Kapitel I

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Sie waren wieder da!
Es wäre unnötig gewesen, das zu verleugnen. Ich saß hier, an eine Mauer gekauert und sah sie kämpfen!
Diesmal war es ein Dino-ähnliches, dass eine riesige Schlange aus Metall angriff!
Wie konnte ich mir nur einreden lassen, sie würden nicht existieren?
Insgeheim wusste ich warum, doch ich durfte diesen Gedanken nicht durchkommen lassen! Dann würde mich die Angst erneut überrollen. Diese alles verschlingende Panik!
Eine gewaltige Erschütterung riss mich aus meinen Gedanken: Der Dino wurde gegen ein Hochhaus geworfen, das krachend einstürzte.
Spätestens jetzt mussten es die anderen doch auch sehen!
Aber kein einziger blickte in ihre Richtung.
Ich spürte noch, wie die Panik zurückkam, die Tränen, die mir über's Gesicht liefen bemerkte ich gar nicht.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie jemand näher kam und instinktiv sprang ich auf um wegzurennen.
Doch da war dieser Jemand auch schon bei mir. Es war ein Junge, höchstens ein Jahr älter als ich und doch wirkte er ziemlich erwachsen: ich glaube, es waren seine Augen, die mir diesen Eindruck vermittelten!
Ehe ich reagieren konnte, legte er sanft einen Arm um mich und hinderte mich so an der Flucht.
Meine Augen irrten wild umher, auf der Suche nach einem Ausweg - diese einfache Umarmung fühlte sich schon an wie ein Gefängnis.
"Keine Angst" ,sagte er, "das ist nur ein kurzes Erdbeben! "
Das konnte er doch nicht ernst meinen!
"Das ist kein Erdbeben! Ich seh' sie doch! Der Dino ist in das Haus gekracht!"
"Du siehst WEN?"
Erst jetzt fällt mir auf, was ich gerade gesagt habe. Angstschweiß bricht mir aus.
"Ich habe nichts gesehen! Du etwa?"
"Aber du hast gesagt ein Dino sei in das Haus gekracht! "
Er lässt nicht locker!
"Warum sollte ich soetwas sagen? Ich bin doch nicht verrückt!"
Die verdrängten Erinnerungen kommen zurück, was ich seit Jahren verdrängt habe, kommt mit voller Wucht zurück, erschlägt mich fast!
"Es hat doch keiner von verrückt geredet! Ich will nur wissen, was du gesehen hast!"
Das darf nicht passieren!
"Ich muss nicht in die Klapse!"
Ich riss mich los und begann zu rennen. Einfach weg! Ich ignorierte seine Rufe und die irritierten Blicke der anderen - Einfach Weg!
Erst als ich eine größere Menschenmenge erreichte, blieb ich stehen. Hier fühlte ich mich sicher!
Schon oft hatte mich eine derartige Menge gerettet, wenn ich vor jemandem geflohen bin. Und ich bin schon oft geflohen!
Wie erwartet hat er mich verfolgt.
Ich duckte mich hinter eine beleibte Frau als er vorbeiging.
Er telefonierte über ein seltsames Gerät, das wenig Ähnlichkeiten mit einem Handy hatte. Ich hörte genauer hin:
"...gefunden...ein Mädchen! Ja, so alt wie wir...! Weggelaufen!!" Die Stimme wurde leiser.
Ich atmete auf. Was wollte der von mir? Für einen Weißkittel ist er zu jung und für's Jugendamt auch!
Aber was will er dann? Und mit wem hat er telefoniert? Warum suchen die mich? Weil ich sie sehen kann? Können sie sie etwa auch sehen? - Nein! Dafür hat er zu verwundert geklungen!
Plötzlich stand er hinter mir. Ich sah ihn nicht und gesagt hat er auch nichts. Ich habe seine Anwesenheit irgendwie gespürt!
Doch diesmal war er nicht alleine! Sie waren sieben, zwei Mädchen und fünf Jungen, bis auf einen kleinen Jungen alle etwa so alt wie ich.
Die Sicherheit, die mir die vielen Menschen gegeben hatten, wich der altbekannten blanken Panik. Ich wollte wieder wegrennen, doch sie hatten mich umzingelt.
"Was wollt ihr von mir?" Fragte ich - Nein! Es war ein hysterisches Kreischen "Lasst mich in Ruhe!"
Eines der Mädchen hob beschwichtigend die Hand: "Keine Angst, wir wollen doch nur wissen was du gesehen hast."
"Für wen arbeitet ihr?"
Sie sahen mich verwundert an. Einer der Jungen, ein rothaariger fragte jetzt: "Warum sollten wir für jemanden arbeiten?"
Der verarscht mich doch!
"Jeder arbeitet für irgendjemanden! Aber mich kriegt ihr nicht in die Klapse, nur weil ich Sie sehen kann!"
Ich zitterte. Ich wusste, wenn ich nicht bald weglief, würde ich in Ohnmacht fallen. Und alles war besser als das.
Unerwartet spürte ich eine sanfte Berührung an der Hand: der Jüngste hatte seine Hand in meine gelegt und sah mich mit großen Augen an: "Warum sollten wir dich ins Irrenhaus schicken? Wir können sie doch auch sehen! "
Wirklich? War das möglich? Hatte ich endlich jemanden gefunden, der mich verstand?
"Ihr alle?" Fragte ich.
"Natürlich!" antwortete der kleine im Brustton der Überzeugung "Wir sind doch die Digiritter!"
Digiritter? Was das wohl war? Hatte das etwas mit diesen Wesen zu tun? War ich auch ein Digiritter?
"Ich auch?" Fragte ich schließlich. Auch hier war die Antwort "ja".
So fand ich meine ersten richtigen Freunde - und mit ihnen ein neues Leben.

Digimon-Special AdventureWo Geschichten leben. Entdecke jetzt