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Heute ist Weihnachten
Zumindest glaube ich das, weil die Menschen in letzter Zeit so viel gekauft haben.
Auf der Straße vergisst man so wenig wichtige Dinge wie das exakte Datum schnell.
Es wird ja eh keine Geschenke geben, außer ich schaffe es, mir etwas besonderes zu klauen.
Wie üblich versuche ich es zuerst im Einkaufszentrum. Ich schaffe es auch tatsächlich, einer älteren Dame ihren Kaffeebecher vom Tisch zu nehmen, als sie in ihr Kreuzworträtsel vertieft ist.
Das klingt zwar grausam, aber die Straße lehrt dich, egoistisch zu sein.
Mir hilft schließlich auch niemand.
Als ich kleiner war, habe ich manchmal gebettelt, aber inzwischen weis ich, das Diebstahl lukrativer ist.
Und Kaffee ist das ideale Getränk für ein Straßenkind:
Er wärmt und das Koffein verbessert die Reaktionen.
Ich trinke schnell und werfe den Becher dann weg. Es ist nicht sehr klug, zu lang mit etwas gestohlem in der Hand herumzulaufen.
Einem erschrockenen Mädchen, das wahrscheinlich in etwa so alt ist wie ich reiße ich eine Bäckertüte aus der Hand.
Dann renne ich schnell aus dem Gebäude und schieße wie ein Blitz durch Gassen in Richtung des Marktplatzes.
In der Menschenmenge falle ich nicht auf und endlich kann ich meinen Fang betrachten:
Eine Nussschnecke und eine Tüte Plätzchen.
Nichts wirklich gehaltvolles.

Schon von weitem höre ich die Schritte, die sich mir von hinten näherten.
Wie beiläufig stehe ich auf und verlasse den Platz über eine Nebenstraße.
Die Person folgt mir.
Als er mich fast eingeholt hat klaue ich einem alten Bettler seinen Gehstock und drehe mich zu meinem Verfolger um.

Es ist ein Junge, wahrscheinlich so um die fünfzehn. Er ist mir an Kraft und Größe überlegen und das weiß er.
Aber er fühlt sich deswegen zu sicher.
Ich bin zäh und schnell. Und im Gegensatz zu ihm habe ich eine Waffe.
Ich lege die Bäckertüte auf den Boden und sehe ihn abschätzig an.
Man sieht, dass er noch nicht lange auf der Straße lebt: Seine Kleidung ist dreckig, aber nicht kaputt. Er selbst strotzt vor dreck, weil er sich anscheinend noch zu fein ist, um bei Minusgraden im Meer zu baden.
Wer länger hier lebt weis, dass alles besser ist als Kopfläuse.

Ich warte einfach ab.
Als er losstürmt um mich zu stoßen vergisst er seine Deckung aufrecht zu erhalten und mit einem gezielten Schlag mit dem Knauf meines Stockes breche ich ihm die Nase.
Wütend wie ein betrunkener Bär stürzt er sich auf mich.
Ich schaffe es gerade noch ihm auszuweichen, doch der Schlag, der mein Gesicht zertrümmern sollte trifft meine Wange und somit auch das rechte Ohr.
Alles klingelt in meinem Kopf.
Verdammt!
Woher hätte ich wissen sollen, dass er Linkshänder ist?
Seinen darauffolgenden Tritt fange ich mit dem Stock auf, indem ich den Stock unter seine Ferse schiebe und hochreiße.
Aus dem Gleichgewicht gekommen fällt er nach hinten um und knallt mit dem Kopf auf den Boden.

Schnell packe ich meine Tüte, werfe dem Alten seinen Stock hin und renne weg.

Das war knapp.

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Digimon-Special AdventureWo Geschichten leben. Entdecke jetzt