Den nächsten Morgen begann Wincent gut gelaunt in seinem kleinen Gym. Er hatte bereits von Anna, seiner Managerin, die to-do-Liste für den Tag bekommen. Er war positiv gestimmt, dass er die Liste zügig abarbeiten konnte und dann noch Zeit mit seiner Mum und Schwester verbringen könnte, bevor er nach Berlin fahren würde. Der Bürotag verlief für Wincent wie geplant und so konnte er noch eine Spritztour in seinem Aston Martin DBS machen, auch liebevoll Lissy genannt. Er wartete auf dem Parkplatz am Krankenhaus auf seine Schwester, die jeden Moment Feierabend haben sollte. Als Shayenne ihn sah quietschte sie und kam auf ihn zu gerannt. Stürmisch umarmte sie ihn und fragte mit großen Augen:„Darf ich?" Wincent musterte sie mit zugekniffenen Augen und warf ihr schließlich lachend die Schlüssel zu. Sie hüpfte auf und ab und umarmte ihren Bruder nochmals feste, bevor sie sich in den Sportwagen setzte. Wincent lief schmunzelnd um das Auto und platzierte sich auf dem Beifahrersitz. Es war zwar nicht das erste Mal, dass Shayenne mit Lissy fuhr, doch ganz entspannt war er nicht. Sie fuhr für ihre 19 Jahre gut, doch ein paar weniger PS unter der Haube würden Wincent entspannter sein lassen. Nach einigen Kilometern genoss er einfach die Zeit mit seiner kleinen Schwester, die viel zu schnell erwachsen wurde. Sie erzählte von ihrer Arbeit im Krankenhaus, was Wincent mehr als stolz machte, dass sie so glücklich in ihrem gewählten Beruf war. Bei seiner Garage angekommen machte er noch ein paar Fotos von seinen Autos, um sie Noah und Vivienne zu schicken. „Mögen die Kinder eigentlich Autos?", schrieb er Anna und schickte die Fotos von seinen Autos Gisela, Marki, Jenny und Lissy.
Er bekam kurz darauf Antwort: „Aktuell sind beide anderweitig beschäftigt 👩🎨 👨🎨" auf dem mitgesendeten Foto sind Noah und Vivi im Garten zu sehen. Sie hielten ihre farbigen Hände in die Kamera und zogen Grimassen. Da war es wieder. Dieses unbeschreibliche Gefühl, das Wincent erst seit der Begegnung mit Vivi kannte. Sein Herz schmolz und ein Grinsen breitete sich in seinem Gesicht aus. Shayenne musterte ihren Bruder: „Ist da jemand verliebt? Dieses Grinsen kenn ich bei dir nur, wenn du verliebt bist." Wincent schaute sie ertappt an: „Vielleicht ein bisschen", sagte er, kniff ein Auge zusammen und streckte seinen Daumen und Zeigefinger aus, die er aufeinander presste. Er wusste, er brauchte Shayenne nichts vormachen und so zeigte er das Bild von Vivi und Noah. „Ah sind das die Kiddies?" Wincent schaute sie überrascht an und bevor er den Mund öffnen konnte sprach sie weiter: „Mama hat was von der Kleinen erzählt, die du am Bahnhof gefunden hast, die dir so den Kopf verdreht hat." Wincent schüttelte schmunzelnd den Kopf. War ja klar, dass seine Mutter nicht schweigen konnte. Sie gingen ins Haus zu seiner Mum und genossen noch ein Stündchen gemeinsame Zeit beim Abendbrot. Danach machte er sich auf den Weg nach Berlin. Auch wenn Anna am Vorabend ihn abgewiesen hatte, würde er sie trotzdem versuchen zu erreichen. Das hatte er am Morgen beschlossen. So schlimm war das Telefonat wohl auch nicht für sie, sonst hätte sie nicht knapp drei Stunden mit ihm telefoniert. Wincent wählte voller Vorfreude und mit ein wenig Nervosität Annas Nummer. Es klingelte und klingelte...„Wincent, ich hab doch ge...", doch bevor Anna weiterreden konnte wurde sie unterbrochen: „Ich hatte einen wunderschönen Tag mit meiner Mum und meiner kleinen Schwester. Bei Oma und Opa bin ich gewesen und bei meinem besten Freund hab ich mich heute auch schon gemeldet. Alle Menschen, die mir wichtig sind", zählte Wincent stolz auf. Noch bevor Anna weiter etwas entgegnen konnte, redete Wincent weiter: „na und wie war dein Tag? Sind die Kinder schon im Bett? Sah ja sehr spaßig und kreativ aus, was ihr nachmittags gemacht habt." Wincents Interesse und die Freude in seiner Stimme war ansteckend, sodass Anna nicht weiter nachdachte und sich in das Gespräch ziehen ließ. „Ja, die Kindern schlafen bereits. Sie waren echt geschafft vom Tag. Besonders die Aktion am Nachmittag war aufregend. Unsere Nachbarin ist Künstlerin und hat eine Leinwand bereitgestellt, sowie einige Farben. Es fing total zahm an und die Kinder haben schön mit einem kleinen Pinsel gemalt. Dabei ist es nicht geblieben, wie du gesehen hat", Anna lacht. Wincent lacht mit ihr. Das Foto, das er nachmittags bekommen hatte, sah nicht nach Pinselstrichen aus. Ihm wurde warm ums Herz als er sich die Situation bildlich vorstellte, wie die Kinder anfingen mit den Händen zu malen und immer mehr Farbe an ihren Körpern landete als letztendlich auf der Leinwand. „Tja, und dann kam halt noch der Gartenschlauch zum Einsatz, um die Kids wieder sauber zu bekommen. Sie hatten auf alle Fälle ihren Spaß", beendete Anna den Bericht. „Das glaub ich. Da hätte ich auch meinen Spaß. Ich hab auch mal ein wenig auf eine Leinwand gepinselt. War nicht so erfolgreich, aber ich kam auch nicht auf die Idee mit den Händen zu malen, das muss ich mal noch ausprobieren." Anna schmunzelte. Sie kannte Wincent noch nicht lange und überhaupt nicht gut, aber sie konnte es sich bildlich vorstellen, wie er mit den Händen malte und in der Farbe rumpanschte und sich wie ein Kind freute. Sie redeten die restliche Fahrt über Gott und die Welt, bis Wincent in Berlin an seinem Hotel ankam. „Danke", hauchte Anna. „Danke für deinen Anruf und deine Zeit", ergänzte sie. „Ich danke dir, dass du mich auf der Fahrt begleitet hast. War nett mit dir zu quatschen", bestätigte Wincent und war innerlich froh, dass er nicht abgewiesen wurde, wie er zunächst befürchtet hatte. „Gute Nacht, Anna" „Gute Nacht, Wincent".