„Ach Gisela", stöhnte Wincent, als er den Motor seines 2er Golfs GTI aufjaulen ließ. Sieben Drehtage in Hamburg waren geschafft. „Auf in die Heimat". Wincent genoss wie immer die Stunde Autofahrt. Er ließ die Gedanken schweifen. Die letzten Tage waren ereignisreich. Er hatte viele Menschen mit tollen Geschichten beim Dreh von Kaum zu glauben kennengelernt, einige Fans getroffen und sie mit Fotos und Autogrammen glücklich gemacht. Das Interview bei HEY Hamburg, bei dem er mal wieder zu offen geredet hatte und anschließend mit seinem Management in Probleme geraten war, da er die roten Zahlen der Arenatour benannte und auch über RTL etwas ausgelassener gesprochen hatte. Und dann das Beyoncé Konzert, das Treffen auf Steffi und die anschließenden Gedanken. Wincent merkte gar nicht, dass er bereits vor seiner Wohnung angekommen war. Seine Gedanken begannen sich wieder um Steffi zu kreisen. Er nahm sein Handy und öffnete den Chatverlauf mit Steffi. Die letzte Nachricht war die, die er ihr aus dem Zug geschickt hatte. Er tippte: „Hey Steffi. Bin bei Shay angekommen. Wann hast du Zeit? Lass uns nochmal in Ruhe reden. Bitte. Wincent"
Er stieg aus, nahm seinen Rucksack und ging in die Wohnung, die er sich mit seiner kleinen Schwester teilte. Naja, eigentlich wohnte Shayenne überwiegend alleine. Wincent war nur selten dort gewesen. Und wenn er mit Steffi in der Heimat war, hatte er meist ein Ferienhaus gemietet, da die Wohnung mit Shay etwas klein war. Er schloss die Türe auf und erkannte direkt, dass seine Schwester nicht zuhause war. Sie war wohl noch im Krankenhaus beim Arbeiten. In seinem spärlich eingerichteten Zimmer ließ er seinen Rucksack fallen und kramte seine Sportsachen raus. Er sollte wegen seinem Fuß zwar noch nicht joggen, aber das war ihm in dem Moment egal. Er musste seinen Kopf frei bekommen. Und wo bekam er am besten den Kopf frei? - Beim Sport. Nach seiner gewohnten Runde über Wiesen und Felder kam er klatschnass geschwitzt bei der Wohnung an. Er erkannte bereits das Auto von Shayennes Freund Timo. Augenblicklich spannte er sich an. Auch wenn Shayenne bereits eineinhalb Jahre mit Timo zusammen war und er ein wirklich vernünftiger Kerl zu sein scheinte, konnte Wincent sich noch nicht an den Gedanken gewöhnen, dass seine kleine Schwester Erwachsen wurde.

Er schloss die Türe auf und ließ sie lautstark ins Schloss fallen, um auf sich aufmerksam zu machen. Er wollte die beiden keinesfalls bei was auch immer sie trieben erwischen. "Die Tür hat auch einen Griff", kam es maulend aus ihrem Zimmer. "Hallo erstmal", rief Wincent zurück. Als Shayenne im Türrahmen erschien konnten es beide nicht mehr halten und liefen schnellen Schrittes aufeinander zu. Shayenne sprang ihm in die Arme und Wincent drückte sie feste an sich. Das war ihre Begrüßungszeremonie seit Jahren. So fühlte sich nach Hause kommen für Wincent an. "Du stinkst", nölte Shayenne und löste sich aus der Umarmung. "Ich geh mal duschen", lachte Wincent und deutete auf das Badezimmer. "Denkt dran, ich bin daha", rief er ihr hinterher, als sie sich umdrehte und in ihr Zimmer lief.
Nach der erfrischenden Dusche, setzte er sich zu Shayenne und Timo, die mittlerweile im Wohnzimmer saßen. "Wo ist Steffi?", wollte Shayenne direkt wissen. "Unterwegs", gab Wincent nur kurz von sich. Er hatte gerade keine Lust mit seiner Schwester über seine zerbrochene Beziehung zu sprechen. Somit lenkte er direkt das Gespräch um: "Wie liefen die Prüfungen?" Shayenne erzählte und erzählte von ihren Prüfungen. Wincent liebte es zu sehen, wie sehr sie in ihrem Job aufging und wie ihre Augen funkelten, wenn sie über Ihre Arbeit sprach. Im nächsten Moment gab sein Handy einen Ton ab. Eine Nachricht von Steffi: „Hi Wincent. Ich hab diese Woche einen Job in Hamburg. Ich kann Freitagnachmittag vorbeikommen. Passt das? Gruß Steffi". Gruß Steffi, als würden sie sich nicht kennen. Das klang so fremd. Er schickte ihr nur einen Daumen nach oben zurück. Nun hatte er fünf Tage, in denen er seine Gedanken sortieren konnte. In denen er grübeln würde, wo er die Veränderung in Steffi verpasst hatte.
„Wincent", hörte er die ärgerliche Stimme seiner Schwester, "man hörst du mir überhaupt zu?" Er legte sein Handy weg und murmelte: "Entschuldigung, was hast du gesagt?" "Mama hat vorhin angerufen und als sie gehört hat, dass du schon da bist, hat sie direkt zum Abendessen eingeladen." Wincent atmete aus. Na toll, er wollte sich doch bei seiner Mutter melden. War klar, dass er es nicht vor seiner Schwester schaffte. Naja, dann eben beim Abendessen. Warum seine Schwester so hibbelig und freudig auf das Abendessen war, konnte er in diesem Moment noch nicht verstehen...

Ey, was für ein JahrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt