Wir haben gewonnen – das macht Ihr hoffentlich auch morgen!" „Toll Jan, freue mich mit Dir, wie war sonst?" „Alles gut – keine Probleme - ich gehe noch mit Kati weg." „Viel Spaß Euch 2" „Hätte Dich gerne auch dabei gehabt...." „Hätte Dich gerne hier bei mir, ist so leer Platz neben mir" „Du weißt doch, kein Sex vorm Spiel" „Müssen wir irgendwann aber mal probieren, ist ja noch nicht bewiesen" „Gute Nacht Mathias" „Träum schön später"

Also ging es dann noch in einen Club. Kati meinte, es würde echt gute Musik dort gespielt. „Und wenn Dir die nicht passt, die haben auch noch 1-2 Billardtische. Dann spielen wir eben ‚ne Runde." Ich bin keine große Tänzerin, aber wenn die Musik passte, konnte ich mich schon darin verlieren. Und tatsächlich war der Club ganz schön. Er war recht verwinkelt. Es gab einen Bereich mit Sitzgelegenheiten, der auch nicht zu laut war und die versprochenen Billardtische.

Ich suchte mir eine Mädelsgruppe und fing an, bei ihnen zu tanzen. Kati schwatzte noch mit Niko. Plötzlich störte aber ein großer Typ unsere kleine Gruppe und fing an, mich anzutanzen. Ich schüttelte den Kopf und wandte ihm den Rücken zu. Das schien ihn aber gar nicht zu stören. Er versuchte wieder mich anzutanzen und deshalb ging ich jetzt gleich mal ein paar Schritte weg. Leider hatte ich mich damit aber in eine ungünstige Ecke manövriert. Er folgte mir und ich stand plötzlich mit dem Rücken zur Wand. Er stemmte seine Arme rechts und links von mir an die Wand und wollte mich doch tatsächlich küssen. Ich duckte mich unter einem Arm durch und wollte weggehen, aber da packte er mein rechtes Handgelenk und hielt mich fest. Ich versuchte mich aus dem Griff zu befreien, aber er war zu stark. Er zog mich so nah an sich ran, dass ich mich kaum noch rühren konnte. Langsam geriet ich in Panik. Ich war zwar kein ängstlicher Mensch, aber die Situation entglitt mir so langsam. Ich hatte Angst. Wieder versuchte er mich zu küssen und ich drehte den Kopf beiseite: „Hör auf.... Ich will nicht!" Er lachte nur und meinte „Na, nun stell' Dich nicht so an.... Sina sagte zwar, dass das Deine Masche ist, aber jetzt ist auch mal gut...." Er drückte mich mit seinem Körper an die Wand. Mit einer Hand tatschte er jetzt nach meinem Busen, seine zweite Hand umfasste meinen Hals und fixierte so meinen Kopf. Ich bekam kaum noch Luft, die Panik breitete sich immer weiter in mir aus. Er versuchte wieder mich zu küssen und ohne weiteres Nachdenken biß ich zu. Wieder lachte er mich nur aus. „Das wird aber ein echter Spaß heute..." „Lass sie los, Arschloch" hörte ich da Kati's Stimme. Überrascht trat der Typ einen kleinen Schritt zurück und das war der Platz, den ich brauchte, um ihm mein Knie in seinen Schritt zum rammen. Und ich traf gut... Er ließ mich endlich los und krümmte sich zusammen. Ich flüchtete mich direkt zu Kati. „Laß' uns gehen...." „Ja, ist gut – ich bringe Dich heim" sagte Kati.

Zu Hause angekommen stellte ich zu meinem Entsetzen fest, dass ich einen blauen Fleck am Hals hatte und mein Handgelenk auch nicht wirklich gut aussah. Es war leicht angeschwollen und ich konnte jetzt schon ahnen, dass sich das auch sehr bald verfärben würde. Also holte ich mir erstmal Eis und packte es um das Handgelenk. „Was war das denn, Jan?" fragte Kati. „Na – der Idiot wollte kein ‚Nein' akzeptieren" erklärte ich. „Habe ich gesehen, aber hübsch getroffen hast Du ihn. Der hat heute keinen Spaß mehr!" „Ja, hat er wohl nicht." „Aber ich habe es echt verbockt. Ich hätte besser auf Dich aufpassen sollen" meinte Kati. „Kannst Du doch nichts dafür." „Naja – irgendwie schon, ich hab' Dich ja schließlich überredet, noch mitzukommen und dann sowas." Ich hatte noch die Stimme des Typen im Ohr „Sina hat gesagt", aber das wollte ich Kati nicht mitteilen. Das konnte doch gar nicht wahr sein. Vielleicht hatte ich mich ja auch verhört. „Ach.... Ist ja nix passiert Kati." „Was Mathias nur dazu sagt.... Der lässt Dich nie mehr mit mir losziehen" brummelte Kati. „Du, ich erzähle es ihm, aber erst am Sonntag, wenn er zurück ist. Ich will nicht, dass er es vor seinem Spiel hört. Das würde ihn nur ablenken, ok?" „Aber..." „Morgen abend, nicht früher!" „Wenn Du meinst, Kätzchen."

Am Sonntag war der blaue Fleck an meinem Hals noch ein bisschen größer geworden. Das Handgelenk war immer noch dick und wurde auch immer dunkler..... Ich war versucht, das Treffen mit Nanna zum Spiel schauen abzusagen. Aber ich spiele Handball, da hat man schon mal Blessuren.

Handball im Herzen (Mathias Gidsel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt