Schottland und Orangenlikör

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"Schreib mir wenn du da bist, okay?", fragte Caro und umarmte Annika zum Abschied. Sie standen am Bahnhof zwischen gefühlten hundert anderen Leuten, hauptsächlich Schülern, und warteten auf den jetzt einrollenden Zug.

„Natürlich, werde ich!", nuschelte Annika, als sie von Caro förmlich zerquetscht wurde. Es war Freitag. Und es waren Herbstferien. Endlich.

Der Zug hielt jetzt ganz still und die Türen wurden geöffnet. Annika grinste Caro ein letztes Mal an und nahm ihren Koffer in die Hand. „Danke für's Herbringen!", rief sie noch über die Schulter, als sie in den Zug einstieg. Zum Glück hatte sie einen Platz reserviert, fast die ganze Schule schien in diesem Zug zu sein.

Schnell hatte sie ihren Sitz für die nächsten vielen Stunden gefunden, sich zurecht gesetzt und ihr momentanes Buch hervorgeholt. Es war ein langer Weg nach Schottland von hier. Matthews Landsitz war einzigartig und die Umgebung atemberaubend - aber er lag einfach weit, weit weg.

Das störte Annika aber nicht, sie brauchte nach diesen ersten sechs Wochen Schule einfach mal eine Pause von jeglicher Art von Trubel. Heute hatten sie noch eine unangekündigte Ex geschrieben und in Geschichte ein Essay aufbekommen, den Annika schon im Unterricht angefangen hatte. Jetzt war ihr Kopf einfach unendlich müde.

Sie schickte Daphne noch eine SMS, dass der Zug pünktlich gewesen war und sie keine Verzögerungen erwartete. Sie würde hoffentlich wie geplant kurz vor Mitternacht ankommen.

Jetzt aber wartete erst einmal Die Bücherdiebin auf sie.

___

„Annika!", begrüßte Daphne sie viele Stunden später, als Annika an einem kleinen Bahnhof im Nirgendwo ausgestiegen war.

„Oh Daphne, es ist so schön dich zu sehen!", erwiderte sie und umarmte ihre Großtante. Hier im Norden Großbritanniens war es windig und kalt.

„Dann wollen wir dich einmal in die Wärme kutschieren", sagte Daphne, nahm Annikas Koffer und ging zu Matthews Range Rover hinüber, der auf dem kleinen Parkplatz abgestellt worden war.

„Wie war die Fahrt?", fragte Daphne, während sie Annikas Sachen im Kofferraum verstauten.

„Lang", schmunzelte sie. „Aber auch relativ entspannend. Es wurden immer weniger Leute, je näher wir Schottland kamen."

„Ja, wer will schon in den kalten Norden?", fragte Daphne sarkastisch, während sie in das Auto stiegen.

„Und, wie geht es euch?", fragte Annika.

„Oh, uns geht's fantastisch! Immer was los, immer unterwegs oder immer Leute im Haus. Genau so, wie wir es immer haben wollten", beschrieb Daphne zufrieden. Matthews größter Traum war eine große Familie mit vielen Kindern und Enkelkindern gewesen, doch leider hatte Daphne im Laufe der Jahre drei Fehlgeburten gehabt. Sie hatten nach vielen Jahren des Versuchens endlich einen gesunden Jungen bekommen, der im Laufe seines Aufwachsens nach Strich und Faden verwöhnt worden war. Rupert hatte selber nur einen Sohn bekommen und war seit etlichen Jahren geschieden. Annikas Großcousin Peter studierte in Dublin und war deshalb selten zu Hause.

Die gewünschte Großfamilie hatten Daphne und Matthew also nie bekommen, deswegen versuchten sie mit Freunden, Einladungen, Gästen und Veranstaltungen für Leben in ihrem großen Haus zu sorgen.

„Das freut mich", meinte Annika wahrheitsgemäß und lächelte Daphne an. Sie hatten immer schon ein nahes Verhältnis zu einander gehabt.

„Wir kriegen morgen Abend übrigens schon Gäste und Sonntag sind wir bei den Langley's eingeladen."

„Das war euer junges Freundespaar, oder?", meinte Annika sich zu erinnern. Sie kuschelte sich ein wenig in den Autositz und stellte die Sitzheizung wärmer.

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