Burgball

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Die Tage verstrichen und Annika entspannte sich mehr und mehr. Die Last der Schule und die Anspannung der letzten Wochen wichen mit jedem Tag mehr von ihren Schultern. Sie fühlte sich weniger ausgelaugt, sie fühlte sich erholt, sie fühlte sich frei.

Sie verbrachte die Tage hauptsächlich damit Daphne im Haushalt zu helfen, sich mit Peter zu treffen und Matthews Manuskript zu lesen und zu kommentieren. Ihr Großonkel hatte, wie sich herausstellte, ein großes Schreibtalent. Die Handlung war dramatisch, spannend und überraschend realistisch. Und auch überraschend romantisch. Ihr gefiel die Story.

Annika genoss wirklich jede Sekunde ihres Urlaubs auf dem Land. Nur ging ihr Nick nicht mehr aus dem Kopf.

Mittwoch hatte sie ihn gesehen, als er auf den Hof kam um mit Matthew jagen zu gehen. Sie hatten sich nur kurz unterhalten, da Nick sich sehr distanziert verhalten hatte. Donnerstag hatte sie ihn zufälligerweise beim Joggen getroffen und auch da war er eher kurz angebunden gewesen. Das hatte Annika eigentlich so recht gut gepasst, denn irgendwie wusste sie seit dem Abend bei Camille und Mike nicht wirklich, wie sie ihm gegenüber treten sollte.

Und heute Abend war der Ball.

Als sie vor mehreren Wochen ausgemacht hatte, ihre Herbstferien in Schottland zu verbringen, hatte sie nie im Leben damit gerechnet, so viel Zeit mit ihrem Trainer zu verbringen. Und sie hatte nie damit gerechnet, dass es ihr im Grunde nicht unbedingt extrem viel ausmachte. Obwohl sie ihre Haltung zu Nick selber nicht wirklich einschätzen konnte.

"Annika?", erklang Daphnes Stimme gedämpft durch die Tür, bevor sie den Kopf reinsteckte. „Wie weit bist du?" Sie kam jetzt ganz ins Zimmer und gab einen freudigen Seufzer von sich. „Du schaust atemberaubend aus!"

Annika sah sich mit roten Wangen im Spiegel an. Sie war fertig hergerichtet. Die Haare hatte sie gelockt und nur einige Strähnen von vorne nach hinten gesteckt. Ihre Ohrringe passten sowohl zur Frisur, als auch zum dunkelroten Kleid. Das war das Kleid, in dem Nick sie im Kleidergeschäft in London gesehen hatte.

"Bist du bereit?", fragte Daphne sie bedächtig und Annika musste kichern.

"Du benimmst dich, als müsste ich zu meinem ersten Ball."

"Es ist so lange her, dass wir zusammen an einem Ball waren. Deswegen freue ich mich umso mehr." Annika konnte an ihrer Stimme hören, dass sie breit grinste. Sie wandte den Kopf und sah ihre Großtante an, die in ihrem dunkelblauen Kleid einfach wundervoll aussah.

"Ich habe euch so verdammt lieb, dass wisst ihr, oder?", sagte sie und dachte voller Liebe an sie und Matthew. Daphne nickte nur, gerührt über Annikas plötzlichen Gefühlsausbruch.

"Jetzt müssen wir aber los. Es gehört sich nicht, zu spät zu kommen." Sie zwinkerte Annika zu und gemeinsam verließen sie das Zimmer.

___

Der Ball fand in einer alten renovierten Burg statt, nur eine halbe Stunde Fahrt entfernt. Es waren schon viele Gäste dort, als Annika zusammen mit Matthew und Daphne das Gelände erreichte.

So gut wie das halbe Dorf war eingeladen, und alle hatten sich für diesen besonderen Anlass ordentlich herausgeputzt. Annika hatte sich erzählen lassen, dass Camille in der Gemeinde immer hundert Projekte am Start hatte. Sie war ehrenamtlich sehr aktiv und schon von den meisten Einwohnern ins Herz geschlossen, obwohl sie noch nicht so lange in Schottland war.

Matthew hatte einen Arm um Daphne und einen um Annika gelegt, als sie zum Eingang gingen. Es war bitterkalt, aber wenigstens regnete es heute nicht. „Das ist unser letzter gemeinsamer Abend", meinte er betrübt und tätschelte Annikas Arm noch ein wenig.

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