Nach einer ausgiebigen Sporteinheit begab sich Wincent frisch geduscht auf den Weg zur Ostsee. Er hatte sich mit Steffi an seinem Lieblingsplatz verabredet. Einem kleinen versteckten Strandstück, an dem die beiden schon einige Stunden gemeinsam verbracht hatten. Er war doch nervöser als er gedacht hatte. Rein rational hat er angenommen, dass wenn ihre Zukunftsvorstellungen wirklich so grundverschieden waren, es gut war besser jetzt getrennte Wege zu gehen, als Jahre später. Je näher er dem Platz am Strand kam, desto mehr Gefühle kamen in ihm auf. Erinnerungen an die erste Zeit mit Steffi, in der er so glücklich war endlich wieder eine Frau in seinem Leben zu haben, die es ihm so viel leichter gemacht hatte. Mit ihr war es irgendwie anders. Mit ihr fand er auch mehr zu sich selbst. Wincent saß am Strand, seine nackten Füße und Hände im Sand vergraben, den Blick auf das leise rauschende Meer gerichtet. „Hey", nahm er eine zarte ihm vertraute Stimme neben ihm wahr. Er schaute auf und blickte in die smaragdgrünen Augen, in die er sich bei der ersten Begegnung bereits verloren hatte. Steffi setzte sich neben ihn in den Sand. „Wie gehts?", entwich es Wincent zögerlich. Steffi begann von ihren vergangenen Tagen zu erzählen. Wincent beobachtete sie, wie sie euphorisch von ihrem Job in Hamburg sprach. Steffi war gut in dem, was sie tat und es machte ihr hörbar Spaß. Für einen Moment fühlte es sich an wie immer. Wie oft waren sie Tage, nein Wochen in verschiedenen Städten unterwegs gewesen und hatten sich dann eine kleine Verschnaufpause am Wochenende an der Ostsee gegönnt. Wincent blickte auf das Meer und verlor sich in Gedanken. „Wincent", brachte ihn Steffis Stimme dazu wieder sie anzuschauen. Steffi schaute ihn mitleidig an, aber auch schuldig und entschuldigend. „Du liebst die Ostsee", fuhr sie fort. Wincent schaute wieder auf das Meer und gab leicht nickend ein leises „mhm" von sich. „Du bist hier so entspannt und gelassen, anders als wenn du in Berlin bist. Ich merke, wie du dich hier zuhause fühlst und ankommen kannst", fuhr Steffi einfühlsam fort. „Du magst die Gegend hier doch auch", sah Wincent sie nun fragend an. Steffi seufzte „ja Wincent, ich mag die Gegend hier. Ich mag sie als Urlaubsziel, als Ort, an dem man sich eine Auszeit nimmt. Ich kann mir aber nicht vorstellen, hier zu leben, Tag ein, Tag aus." Wincent schluckte. Nochmal Steffis klare Worte zu hören traf ihn. „Aber... seit wann bist du dir so sicher? Was hab ich übersehen? Wir wollten doch gemeinsam aus Berlin weg und hierher ziehen!?" Steffi schaute zu Boden. „Wincent, das dachte ich anfangs auch. Mir gefielen unsere Tagträume, unsere Pläne, die wir schmiedeten. Ich konnte mir alles mit dir vorstellen, solange die Realisierung noch in weiter Ferne war. Über die letzten Monate wurde mir immer bewusster, dass du es wirklich ernst meinst und alle Hebel in Bewegung gesetzt hast. Von Tag zu Tag wurde mir unwohler bei dem Gedanken." „Aber warum hast du nichts gesagt?", unterbrach Wincent sie. „Ich brauchte Zeit für mich, um zu reflektieren was ich möchte, was meine Ziele sind, unabhängig von meiner Außenwelt. Versteh mich nicht falsch Wincent, die Zeit mit dir war wunderschön. Du bist ein toller Mann, einfühlsam, hilfsbereit, gutmütig. Du willst es allen Recht machen und gibst dich selbst auf. Noch nie hat mich ein Mann so respektiert und angenommen, wie du es hast. Und so weiß ich, dass du auch jetzt meine Entscheidung respektieren wirst." Wincent atmete tief ein. Ihm war es wichtig, dass er eine gleichberechtigte Beziehung führte und besonders die Frau in ihren Vorhaben unterstützte. Er würde nie erwarten, dass seine Partnerin ständig mit den Kindern zuhause wäre und er seine Karriere rücksichtslos verfolgte. Wenn er Kinder bekäme, dann würde er sich genauso um sie kümmern und seine Ziele zurückstecken, sodass seine Frau nicht vollkommen ihre Träume aufgeben würde, wie es die konservative Sichtweise auf eine Familie vorschrieb. Aber das wusste Steffi.  Darüber hatten sie oft gesprochen.
„Wincent, ich weiß, dass du alles für mich und deine gewünschten Kinder aufgeben würdest. Ich weiß, dass ich weiterhin meine Karriere verfolgen könnte, trotz Kindern. Mir ist in den letzten Wochen und Monaten immer deutlicher bewusst geworden, dass ich aktuell keine Kinder möchte. Ich sehe es bei meinen Geschwistern und Freunden. Kinder sind anstrengend und fordern eine gewisse Selbstaufgabe eigener Bedürfnisse. Das bin ich momentan nicht bereit zu geben. Und ich denke, dass sich meine Meinung so schnell nicht ändern wird."

Ey, was für ein JahrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt