Kapitel 24

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Mein Wecker piept und reißt mich aus meinem Schlaf. Ich habe ihn mir früher als sonst gestellt. Ich will ja zu meinem ersten Schultag nicht zu spät kommen. Ich ziehe mir die Schuluniform an und habe noch genug Zeit um mich sowohl um Frisur als auch Make-up zu kümmern. Albert gibt mir eine getoastete Scheibe Brot, so wie er es immer gemacht hat und das zweite Mal in meinem Leben kann ich gemächlich zur Schule gehen. Mr. Crabone sagt mir ich solle vor dem Raum warten, was ich auch mache. Nach ca. 5 Minuten holt er mich rein. Ich stehe vor der Klasse und werde von den anderen abschätzig gemustert. Nur Ashley starrt mich böse an. Sie ist wohl noch sauer wegen gestern. "Also, erfreulicherweise ist Nane doch nicht umgezogen und wieder zu uns zurückgekehrt. Bitte nehmt sie wieder freundlich in eurer Mitte auf. Nane, setz du dich doch bitte wieder neben Jayson", erzählt Mr. Crabone. Einige blicken mich ungläubig an. Ashleys Blick wird noch hasserfüllter als sie merkt wer  sie Freitag so "beleidigt" hat. Ich fürchte mich jetzt schon vor dem, was mir in der Pause blüht.  Ruhig bleiben. Ein Imagewechsel war dringend nötig. Zeig ihnen die neue, selbstbewusste Nane Gray, die sich nicht so leicht unterkriegen lässt, sage ich zu mir selbst. Doch ich habe nicht nur davor Angst. Etwas, das mir mehr Sorgen bereitet ist die Reaktion von Jayson. Ich zittere leicht als ich zu ihm gehe, versuche aber es so gut wie möglich zu verbergen. Ich sitze neben ihm. Er sagt nichts. Ich sage nichts. Ich passe auf. Er passt auf. Ich werde nervös. Passen wir wirklich auf oder schweigen wir uns nur an? Durchatmen. Wir schweigen uns schon nicht an. Immer positiv denken. Ich versuche mich weiterhin zu konzentrieren. Sag doch was! Bitte! Es macht mich fertig, aber ich habe selbst nicht den Mut ihn anzusprechen. Ich riskiere einen Blick zu ihm. Er macht einen wütenden Eindruck. "Hab ich was im Gesicht?", flüstert er mir zu. Schnell gucke ich zur Tafel. Mein Blick war wohl etwas zu lang. Der genrvt-wütende Unterton lässt sich kaum überhören. Er ist wütend. Verdammt! Ich muss ein paar mal tief ein- und ausatmen, damit mir keine Tränen in die Augen steigen. Wenigstens hat er mit mir geredet, sage ich mir.

Nach der Stunde gehe ich als letzte aus dem Raum, doch dort stehen schon die anderen. Ashley wirft irgendein zusammengeknülltes Blatt Papier nach mir und trifft mich damit. "Ups. Das muss mir wohl aus der Hand gerutscht sein. Hebst du das bitte auf, Nane?", fügt sie dem bei. Die Vokale bei meinem Namen zieht sie lang und lässt ihn sehr hässlich klingen. Widerwillen bücke ich mich, um das Blatt aufzuheben. Als ich wieder aufstehe fragt sie spöttisch: "Also, Nane, kannst du bitte vorlesen, was dort steht?" Diesmal zieht sie nur das a lang. Ich falte das Papier auf. Kreuz und quer stehen dort Sachen wie: Stirb Schlampe! Niemand will dich hier! Du spielst die Starke nur und jeder weiß es! Wusstest du, dass dich alle hassen?   "Also, was ist nun? Kannst du etwa nicht lesen?", spottet Ashley. Ich halte die Tränen zurück und lese es vor. Ein lautes Lachen ertönt von Ashley und ihren Konsorten. Als ich fertig gelesen habe schaue ich Ashley genau in die Augen und füge hinzu:" Scheint wohl an dich gerichtet zu sein." Mit aller Kraft gelingt mir noch ein sarkastisches Schmunzeln. Doch schon kommt Ashley auf mich zugelaufen und klatscht mir eine. Dann reißt sie mich zu Boden. Ein harter Aufprall lässt mich merken, dass ich unten angekommen bin. Ashley krazt mich mit ihren künstlichen Krallen so lange, bis sie hochgezogen wird. Selbst dann tritt sie noch ein letztes Mal zu und verschwindet. Nach und nach lassen mich alle allein, bis ich mich irgendwann von selbst aufrapple. Natürlich hat keiner daran gedacht mir vielleicht zu helfen. Arrogante Arschlöcher. Langsam gehe ich auf die Mädchentoilette und betrachte mich im Spiegel. Ihre künstlichen Krallen haben auf meinem Gesicht nur feine Spuren hinterlassen, genauso wie von ihrer Hand nur eine leichte rote Färbung übrig bleibt. Das Einzige was schmerzt, sind meine Schultern, von dem Aufprall und meine Hüfte, an der Stelle, wo sie mich getreten hat. Ich mache mich auf zum nächsten Raum und lasse dort den Unterricht über mich ergehen. Dabei bin ich auch nicht so nervös und angespannt wegen Jayson. Nach der Stunde verschwinde ich als Erste aus dem Raum, um Ashley nicht in die Quere zu kommen. Es funktioniert sogar und ich habe eine ruhige zweite Pause. In der letzten Stunde nehme ich mir vor mit Jayson zu reden während wir nach Hause gehen. Der Lehrer möchte nochmal mit mir reden, weshalb Jay früher draußen ist als ich. Was mich noch mehr daran ärgert, ist die Tatsache das er mir nur sagen wollte, wie sehr er sich freut mich wieder zu sehen. Ich bedanke mich und gehe schnell raus. Ca. 50 Meter hinter der Schule sehe Jayson gehen. Doch irgendwie bemerkt er mich und geht schneller. "Jayson!", rufe ich. Er beschleunigt sich wieder. "Jayson!" Schon wieder etwas schneller. Jetzt laufe ich schon fast und erreiche ihn immer noch nicht. Verdammt! Ich bin nicht gerade die sportlichste. Ich laufe. Er läuft auch. Kommt es mir nur so vor, oder ist das ein verdammt großer Umweg? Mein Mund ist vollkommen ausgetrocknet und es schmerzt unter meinen Rippen. Auch die leichten Kratzer von Ashley brennen plötzlich. Mir fällt auf, dass wir durch ein kleines Wäldchen laufen. Ein verdammt riesiger Umweg! Hier ist kein Weg, auf dem man geht und überall stehen Bäume. So oder so muss ich jetzt an Jayson dran bleiben, oder ich komme gar nicht mehr hier raus! Meine Kräfte lassen langsam nach. "Jayson bitte bleib stehen!", rufe ich mit letzter Kraft. "Jayson bit...",will ich rufen, doch ich übersehe eine Wurzel und falle zum zweiten Mal heute hin. Was ist wenn er einfach weiterläuft? Ich stehe so schnell wie möglich auf. Ich suche nach Jay, doch meine Sicht ist leicht verschwommen. Nach ein paar mal leicht blinzeln geht es wieder. Erleichtert atme ich aus, als ich sehe, dass er näher kommt. Freudentränen kommen aus meinen Augen. Ich kann nicht anders. "Geht's wieder?", fragt er genervt. Ich schnappe immernoch nach Luft. Er dreht sich um und will gehen, aber ich bekomme noch sein Handgelenk zu fassen. "Bitte warte. Können wir reden?", bringe ich raus. "Nein", antwortet er kalt. "Dann lass uns wenigstens zusammen hier raus gehen." Nach kurzem überlegen lenkt er ein: "Na gut." Er geht vorraus, ich hinterher, meine Hand fest an sein Handgelenk geklammert. Es geht mir wieder besser. "Es tut mir Leid", fange ich an. Er sagt nichts. Ich warte ein bisschen. Immernoch nichts. Ich mache den Mund auf um weiter zu reden, da sagt er: "Du hättest mir wenigstens sagen können, dass du nicht umziehst. Und warum warst du Freitag so komisch zu mir?" Ich wollte durch deine wunderschönen, grünen Augen nicht verwirrt werden. Oh Gott, ich liebe dich! Doch anstatt das zu sagen, antworte ich: "Ich weiß es nicht. Tut mir leid, ich hatte noch viel zu tun und einen anstrengenden Tag" Ich denke nicht, dass er mir glaubt, aber ich hoffe es. Ich weiß, er empfindet nichts für mich, also muss ich es ihm nicht sagen. Zumindest noch nicht. Wir gehen aus dem Wald raus und weiterhin halte ich seine Hand. Als wir auf "unserem normalen" Weg sind schüttelt er meine Hand ab. Den ganzen Weg haben wir uns angeschwiegen. Er dreht sich zu mir um. Ich schaue in seine Augen und verliere fast in ihnen. Doch bevor das passiert redet er mit mir: "Ich verzeihe dir." Danach umarmt er mich. "Ich bin froh, dass du noch hier bist."

Von Mobbing und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt