Kapitel 20

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"Also, worum genau geht es, Mr. Lorring?", frage ich in sachlichem Ton. Nach einer kurzen Pause antwortet er in leicht verwirrtem Ton: "Ich wollte eigentlich deinen Vater..." Alles klar. Immer meinen Vater. Er mischt sich immer in mein Leben ein. Bis jetzt. "Mr. Lorring" , unterbreche ich ihn, "vorhin gab es gewisse "Andeutungen" von ihnen, bezüglich dieses Gespräches. Sie bezogen sich an mich, so weit ich mich erinnern kann, oder liege ich da falsch?" Ich riskiere einen Blick zu meinem Vater. Sein Blick zeigt mir, dass er ziemlich verblüfft ist. Gut so. Jetzt fängt auch mein Gesprächspartner wieder an zu erzählen: "Sie liegen richtig." Er klingt recht ...untergeben. Der kleine Unterton von Überraschtheit lässt sich dabei nicht überhören. Ich weiß nicht was ich hier mache, aber es fühlt sich gut an. Sehr gut. Mr. Lorring erzählt weiter. Doch -auch wenn es dumm klingt- ich fühle mich zu gut, um zuzuhören. Doch dann kommt mein Vater näher und sagt laut, deutlich und angsteinflößend : "Nein! Auf gar keinen Fall!" Gesprächsfetzen treten mir in Erinnerung. Er wollte, dass ich wieder in die Schule gehe. So wie es sich für einen normalen Menschen gehört. Mein Vater wollte gerade weiter machen, doch da hielt ich ihm meine ausgestreckte Hand vor sein Gesicht. Eigentlich war das so was wie eine Kriegserklärung an ihn. Doch es ging hier um was Wichtiges: mich. Ich habe immer andere vor mich gestellt. Allen voran meinen Vater. Doch es wird Zeit, alles mal grundlegend zu ändern! Ich schaute meinen Vater an, der kurz vorm platzen war und wandte mich dann wieder dem Telefon zu. "Wir nehmen an. Unter der Bedingung, dass Sie uns jetzt fünfzig Prozent ihrer Einnahmen überlassen und sie und nicht mehr mit einer Anklage drohen. Und diesmal erfüllen Sie unsere Forderungen." Ich schaue gar nicht erst zu meinem Vater. Er könnte richtig wütend sein. Aber auch stolz. In Physik habe ich eins gelernt, was mir wirklich nützlich ist: Wenn ich nicht zu meinem Vater sehe, ist er sowohl wütend als auch stolz auf mich. Doch ich hätte eh keine Zeit, zu ihm zu sehen. Denn jetzt ruft Mr. Lorring: "Einverstanden! Ich komme morgen zu Ihnen um den Vertrag zu unterschreiben!" Schon hat er aufgelegt. Zeit sich meinem Vater zuzuwenden. Egal was er sagt: ich bin Stolz auf mich und hab noch ein Ass im Ärmel. "Was fällt dir ein, so etwas wichtiges allein zu regeln?!", brüllt er los. Schon hebt er die Hand um mich zu schlagen, doch ich bin schneller. Mit demütigem Blick nach unten murmle ich etwas, das er vermutlich nicht versteht. "Schau mich gefälligst an, wenn du mit mir redest!", brüllt er weiter. Jetzt holt er aus. "Ich hab Mom gesehen." Wie erwartet lässt er seine Hand sinken. Innerlich atme ich erleichtert aus. Er hat gestoppt. Mich nicht geschlagen. Mich keine Schmerzen spüren lassen. "Was?", fragt er in einem Ton, den ich noch nie zuvor bei ihm gehört habe. Es klang so... weich? Ich bin zu überrascht um zu antworten. Doch er will offensichtlich gar keine haben. Denn schon zieht er sich zurück. Was ist hier gerade passiert?

Am nächsten Tag kommt schon Mr. Lorring. Ich habe gestern Abend noch einen Vertrag ausgearbeitet. Meinen Vater habe ich seit gestern Nachmittag nicht gesehen. Auch wenn er mich immer so behandelt hat: er ist mein Vater. Ich mache mir Sorgen. "Ist alles in Ordnung?", fragt mich Mr. Lorring. Er hat dabei denselben Gesichtsausdruck wie Jay. "Ja, alles in Ordnung", antworte ich lächelnd. Ich unterschreibe noch den Vertrag und alles ist geregelt. Zum Abschied gebe ich Mr. Lorring noch eine Kopie des unterschriebenen Vertrages mit. Das Original habe ich sorgfältig abgeheftet, falls noch mal gewisse "Schwierigkeiten" auftreten sollten. Morgen gehe ich zur Schule, um mich wieder in der Schule anzumelden. Und ab nächster Woche heißt es wieder Schule. Ich weiß nicht, ob ich mich freuen soll nicht mehr hier eingesperrt zu sein, oder ob ich Angst haben sollte vor meinen Mitschülern und dem Schulalltag der mir wieder blüht.

Von Mobbing und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt