Die Person, die Wincent die Augen zu hielt, war kleiner als er. Wincent griff nach den Händen und drehte sich um. Sofort umarmte er Amelie. „Heeeyy, was machst du denn hier?" „Wollte mal nach dem Rechten hier schauen", grinste Amelie. Wincent drückte sie nochmals. Sie hatten sich zwar erst vergangenes Wochenende gesehen, doch irgendwie tat es gerade gut, sie um sich zu haben. „Wie gehts dir?", fragte Amelie vorsichtig. Wincent wusste, dass Amelie nicht floskelhaft nach seinem Befinden fragte, sondern es tiefer meinte. Er brauchte also gar nicht erst versuchen ihr etwas vorzumachen. „Ach, ich weis auch nicht. Es ist viel los. Viel zu tun." „Ja Wincent, das ist nichts Neues, dass es beruflich viel zu tun gibt. Wie geht es dir privat?" Wincent atmete tief ein. „Ich bekomm das Gespräch mit Anna immer noch nicht aus meinem Kopf. Ich verspüre immer mehr das Bedürfnis, nochmal mit ihr zu reden. Ich will für sie da sein. Ich hatte das Gefühl, dass das Gespräch ihr gut getan hat. Naja also eigentlich habe ich ja nur zugehört. Amelie, ist das nicht verrückt? Ich kenn sie doch eigentlich gar nicht. Ok, wir haben schon fast zwei Monate sporadischen Kontakt, aber es ging nur um die Kinder. Und dass ich in die Kids vernarrt bin, hat sich auch nicht geändert", ließ Wincent seinen Gedanken freien Lauf, hob seine Cap und raufte sich durch die Haare. „Hattet ihr denn die Woche Kontakt? Also seit eurem Gespräch am Bodensee?", wollte Amelie wissen. „Nicht viel. Also wieder nur Bilder und Videos hin und hergeschickt für die Kinder. Ihre Nachrichten gehen nie über sie persönlich. Es geht nur um die Kids", stellte Wincent fest. „Ja, hast du sie denn mal direkt gefragt, wie es ihr geht?" Wincent überlegte und nahm sein Handy zur Hand. Er scrollte durch den Chatverlauf mit Anna und musste feststellen, dass er sie nie direkt nach ihrem Befinden gefragt hatte. Amelie stand beobachtend neben ihm: „Und?" Wincent schüttelte betroffen den Kopf. Amelie verdrehte die Augen: „Ja, Wunder was! Warum sollte sie von sich aus reden? So wie ich sie einschätze würde sie das nicht machen, um niemanden unnötig zur Last zu fallen. Du hättest sie in Friedrichshafen im Backstage mal erleben sollen. Ihr war es sichtlich unangenehm, dass sie dort während des Konzertes saß und ich ihr Essen brachte. Nachdem du mir ihre Geschichte erzählt hast schätze ich sie nun noch mehr so ein, dass sie sich selbst zurücksteckt, alles mit sich selbst ausmacht und niemanden belasten möchte." „Ich schreib ihr jetzt", sagte Wincent entschieden und tippte auf seinem Handy: „Wie geht es Dir?" Das hörte sich jetzt irgendwie plump an, doch er wurde von Lisa, seiner Tourmanagerin, gesucht. Er musste noch Poster für den Merchstand unterschreiben. Kurze Zeit später vibrierte sein Handy und er sah Luna, den kleinen Jack Russel Terrier von Annas Bruder im Schatten liegend auf einen See schauen. Anna schrieb: „Wir sind grad am See mit meinem Bruder, Frau und Hund. Ich meld mich später." In Wincent machte sich eine Erleichterung breit. Er hatte insgeheim mit einer Abweisung gerechnet und freute sich somit auf später, wann auch immer später bei Anna war. „Das sieht total schön aus. Ist das der Bodensee? Sag liebe Grüße 😀 Bis später 😀", antwortete er gut gelaunt und packte sein Handy weg. Er verbrachte die Stunden bis zum Auftritt mit Mats, dessen Freunde und Amelie. Den Auftritt genoss Wincent wieder in vollen Zügen, merkte jedoch, wie seine Stimme beansprucht war und konnte gegen Schluss kaum noch singen. Seine Fans sprangen dafür umso lauter für ihn ein. Er hatte so wunderbare Fans. Und wieviel Mühe sie sich immer machten mit Fanaktionen, tausende Herzchen ausschnitten. Verrückt. Ein Highlight des Abends muss erwähnt werden. Cindy eine Deaf-Performerin, begleitete seine Songs in Gebärdensprache. Wincent konnte ihr nicht richtig zu schauen, doch was er sah faszinierte ihn. Das Treffen mit Cindy vor dem Auftritt beeindruckte ihn immens. Nachdem er sich von allen bis zum nächsten Wochenende verabschiedet hatte, setzte Wincent sich in sein Auto, seine heiligen vier Türen und brauste los in Richtung Norden. Er überlegte, ob er noch Marco anrufen sollte, doch dann kam ihm ein Gedanke...

Ey, was für ein JahrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt