Am nächsten Morgen sah Anna eine Nachricht von Wincent auf dem Handy. Er war in der Nacht noch gut in Spiez im Hotel angekommen. Sie schickte direkt ein „Danke für die Rückmeldung. Hier konnte jemand gut schlafen" und fügte ein Foto von den noch schlafenden Kindern bei. Sie sah, dass Wincent sofort online kam und erhielt direkt eine Reaktion: „😍 so süß die beiden. Was macht ihr heute so?" „Ich genieße noch die Ruhe vor dem Sturm oder eher nach dem Sturm 😅 mal schauen, es ist schönes Wetter, werden vermutlich an den See gehen. Und du? Schon wach?" Sofort kam zurück: „See ist eine gute Idee. Das mach ich glaub nachher hier auch. Noch schöner wäre es mit den zwei Rabauken 😀"
Wincent atmete tief aus. Er lag noch im Bett und musste an den vorigen Abend denken. Beim Gedanken, wie die beiden Kinder sich an ihn gekuschelt hatten und eingeschlafen waren wurde ihm wieder ganz wohlig warm ums Herz. Wie konnten diese Kinder ihm so den Kopf verdrehen. Er kannte doch auch andere Kids. Schnell schrieb er Lisa, seiner Tourmanagerin und informierte sie über den geplanten Besuch in Arbon. Sie sollte alles organisieren. Nach einer entspannten Runde in der Sauna und im Gym, sowie einer Abkühlung im Thunersee ging es aufs Festivalgelände. Ihm ging es richtig gut. Er freute sich auf den Tag. Seine Crew zu sehen, live vor so vielen Menschen zu spielen und glücklich zu machen. Wie würde er das das nächstes Jahr vermissen. War es wirklich die richtige Entscheidung nächstes Jahr keine Konzerte zu spielen? Er wollte mehr Zeit mit seiner Familie, Reisen, mit Steffi in den Norden ziehen und an der Familienplanung arbeiten.
Wegen Steffi brauchte er nun keine Pause einlegen. Und sonst, so ein paar Sommerkonzert-Wochenenden, das würde doch gehen. Die letzten Wochen waren doch recht entspannt. Er sollte mal mit Lisa und Anna seiner Managerin reden, wie realistisch das sein würde.
An der Location angekommen schob er den Gedanken beiseite. Er traf auf seine Band, die er mit einem lauten „Moin" begrüßte. Nach kurzem Smalltalk schaute Manni ihn von oben bis unten musternd an und zwinkerte Wincent zu: „Erfolgreiche Nacht gehabt?" Wincent schaute ihn fragend an. „Na du wirkst so entspannt und zufrieden, da muss doch eine Frau ihm Spiel sein", grinste Manni. Wincent schüttelte schmunzelnd mit dem Kopf. Auf seinem Gesicht breitete sich ein großes zärtliches Lächeln aus. „Ja, das stimmt wohl", grinste er die Jungs nun an. Alle Augen waren auf ihn gerichtet, die ihn gespannt anstarrten. „Na erzähl schon, wer ist sie? Wie ist sie? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!", kam es schon fast empört von Manni. Wincent musste sich ein Lachen verkneifen. „Also, sie ist blond, hat blau-grüne Augen und ein süßes Lächeln. Ihr Lachen ist einfach ansteckend und sie löst in mir ein ganz besonderes Gefühl aus", fing er an. „Unser Winnie ist verliiieeeebt. Es freut mich, dich glücklich zu sehen", klopfte Manu ihm auf die Schulter. „Das beste ist, sie kommt mich morgen Nachmittag vor dem Gig in Arbon besuchen", fügte Wincent strahlend hinzu. „Was ist denn hier los?", betrat nun Tom den Raum. „Dir scheint ja die Sonne aus dem Hintern", stellt er mit Blick auf Wincent fest. „Unser Winnie bekommt morgen Frauenbesuch vor dem Gig", erklärte Flo. Tom schlug zur Begrüßung bei Wincent ein, der ihn angrinste. „Ja genau, Anna kommt morgen ..." „Hä, deine Managerin? Seit wann freust du dich so, wenn sie dabei ist?", unterbrach ihn Tom, der sichtbar grübelte bis er ein lautes „ne, oder? Du und Anna?", grinste er nun Wincent an. Auch die anderen starrten Wincent überrascht an, damit hatten sie nicht gerechnet. Wincent grinste und brach dann in schallendes Gelächter aus, als er in die verdutzten Gesichter seiner Band schaute. „Oh Leute", begann er, als er wieder Luft fand. „Es ist Vivienne, die mir den Kopf verdreht, die süßeste Zweijährige, die ich bisher kennenlernen durfte", strahlte er sie an. Die Jungs waren etwas verwirrt und brauchten einen Moment diese Wendung zu verarbeiten. „Ach genau, Anna hieß doch die Mama von den zwei Kids auf den Bildern. Das heißt Anna kommt morgen mit den beiden?", fasste nun Benni das eben Gehörte zusammen. „Gut kombiniert Einstein", gab Wincent lachend von sich. „Ach die, die du in Friedrichshafen aus der Menge getragen hast und dann nachm Konzert mit ihrer Freundin Backstage war? Freut mich, sie wieder zu sehen. Kommt ihre Freundin mit?", verstand nun auch Manni. „Ich bin ja wirklich gespannt auf die Kleine, die unserem Winnie so den Kopf verdreht", fügte Manu hinzu. Tom schaute verwirrt in die Runde „Hä!? Kann mich mal einer aufklären?" Alle außer Tom brachen in schallendes Gelächter aus. Wincent erbarmte sich und zeigte Tom ein Bild von den zwei Kindern und erzählte in Kurzfassung, was die letzten Wochen geschehen war. Dabei realisierte er wieder einmal, welcher Zufall die Begegnung in München war, die er keinesfalls mehr missen wollte. Er hatte die Kinder bereits am ersten Tag in sein Herz geschlossen. Was sie in ihm auslösten, hatte er nie davor gefühlt. Tom schaute ihn an und packte ihn seitlich an den Schultern: „Na dich hat's ja erwischt! Du bist über beide Ohren in die Kinder verknallt. Ich kenn dieses Gefühl." Wincent lachte verlegen und fuhr fort: „Ich hab sie gestern auf dem Weg hierher spontan besucht und dann für morgen nach Arbon eingeladen. Seit Anfang des Jahres sind sie ohne Papa, da er einen tödlichen Unfall hatte. Anna ist so verdammt stark. Es ist beeindruckend, wie sie diese Situation alleine mit den Kindern meistert. Sie erinnert mich ehrlich ein wenig an meine Mum", wurde Wincent nun nachdenklich. So hatte er Anna noch nicht betrachtet. Sein Fokus lag immer auf den Kindern. Er schaute in die etwas geschockten Gesichter seiner Band. „Witwe? Ach du scheise", fand Benni als erstes Worte. „Verhaltet euch morgen bitte einfach normal, wie in Friedrichshafen, und nehmt sie herzlich auf." „Aye, Aye Chef!", stimmten alle ein und Manu fügte hinzu: „Du weißt, auf uns ist Verlass!"

Ey, was für ein JahrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt