Kapitel 16 | Every

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Ich blinzele. Meine Augen fühlen sich verschwommen an. Erst als ich sie richtig öffne, merke ich, dass es schon stockdunkel ist. Die markante Aussicht lässt den Mond hier rein scheinen und lässt dabei das ganze Zimmer in kaschierten Farben aufhellen. Ich möchte im Bett liegen und auch weiter schlafen. Doch meine Blase lässt es nicht zu. Stöhnend stehe ich auf und laufe stockend ins Badezimmer, die sich zum Schlafzimmer grenzt. Der Spiegel gibt an, wie ich mich fühle. Schlimm. Begrenzt mit meinem Körper. Und Müde. Geduldig schaue ich mich nach einem Haargummi um, doch sehe keinen.

Meine Hände fühlen sich unter dem kalten Wasser gut an. Schmerzempfindend aber gut. Doch so gut es auch tut, drehe ich das Wasser ab und schaffe es gezielt meine Vorderhaare zu einem kleinen Dutt zu drehen. Seufzend laufe ich aus dem Badezimmer raus und verlasse anschließend das Schlafzimmer. Im Flur höre ich das Fernseher laufen. Und ich rieche Essen. Den ganzen Tag lang habe ich weder etwas getrunken noch was gegessen. Deshalb entscheide ich mich runter zu laufen und sehe dann auch Maldon wie er auf der Couch sitzt und mit einem Weinglas zu mir schaut.

„Guten Morgen Prinzessin. Gut geschlafen?", spricht er poetisch in meine Richtung. Augenrollend ziehe ich eine Grimasse und schaue dann zum Essbereich. Wie auf Signal fängt mein Bauch an zu knurren. „Das Essen ist für dich", sagt er und richtet sein Blick immer noch zum Fernsehr. Eigentlich will ich es nicht essen. Ich möchte nichts aus seiner Hand essen. Doch alles in mir wehrt sich dagegen. Da mir keine Wahl übrig bleibt und ich weiß, dass ich den Kampf verlieren werde, laufe ich langsam zum Tisch und setze mich anschließend hin. Die Hälfte des Tisches ist vollgepackt mit Essen. Ich will greifen, tue es aber nicht. Im Hintergrund höre ich wie Maldon aufsteht und zu mir kommt. Er setzt sich neben mich und beäugt mich dann aus der Seite. „Hast du Schmerzen?", fragt er interessiert und lässt mich damit laut auflachen. Als er merkt, dass ich ihm keine Antwort geben werde, nimmt er sein Stuhl in die Hand und kommt direkt auf mich zu. Seine Beine berühren meine und lassen mich kurz aufzittern. „Warum denkst du so?", fragt er plötzlich. Verwundert schaue ich ihn an. „Geht es wirklich nur über ein Fick? Oder was dir die Männer angetan haben?", die Worte lassen mich schnell aufzucken. Sofort vergeht mir der Appetit. 

„Ich will nicht darüber reden!", bringe ich mürrisch hervor. Doch er hört nicht auf. Seine Aufmerksamkeit, die sich auf mich bindet, erregt sich. „Ich aber. Und du weißt das wir das müssen!", bringt er streif raus und lässt mich damit überraschend hochschauen. „Warum? Wir sind weder zusammen, noch haben wir etwas miteinander. Ich muss nichts mit dir bereden." Mein Ton ist schwer. Ich möchte antworten. Wirklich. Aber er macht es so schwer. Die unauflösbaren Fragen bilden sich von Sekunde zu Sekunde mehr in meinem Kopf. 

„Warum antwortest du nicht gerecht auf meine Fragen und wir beenden diese Qual. Für dich und mich." Wenn ich daran denke, was mein Körper in den nächsten Tagen alles so erlebt haben muss, verüble ich es ihm nicht mal. Ich möchte Ruhe. Einfach nur Ruhe. Seine Augen wollen, dass ich rede. Er weicht zurück zu seinem Stuhl und lehnt sich nach hinten, um mich ganz zu beachten. „Du hast ein Problem Every.", spricht er fest in meine Richtung und seine Stimme beweist, dass er sich mit jedem Wort Recht gibt. „Aber nicht mit mir oder mit meinem Vater. Sondern mit dir selbst." Ich schlucke hart. „Schau dich doch mal an. Du bist dir selbst nicht gerecht." Dieser Moment lässt mich frösteln. Seine Worte bannen sich unmöglich in meinen Kopf und ohne etwas zu stoppen, ringen sich die Tränen. Aber seine Worte sind nicht verkehrt. Vielleicht bin ich das Problem? Vielleicht kämpfe ich mit mir selbst. Er seufzt laut auf und rückt mit seinem ganzen Körper wieder zu mir nach vorn. Maldons Finger sind kalt und auf meinem Körper fühlen sie sich bestimmend wohl an. Langsam nimmt er sein Daumen zwischen mein Kinn und bohrt seine Vermächtnis blauen Augen in meine. „Um zu erkennen, was du eigentlich willst, musst du dir selbst erst gerecht werden."

„Dann sag mir, Maldon, wie erkenne ich das?", sage ich dicht vor ihm. Unsere Stimmen sind ganz still. Ruhe und Stille umgibt diesen Raum. Leise lacht er und schließt seine Augen. Ich tue es ihm zugleich. „Probiere es aus. Mach was du machen willst. Den richtigen Moment wirst du spüren." Und dann tue ich es. Jetzt. Mein Herz rast und ich kann es nicht stoppen. Mein Atem geht unkontrolliert und alles in diesem Moment scheine ich zu vergessen. In diesem Moment fühlt sich nämlich nichts richtiger an als das. Meine Lippen auf seine zu legen. Und so spüre ich zum ersten Mal, das ich etwas richtiges gemacht habe. 

Maldon Remid - Boundless love of liesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt