Champagner-Schock

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Eine dunkelgraue Wolkendecke füllte den ganzen Himmel, als Annika in Windjacke und Gummistiefeln eingepackt durch den Hof schritt. Es war heute einmal wieder kalt und windig. Nur der Regen hielt sich zurück, was aber nicht weiter beklagenswert war.

Schwungvoll stieß Annika die große Tür zur Scheune auf und atmete den bekannten Geruch nach Heu und altem Holz ein. Die Scheune diente heute nur als Gerümpelkammer, schon vor Jahren hatte Matthew den größten Teil der Tiere verkauft und den Rest samt ein Stück Land an einen Nachbar verpachtet. Jetzt war die Scheune überfüllt mit alten Traktoren, ungebrauchten Möbeln und diversen Pflanzen.

Als sie mit der Hand über einige Stühle mit rosanem Polster fuhr, kamen die Erinnerungen von vielen Versteckspielen mit Peter hervor. Und sie dachte an damals, wo sie mit Peter eine Flasche Rotwein auf dem Dachboden geköpft hatte. Peter war für sie mehr wie ein Bruder, als wie ein Großcousin. Und sie genoss es endlich wieder Zeit mit ihm verbringen zu können.

Sie hing einige Minuten ihren Gedanken nach, dann begab sie sich wieder in das Haus. Gleich als sie durch die Hintertür in die Küche kam, stieg ihr der Duft nach Gebäck in die Nase. Schnell zog sie ihre Jacke und Stiefeln aus und rannte zum Ofen. Sie hatte komplett ihre Applepies vergessen, die sie für den Abend bei den Langley's gebacken hatte. Zum Glück waren sie genau richtig. Zwei Minuten später und sie wären verbrannt gewesen. Schnell nahm sie die Kuchen aus dem Ofen und platzierte sie auf dem Herd.

„Das duftet einfach herrlich!", kommentierte Matthew, der in dem Moment in die Küche schlenderte. Unterm Arm hatte er einen Stapel Papiere, in der Hand eine leere Tasse Tee.

„Den gibt's aber erst heute Abend", neckte Annika ihn und grinste schelmisch.

„Du hättest doch einen Applepie extra backen können, damit wir gleich was für den Nachmittagstee hätten."

„Stimmt, aber da backe ich lieber Muffins. Der Teig ist schon fertig!", verkündete sie stolz und holte eine Schüssel aus dem Kühlschrank. Sie war immer selber überrascht, wie hausmütterlich sie hier auf dem schottischen Land wurde. Matthew setzte sich schwerfällig auf die Bank am Esstisch und begann in seinen Papieren zu wühlen.

„Was hast du denn da?", fragte Annika ihn, als sie Muffinteig in dafür vorgesehene Formen tat.

„Oh, nichts besonderes", meinte er ausweichend, aber sie merkte deutlich, dass er nur darauf wartete, dass sie weiter fragte.

„Sicher doch!", sagte sie deswegen und schaute ihn fragend an. „Das ist nicht zufällig dein Buch, oder?" Matthew tat ganz erstaunt, als hätte Annika ein Weltmysterium gelöst, grinste sie dann aber an.

„Doch. Willst du mal reinschauen?" Annika nickte eifrig, stellte das Backblech mit den Muffins in den Ofen und tippelte zu Matthew hinüber. Sie setzte sich neben ihn und nahm ihm die Papiere aus der Hand.

„Ich komme irgendwie nicht weiter", gestand er dann und guckte so traurig, dass Annika Lust bekam, ihn ordentlich zu knuddeln.

„Ach, Matthew, das ist bei Schriftstellern ganz normal. Schreibblockaden gehören einfach dazu."

„Wenn du meinst..."

„Aber falls ich darf, lese ich mal was du geschrieben hast und dann kann ich vielleicht mit einigen Vorschlägen kommen."

„Das hört sich gut an. Und wir haben ja die ganze Woche Zeit!"

„Heute schaffe ich aber wahrscheinlich nicht so viel, nach dem Tee müssen wir uns ja fast schon für heute Abend fertig machen."

„Wir nicht, du musst. Und vielleicht auch Daphne. Aber ich brauche nicht so lange wie ihr", meinte Matthew frech und Annika lächelte. „Und soviel ich weiß, kommen heute nicht einmal irgendwelche junge Herren, außer Peter, also brauchst du dich gar nicht so auf zu brezeln", ärgerte er weiter.

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